Braunschweig. Zerhäckseltes Mähgut muss nicht aufgesammelt werden und dient als Dünger. Doch für Tiere können Mulchmäher gefährlich werden.

Die Unterhaltung unserer Wege und Gräben ist wichtig, nur müssen wir uns Gedanken machen, wie sie stattfinden soll. Das Mulchen ist ökonomisch, nimmt aber einem großen Teil der Insekten- und Amphibienwelt den Lebensraum.

Das meint unser Leser Jürgen Kirchmann aus Lehre.

Zum Thema recherchierte
Johannes Kaufmann

Jürgen Kirchmann ist Landwirt und Vorsitzender im Umweltausschuss von Lehre. Im März erhielt er den Umweltpreis der BUND-Kreisgruppe Helmstedt. Naturschutz liegt ihm am Herzen, und etwas, das ihn derzeit besonders umtreibt, ist der Schutz von Insekten und Amphibien. Viele von ihnen fielen einer bestimmten Form der Grünflächenbearbeitung zum Opfer: dem Mulchen.

Anders als beim üblichen Mähen bleibt beim Mulchen das Mähgut liegen. Möglich ist dies, weil spezielle Mähwerke das Mähgut ansaugen und dann häckseln. Das so zerkleinerte Schnittgut zersetzt sich schnell und dient dadurch als Dünger.

In der Landwirtschaft wird dieser Effekt durchaus begrüßt. „Auf dem Acker dient das Verfahren der Bodenhygiene. Der Boden wird durch Mulch an der Bodenoberfläche vor Verschlämmung, Erosion und Verdunstung geschützt. Bei Raps und Mais werden die zerkleinerten Pflanzenreststoffe oberflächennah mit dem Boden vermischt und eingearbeitet, um tierische und pilzliche Schädlinge abzuwehren“, erklärt Dr. Hans-Heinrich Voßhenrich vom Thünen-Institut für Agrartechnologie in Braunschweig. Das mache das Mulchen zu einer ökologisch sinnvollen Maßnahme konservierender Bodenbearbeitung.

Unser Leser stört sich allerdings nicht an bodenschonenden Ackerbauverfahren, sondern am Einsatz von Mulchmähern zum Freihalten von Straßenrändern, Uferböschungen oder Waldwegen. Denn beim Mulchen geraten nicht nur Gras und Strauchwerk in die Maschinen, sondern auch Insekten und möglicherweise auch Mäuse, Amphibien oder bodenbrütende Vögel. Manche Umweltverbände sehen die Mulchmahd daher kritisch.

Die BUND-Ortsgruppe Oberhaching etwa bezeichnet das Verfahren auf ihrer Internetseite als „problematisch für Fauna und Flora“. Die Nährstoffe aus dem Mulch führten zudem zu einem Nährstoffüberangebot, was nährstoffliebende Pflanzen wie Gras bevorzuge. Blühpflanzen hingegen hätten es schwer auf solchen Flächen. Der Biologe Friedrich Buer spricht auf dem „Umwelt-Watchblog“ gar von einem „Generalangriff auf die Artenvielfalt“. Auf Nachfrage unserer Zeitung kann er zwar keine wissenschaftlichen Belege nennen, doch die Schäden des Mulchens seien „offensichtlich zu erkennen“. Seine Anklage hat Buer daher nach eigenen Angaben an alle in Bayern zuständigen Ministerien und Behörden geschickt – ohne eine Antwort zu erhalten.

Das sagen die Städte unserer Region

Die Anfragen unserer Zeitung an die Städte in unserer Region hingegen wurden alle beantwortet. „Die Verwendung dieser Mäher ist wirtschaftlicher, da dadurch lediglich eine Überfahrt pro Fläche erforderlich ist“, heißt es in der Antwort der Stadt Salzgitter. Straßenränder würden in der Regel ein bis zweimal im Jahr gemäht, andere Flächen bis zu 20 Mal. „Aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen ist der ökonomische Aspekt bei der Festlegung der Mähtechnik vorrangig.“ Allerdings werde die Pflege auf einigen ausgewählten Flächen extensiviert, damit sich dort „bunte Blumenwiesen“ entwickeln könnten.

