Braunschweig. Über 2000 Bundes-Grundstücke stehen im Verdacht, mit Kampfmitteln belastet zu sein. Streitkräfte säubern die Grundstücke nur oberflächlich.

Warum wird nicht vorher aufgeräumt, wenn die Truppenübungsplätze geschlossen werden?

Dies fragt unser Leser Karsten
Radwan auf den Facebook-Seiten unserer Zeitung.

Die Antwort recherchierte Andreas Eberhard.

Lübtheen ist nicht überall – trotzdem ist die Verseuchung ehemals militärischer Gelände mit Kampfmitteln keineswegs ein rein ostdeutsches Problem. Auch in unserer Region gibt es belastete Flächen – oder solche, bei denen eine Belastung zumindest nicht auszuschließen ist. Denn gesäubert wird zwar bei „Auszug“, allerdings nur oberflächlich.

Für ehemalige Bundeswehrgelände ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) verantwortlich. Diese Bundesbehörde verwaltet den Grundbesitz der Bundesrepublik Deutschland. Verlässt die Bundeswehr oder eine andere in Deutschland stationierte Armee, in Niedersachsen etwa die britische, einen Standort oder Truppenübungsplatz, so wird dieser an die Bima zurückgegeben.

Säuberung nur „mit bloßem Auge“

Zuvor, so erklärt die Behörde auf Anfrage unserer Zeitung, beseitigen die Streitkräfte „akute Gefahrenstellen“, allerdings nur „soweit diese auf frei zugänglichen Stellen mit bloßem Auge zu sehen sind“. Damit die Fläche möglichst schnell weitergenutzt werden könne, finde vor der Rückgabe keine flächendeckende Kampfmittelräumung statt. Über 2000 Liegenschaften mit rund 107.000 Hektar, für die die Bima verantwortlich ist, stehen im Verdacht, dass dort Kampfmittel liegen: Seien es nun Überbleibsel der militärischen Nutzung durch die Wehrmacht, die Bundeswehr oder Gaststreitkräfte, Relikte der beiden Weltkriege oder die Folge unsachgemäßer Entsorgung.

Die Grundstücke müssen auch dann nicht flächendeckend geräumt werden, wenn die Bima das betreffende Grundstück anschließend weiterverkauft – etwa an private Eigentümer. Allerdings macht sich die Liegenschaftsverwaltung nach eigenen Angaben zunächst ein systematisches Bild davon, wie stark ihre Grundstücke mit Kampfmitteln belastet sind. Bestätige sich ein Verdacht, so setzte sie „alle notwendigen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr“ um. „Der Größe dieser Aufgabe und Verantwortung“ sei sich die Bima bewusst, schreibt sie.

Kampfmittelräumung geschieht meist nur, wenn gebaut wird

Das ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einer systematischen Säuberung der Flächen von alten Kampfmitteln.Etwa berücksichtigt die Bima bei ihrer Bewertung auch die Art der Nutzung des Geländes und die „Verhältnismäßigkeit“. Bei einer Liegenschaft, die unter Naturschutz steht, etwa könne eine Kampfmittelräumung einen zu starken Eingriff in das geschützte Ökosystem bedeuten. Oft sei eine solche nur dann „möglich und wirtschaftlich sinnvoll“, den Untergrund zu erkunden und zu säubern, wenn dort gebaut werden solle.

„Bevor die Bima eine Fläche weiterverkauft, auf der Kampfmittel vermutet werden, informiert sie potenzielle Käufer selbstverständlich über den Stand der Maßnahmen“, schreibt die Behörde unserer Zeitung. Die Kosten, die dem Käufer durch eine Räumung entstünden, würden beim Kaufpreis oder in entsprechenden Klauseln zur Kostenübernahme im Kaufvertrag berücksichtigt.

Wer übernimmt die Kosten für eine Sanierung?

Zusätzliche Risiken und Kosten können für den neuen Eigentümer allerdings dann entstehen, wenn er das Gelände anders als zunächst geplant nutzen will. Entschließt er sich erst nach dem Kauf zum Bauen, bleibt er auf den Kosten der aufwändige Kampfmittelbeseitigung sitzen. Für solche Fälle übernehme sie keine Haftung, betont die Bima.

Solange auf einem belasteten Grundstück nicht gebaut wird und dieses – etwa durch einen Zaun – ausreichend abgeschirmt ist, gibt es also keine Pflicht zu räumen.Die Einhaltung der Schutzmaßnahmen zu überwachen, dafür sind die kommunalen Gefahrenabwehrbehörden, also in der Regel die Ordnungsämter, zuständig. Anders als andere Bundesländer hat Niedersachsen keine gesonderte Kampfmittelverordnung. Der Schutz vor Gefahren, die von Kampfmitteln ausgehen, ist hier Teil der „allgemeinen Gefahrenabwehr“.