Braunschweig. Interne Liste: Behörden leiten teils nur bei zwei Prozent ausreisepflichtiger Flüchtlinge eine Abschiebung ein. Nur jede vierte Rückführung klappt.

Bei der Abschiebepraxis von abgelehnten Flüchtlingen herrscht in Niedersachsen großer Verbesserungsbedarf. Das zeigt eine Auswertung des Landesinnenministeriums, die unserer Zeitung vorliegt. Demnach wurde im vergangenen Jahr in 6242 Fällen eine Abschiebung geplant. Erfolgreich war sie jedoch nur in 1436 Fällen. Nicht einmal jede vierte geplante Abschiebung gelang also.

Die Zahlen des Ministeriums verdeutlichen, dass die 52 kommunalen Ausländerbehörden in Niedersachsen sehr unterschiedlich vorgehen. Trotz einheitlicher Gesetzeslage geht die Spanne der AbschiebeQuoten weit auseinander. Demnach liegt das Verhältnis der Anzahl eingeleiteter Abschiebungen zu der Anzahl geduldeter Flüchtlinge im Kreis Osterholz-Scharmbeck bei nur 1,79 Prozent. Im Kreis Gifhorn sind es 101,79 Prozent. Hier hat die Ausländerbehörde bei einzelnen Flüchtlingen mehrfach eine Abschiebung eingeleitet. Unsere Zeitung wusste von der Existenz der Daten. Die Zahlen hat das Innenministerium erst auf Nachdruck herausgegeben.

Die Ausländerbehörden leiten nach einem entsprechenden Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eine Abschiebung ein. Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde bringen den abzuschiebenden Flüchtling zusammen mit Beamten der Polizei, des Landeskriminalamts oder der Bundespolizei zum Flughafen oder zur Grenzübergabestelle. Es gibt also eine Vielzahl an Beteiligten.

Die Riesenunterschiede bei der Abschiebepraxis in den Ausländerbehörden hatte das Land Mitte Januar und Anfang März dazu bewogen, Druck auf die Kommunen auszuüben. Das Innenministerium verschickte je zwei Briefe an 24 Kommunen, deren Quote unter 20 Prozent lag. Die Briefe liegen unserer Zeitung vor. Sie enthalten die Aufforderung, strikter vorzugehen. Aus der Region haben der Kreis Goslar, die Stadt Salzgitter und der Kreis Göttingen Briefe erhalten. Sie haben eine Quote von 14,24 Prozent, 9,68 Prozent und 4,79 Prozent.

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Eine Sprecherin des Innenministeriums sagte: „Mir ist es wichtig, herauszustellen, dass ein niedriger Wert bei der ermittelten Kennzahl noch keine Bewertung hinsichtlich von der jeweiligen Ausländerbehörde geleisteten Arbeit erlaubt.“

Die Briefe und die Statistik sorgten bei den Kommunen dennoch für Ärger. Göttingens Landrat Bernhard Reuter (SPD ) sagte: „Hier wird der Eindruck erweckt, den Kommunen fehle es an Kompetenz, Willen oder beidem, Rückführungen verantwortlich durchzuführen. Das trifft nicht zu.“

Auch der Landkreis Goslar fühlt sich zu Unrecht durch das Land kritisiert. Der Landkreis habe seine „Hausaufgaben“ seit 2015 konsequent gemacht, sagte ein Sprecher. „Die Statistik des Innenministeriums zum Stichtag 31.12.2018 benachteiligt mithin die Ausländerbehörden, die bereits vor 2018 den Aufenthalt von vielen Personen beendet hatten.“

Gifhorns Landrat Andreas Ebel (CDU) will aber offenbar nicht als Hardliner gelten. Der Landkreis Gifhorn leitete besonders viele Abschiebungen ein. Ebel hob hervor: „Dem Landkreis sind die meisten Dublin-Fälle zugewiesen worden, so dass hier auch eine hohe Zahl an eingeleiteten Überstellungen vorliegt.“ Nach den Dublin-Regeln ist normalerweise jener EU-Staat für Asylanträge zuständig, auf dessen Boden Schutzsuchende zuerst die Europäische Union betreten haben.

Es gibt Handlungsbedarf: Die von Minister Boris Pistorius ins Spiel gebrachte Idee einer "Abschiebe-Behörde" ist eine Folge der schlechten Abschiebe-Quoten der Ausländerbehörden. Pistorius will die Abschiebe-Behörde schaffen, damit es eine einheitliche Handhabe gibt. „Spezialisten“ aus einer Zentrale könnten „rechtssicher und schnell“ handeln, sagte Pistorius.

Eine weitere Auffälligkeit gibt es anhand der Zahlen: Abschiebungen in andere europäische Staaten scheitern häufiger als in die Herkunftsländer der Flüchtlinge. Bei den Dublin-Überstellungen in andere europäische Länder gelangen nur 13 Prozent der Abschiebungen, bei den anderen Abschiebungen lag die Erfolgsquote immerhin bei 42 Prozent.

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