Vier von zehn Einbrüchen bleiben in Versuchen stecken. Niedersachsens Innenminister Pistorius appelliert an die Bürger, ihr Heim zu sichern.

Seit Wochen häufen sich die Einbrüche im Braunschweiger Kanzlerfeld. Als jemand, der in dieser Gegend lebt, bekomme ich zunehmend Sorge, dass es auch uns treffen könnte. Ich frage mich ernsthaft, ob die Polizei genug tut. In England beispielsweise werden mit einem Radarsystem Einbruchsversuche gezielt verhindert...

Dies fragt ein Leser auf unserem Portal Alarm38.

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Hannover. Der Hauptkommissar legte sich richtig ins Zeug. Mit einem hölzernen Keil, mit Schraubendreher, Brecheisen und sogar mit einem Hammer rückte Michael Fritsch im Innenministerium einer eigens aufgebauten „Hauswand“ zu Leibe – in der Rolle als Einbrecher.

Die Lektion war so eindrucksvoll, dass sich auch Innenminister Boris Pistorius (SPD) längst von seinem Stuhl erhoben hatte und nähergetreten war. Während der Polizeiexperte den ungesicherten Abschnitt der Wand in zwanzig, dreißig Sekunden aufgehebelt hatte, und das relativ leise, musste Fritsch an den hochwertigeren Bauteilen im zweiten Abschnitt Schwerstarbeit leisten. Hebelwirkung ließ sich kaum entfalten, die Scheibe widerstand ersten Schlägen, der Lärm war so beträchtlich, dass echte Einbrecher möglicherweise aufgegeben hätten.

Zur „dunklen Jahreszeit“,wie es hieß, hatte Niedersachsens Landesregierung das Thema Wohnungseinbrüche noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt. Dabei sollte eine frohe Botschaft – die Zahl der Wohnungseinbrüche sinkt insgesamt – so präsentiert werden, dass Politik, Polizei und Bürger im Gemeinschaftserfolg zusammenfinden. Über die Bedeutung der privaten Vorbeugung hatte Pistorius schon wiederholt gesprochen. „Jeder Einzelne kann eine Menge gegen Wohnungseinbrüche tun“, sagte der Minister nun einmal mehr und verwies auf die kostenlosen Beratungsangebote der Polizei.

Dabei geht es nicht nur um Schlösser und Riegel, Fenster und Türen. „Ist eine Wohnung lange unbeleuchtet, schreibe ich quasi eine Einladungskarte an die Einbrecher“, sagte der Leiter des Referats für Kriminalitätsbekämpfung im Landespolizeipräsidium, Dirk Pejril. Auch Facebook-Einträge wie „tolle Wochen auf den Malediven“ seien wenig hilfreich.

„Vier von zehn Einbrüchen bleiben in Versuchen stecken“, betonte Pistorius. Dass diese Quote steigt, ist für ihn ein Beleg für die zentrale Rolle der Eigensicherung. Auf der nächsten Innenministerkonferenz will der Niedersachse daher versuchen, eine finanzielle Förderung der Sicherung auch für Neubauten durchzusetzen. Ansprechpartner ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau (www.kfw.de/inlandsfoerderung). In den Niederlanden beispielsweise seien die Forderungen an Einbruchssicherung viel höher, hierzulande habe man eher Angst vor noch einer Vorschrift mehr, meinte Pistorius. Und daher muss eben die Förderung Reize schaffen.

Dass die Polizei ihre eigenen Hausaufgaben gemacht hat, versuchte der Minister mit dem Hinweis auf 100 polizeiliche Ermittlungsgruppen seit seinem Amtsantritt 2013, mehr Präsenz an Brennpunkten sowie bessere Analysen und Spurenauswertungen zu belegen. Die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und Bundesländern war 2016 in einer „Aachener Erklärung“ sowie im März dieses Jahres mit einer norddeutschen Erklärung offenbar deutlich ausgeweitet worden. Allein im Raum Osnabrück, wo Pistorius herkommt, seien zehn Einbrecherbanden zerschlagen worden. Auch die Frage unseres Lesers gehört in diesen Zusammenhang. Die Prognosesoftware „PreMAP“ berechnet für Niedersachsens Polizei, wo Einbruchsbrennpunkte Wiederholungsgefahr besteht. Sehen können das die Beamten auf ihren digitalen Endgeräten. In 14 Polizeiinspektionen kommt das System seit kurzem zum Einsatz. Es geht aufs Vorbild USA zurück ist seit 2016 in Niedersachsen erprobt wurde.

Offiziell geht es um die „Zweite Pilotphase“ des Projekts.Schon das legt nahe, dass andere weiter sind. Wo eingebrochen wurde, veröffentlich als „Einbruchradar“ beispielsweise die Polizei Hannover im Internet. Bei der Pressekonferenz rieten die Polizeifachleute außerdem, sich über Messengerdienste in der Nachbarschaft zusammenzuschließen. Beobachtungen etwa verdächtiger Fahrzeuge oder Personen könnten dann sofort per Nachricht weitergegeben werden.

Von Einbruchskriminalität betroffen seien Städte ebenso wie ländliche Regionen, hieß es. In den Städten spiele Beschaffungskriminalität im Drogenmilieu eine weit größere Rolle. Täter würden mögliche Beute, Aufwand und Risiko genau abwägen, sagten die Fachleute Fritsch und Pejril weiter.

Die Aufklärungsquote liegt in Niedersachsen bei knapp 24 Prozent, das scheint erst einmal wenig, liegt aber deutlich über dem Bundesschnitt. Einen Großteil der Täter kenne man nicht, räumte Pejril ein. Aber Fritsch, der Mann, der im Ministerium den Einbrecher mimte, war sich in einem Punkt ganz sicher. „Das Hebelgesetz ist das einzige Gesetz, das die Einbrecher lieben.“