Braunschweig. Noch befindet sich das Land im hinteren Drittel – und es bleibt zu viel Impfstoff in den Kühlschränken liegen. Doch die Tendenz stimmt.

Es war Anfang März eins der erklärten Ziele von Niedersachsens neuer Gesundheitsministerin Daniela Behrens: Das Land sollte beim Impf-Ländervergleich möglichst schnell die rote Laterne abgeben. Das ist gelungen, aber nur sehr mühsam.

Noch immer liegt Niedersachsen laut den Zahlen des Robert-Koch-Instituts vom Freitag nur auf Platz 11 der 16 Bundesländer. Und mit einer Impf-Quote von 21,7 unter dem Bundesschnitt von 22,2.

Ein weiterer Aspekt stimmt nachdenklich: Demnach bleiben in den Kühlschränken der Impfzentren und Praxen in Niedersachsen vergleichsweise viele Impfstoffdosen bisher ungenutzt liegen. Es handelt sich um 18 Prozent. Nur das Saarland, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen stehen noch schlechter da.

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315.000 Dosen bleiben unverimpft

Es ist also noch Luft nach oben. Und Ministerin Behrens scheint gewillt zu sein, weiter aufzuholen. Es ist mehr Zug in der Impfkampagne als unter ihrer Vorgängerin Carola Reimann, die ihr Amt gesundheitsbedingt abgeben musste.

So schneidet Niedersachsen im Ländervergleich ab. 
So schneidet Niedersachsen im Ländervergleich ab.  © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Behrens’ Mitarbeiter schlagen einen anderen Ton an – intern und extern. Das geht aus einem Vermerk des Städtetages in Niedersachsen hervor, der unserer Zeitung vorliegt. In der „Corona-Runde“ vom 19. April haben Mitarbeiter aus Behrens’ Haus unumwunden die eigenen Schwächen zugegeben. „MS erklärte, dass nach Statistik von heute rd. 315.000 Imfpdosen nicht verimpft seien. Niedersachsen liege im Bundesdurchschnitt hinten“, heißt es im Protokoll der Sitzung. Das MS ist das Ministerium für Soziales und Gesundheit in Niedersachsen.

Landkreise impfen unterschiedlich schnell

Aus dem Protokoll geht aber auch eindeutig hervor, dass es unter den 45 Landkreisen und kreisfreien Städten in Niedersachsen große Unterschiede beim Impftempo gibt. Das Ministerium übt also mehr als subtil Druck auf die Landkreise aus. Auf Nachfrage wollte Behrens’ Sprecherin Anne Hage aber nicht sagen, welche Landkreise und Städte in Niedersachsen denn gut und welche schlecht abschneiden. Zwar gebe es recht klare Hinweise, das „Monitoring“ stehe aber noch aus.

Beim Städtetag verbittet man sich die Kritik. Im Protokoll von Hauptgeschäftsführer Jan Arning über die Corona-Runde vom 19. April heißt es daher: Es dürften nicht alle Impfzentren „über einen Kamm geschoren werden“.

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Ministeriums-Sprecherin Hage sagte: „Wir sind in den vergangenen Wochen ein großes Stück vorangekommen. Wir bekommen endlich deutlich verlässlicher und deutlich mehr Impfstoff nach Niedersachsen.“ Seit Anfang April seien neben den Impfzentren die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte als wichtige Säule der Impfkampagne dabei.

Dieses Wochenende wird ein Sonder-Impfwochenende

Tatsächlich geben die Ärztinnen und Ärzte Anlass zur Hoffnung. Sie haben in Niedersachsen bislang bereits 250.000 Menschen geimpft.

Ab Anfang Juni wird Niedersachsen die Betriebs- und Werksärzte als dritte Säule in die Impfkampagne aufnehmen. „Laut Lieferankündigungen des Bundes erwarten wir bis Ende Juni fast 3 Millionen Impfdosen für unsere Impfzentren, weit über 4 Millionen kommen darüber hinaus in den Arztpraxen an“, sagte Hage. Nahezu alle Bewohner und Mitarbeiter in den Alten- und Pflegeheimen seien geschützt und geimpft. An Wochentagen werden in den Impfzentren knapp 40.000 Menschen pro Tag geimpft, am Samstag und Sonntag zusammen über 30.000.

Auch an den Wochenenden hinkte Niedersachsen bislang hinterher. Hage sagte mit Blick auf dieses Wochenende: „Wir stehen vor einem Sonder-Impfwochenende, bei dem sich unsere Impfzentren auf das Verimpfen des Impfstoffs Astrazeneca an über 70-Jährige fokussieren. 70.000 Impfungen hat man terminiert. Nach diesem Wochenende wird ein Großteil der impfwilligen Personen ab 70 Jahre mindestens einmal geimpft oder mit Impfterminen versorgt sein.“

Rund 380.000 Menschen stehen auf der Warteliste

Die Landesregierung will ab dem 26. April daher die Terminvergabe für Impfungen mit Astrazeneca nun auch für Bürger ab dem vollendeten 60. Lebensjahr öffnen. Und ab Mai können sich die Lehrer an den weiterführenden Schulen, die Feuerwehrleute sowie die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe für einen Impftermin in den Impfzentren eintragen lassen.

Rund 380.000 Menschen stehen derzeit insgesamt auf der Warteliste für einen Impftermin. Das Land verteidigt die hohe Quote beim bisher ungenutzten Impfstoff. „Klar muss immer sein: Der gelieferte Impfstoff kann nicht direkt nach der Lieferung auch schon verimpft sein, daher wird es immer eine Differenz zwischen Lieferzahl und Impfungen geben“, sagte Hage. Diese Differenz fällt in vielen anderen Ländern aber bisher geringer aus.

Am Donnerstag kündigte das Land bereits eine weitere Maßnahme an. Denn abgesagte Impftermine konnten bisher oft nicht mehr zeitnah neu vergeben werden. Mit einer Online-Terminbörse steuert das Land jetzt gegen. Wer impfberechtigt ist und sich auf die Impfplattform einloggt, kann so kurzfristig einen Termin erhalten.

Lob gibt es von der CDU

Lob von ungewohnter Stelle bekam das SPD-geführte Ministerium angesichts der jüngsten Anstrengungen. CDU-Landtagsfraktionschef Dirk Toepffer bescheinigte der neuen Gesundheitsministerin Behrens insbesondere wegen ihres Einsatzes in der Corona-Krise einen guten Start. „Ich will ein Lob für Frau Behrens aussprechen“, sagte Toepffer laut der Deutschen Presse-Agentur. „Ich finde, sie macht das im Großen und Ganzen sehr gut“, sagte Toepffer demnach. Behrens höre zu und handele, vor allem wenn bei der Impfkampagne nachjustiert werden müsse. Toepffer: „Ich finde, sie hat einen guten Start hingelegt.“

Niedersachsen holt also mühsam auf – doch auch die anderen schlafen nicht.