Die Stadt Wolfsburg wiederum betont, dass der Geschäftsbereich Grün „sehr wohl ökologische Aspekte bei der Mähtechnik und auch bei den Mähzeitpunkten“ berücksichtige. Landschaftsrasen werde zumeist zweimal im Jahr und grundsätzlich erst nach der Brut- und Setzzeit gemäht, „und auch so spät, dass Wildpflanzen blühen und sich vermehren können“. Zum Teil würde das Mähgut als Heu eingesammelt. Das Mähgut der zweiten Mahd verbleibe auf der Fläche. Zur Begründung des Mulchens schreibt die Stadt: „Schon aus den rund 1000 Hektar Fläche, die die Stadt bewirtschaftet, ergibt sich, dass bei der Aufnahme des Mähgutes riesige Berge entstehen würden, die nicht kompostierbar sind. Sie wären als Müll zu entsorgen, weil an vielen Stellen das Mähgut durch beispielsweise Hundehaufen oder sonstigen Müll belastet ist.“

Zu einer regelrechten Abhandlung über Mähverfahren und Grünflächenmanagement wurde die Antwort der Stadt Braunschweig. Es bestehe bei manchen Maschinen „durchaus die Gefahr, dass insbesondere durch die Sogwirkung auch Klein- und Kleinstlebewesen verletzt oder getötet werden“, schreibt der Leiter des Fachbereichs Stadtgrün und Sport, Michael Loose. Man verwende viele verschiedene Techniken, ausgewählt nach wirtschaftlichen wie auch ökologischen Kriterien. Die sogenannte Hundewiese auf dem Nussberg werde beispielsweise gemulcht. Auf „ökologisch hochwertigen Wiesenflächen, vor allem auch bei Feucht- und Nasswiesen“ hingegen werde gemäht, ohne zu mulchen.

Darüber hinaus würden in Zusammenarbeit mit der BUND-Kreisgruppe Braunschweig nach und nach mehr Flächen ökologisch schonend gemäht, die früher noch gemulcht wurden. Ein Ziel des Absammelns des Schnittguts sei dabei auch, den Flächen Nährstoffe zu entziehen, „so dass auch Arten Entwicklungschancen haben, die auf beispielsweise gut mit Stickstoff versorgten Böden ansonsten gegen wuchskräftigere Allerweltsarten relativ chancenlos wären“.

Und im Wald? Matthias Aßmann, Pressesprecher der Landesforsten, weist die Kritik unseres Lesers zurück. Zwar würden sogenannte Rückegassen im Wald gemulcht, um sie für die Jagd und den Holztransport freizuhalten. Die Landesforsten legten aber grundsätzlich viel Wert auf den Schutz der Artenvielfalt. „Gemulcht wird ausschließlich außerhalb der Brut- und Setzzeit. Waldwege werden von uns grundsätzlich halbseitig freigeschlagen, so dass auf der anderen Seite ausreichend Blühpflanzen stehenbleiben.“ Die Bearbeitung der Seiten erfolge im jährlichen Wechsel. Das Mulchen betreffe außerdem nur kleine Flächen und nicht ganze Lebensräume.

Zusammenhang mit dem Insektensterben?

Unser Leser hingegen beklagt, dass vielen kleine Flächen sich zu einem großen Effekt addierten. Auch der Insektenkundler Professor Thomas Schmitt, Direktor des zur Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung gehörenden Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg, kritisiert den Einsatz von Mulchmähern: „Das Mulchen verhindert eine reiche Insektenwelt und ist einer der Faktoren des Insektensterbens.“ Aus ökologischer Perspektive sei es besser, möglichst spät zu mähen und das Heu abschließend abzusammeln. „Gerade Straßenränder kann man doch so schön bunt gestalten“, sagt Schmitt.

Die Stadt Braunschweig will ihre Bemühungen um eine schonende Bewirtschaftung von Grünland ausbauen. Im Rahmen des Projektes „Förderung der biologischen Vielfalt in der Stadt Braunschweig“ würden knapp 3,5 Millionen Euro in solche Maßnahmen gesteckt, von denen das Land Niedersachsen 80 Prozent übernehme. Es gibt also Hoffnung, dass der Anblick gemulchter Grünflächen, Straßenränder und Uferböschungen künftig seltener wird.