Braunschweig. Hersteller pumpen Luft ins Eis, so erzeugen sie Masse ohne zusätzliche Kosten. Verbraucher sollten beim Kauf auf Gewicht statt Volumen achten.

Ist der Luftanteil im industriell gefertigten Speiseeis nicht unverhältnismäßig hoch?

Das fragt unser Leser Dirk
Volkmann aus Königslutter

Die Antwort recherchierte
Stefan Simon

Ob Eis am Stiel, im Becher, in der Waffel oder die großen Packungen aus dem Kühlregal im Supermarkt – ein Eis in diesen heißen Sommertagen gehört für viele Menschen einfach dazu.

Genauso wie Luft ins Eis gehört, denn sonst wird es nicht cremig, klumpt und liegt steinhart im Gefrierschrank. Aber wie viel Luft gehört in ein gutes Eis? Und, wie unser Leser fragt, ist in konventionellem Speiseeis nicht unverhältnismäßig viel Luft?

Bis zu 50 Prozent Luft im Eis

„In den letzten Jahren haben die Hersteller immer mehr Luft in das Eis gepumpt. Teilweise wird das Volumen verdoppelt. So produzieren sie aus wenig Eis mehr Eis“, sagt Armin Valet vom Verbraucherschutz in Hamburg. Es gebe Packungen mit einem Luftanteil von über
50 Prozent.

Die Hersteller sparen dadurch Produktions-Kosten. „Der Verbraucher kann sich freuen, wenn das Eis cremig ist. Wenn es aber etwas länger draußen steht und schmilzt, dann bleibt nicht mehr viel übrig.“ Ernst Kammerinke vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) sieht das anders. Der Verbraucher erwarte eben ein cremiges Eis – und es komme auf die Eissorte und den Hersteller an. „Manche Eissorten benötigen eben mehr Aufschlag. Ein Stracciatella-Eis enthält Sahne und Milch, anders als ein Zitronen-Sorbet“, sagt er.

Preis wird nach Millilitern bestimmt

Die Fertigverpackungsverordnung bestimmt, wie das Eis in den Tiefkühltruhen der Supermärkte an die Kunden gebracht wird – und sie ermöglicht den Eisherstellern, die Kunden auszutricksen. Denn der Preis für Speiseeis wird nicht nach dem Gewicht des Inhalts bemessen, sondern nach dem Volumen der Verpackung. Bereits im Herbst 2015 sollte diese Ausnahmeregelung im Rahmen der vorgesehenen Novellierung der Verordnung nach einem entsprechenden Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums abgeschafft werden. Doch dazu kam es nicht. Aktuell gibt es neue Überlegungen dazu.

Es geht um viel Geld: Jeder Deutsche isst jährlich im Schnitt 7,9 Kilo Speiseeis. Über zwei Milliarden wurden davon umgesetzt, einen großen Anteil hat das konventionelle Speiseeis aus der Großpackung. Auf dieser Großpackung steht immer beides: Gewicht und Volumen. Wer einen Blick auf das Preisschild im Supermarkt wirft, bemerkt, dass der Preis zu Vergleichszwecken aber je 100 Milliliter und nicht je 100 Gramm angegeben ist. Da wird es mit einem Preisvergleich schwer, denn Luft wirkt sich nur auf das Volumen aus, nicht aber auf das Gewicht. Das heißt: Je mehr Luft eine Eispackung enthält, desto billiger wirkt sie im Vergleich.

„Der Grundpreis am Regal soll eigentlich bei der Entscheidung helfen. Beim Speiseeis werden die Verbraucher jedoch verwirrt“, sagt Verbraucherschützer Valet. Deswegen fordert der Verbraucherschutz eine Grundpreisangabe nach Gewicht. Die sei transparenter und gewährleiste mehr Vergleichbarkeit.

Wie die Industrie mogelt, zeigt dieses Beispiel: Das Walnuss-Eis von Häagen-Dazs kommt bei 500 Milliliter auf 418 Gramm. Das Walnuss-Eis der Discounter-Marke Gut & Günstig schafft es bei 1000 Milliliter auf 560 Gramm. Der Luftgehalt bei der teuren Marke ist also weit geringer als bei der Billig-Marke.

Der Braunschweiger Eisproduzent Dieter Scholz wundert sich darüber nicht: „Häagen-Dazs ist vergleichbar mit handwerklich hergestelltem Eis. Sie verwenden auch die richtigen Zutaten wie Milch, Sahne und Früchte. Das machen die großen Eisproduzenten nicht“, sagt er. Deswegen müssten sie ihr Eis ja auch mit Luft strecken. „Wir fügen unserem Eis circa 25 Prozent Luft zu. Ein gutes Eis sollte nicht mehr als 30 bis 40 Prozent Luft haben“, sagt er.

Auch in anderen europäischen Ländern wird der Preis von Speiseeis nach Milliliter bestimmt. So in Großbritannien, Belgien, Irland, Dänemark und Lettland, sagt Kammerinke vom BDSI. Auch in Deutschland gibt es immer noch die besagte Ausnahmeregelung. Das Bundeswirtschaftsministerium beantragte sie 2014 in Brüssel.

In Spanien, Griechenland, Frankreich und Italien gilt Eis dagegen als fester Stoff. Die EU-Lebensmittelinformationsverordnung sieht nämlich eigentlich vor, dass bei festen Lebensmitteln das Gewicht und bei flüssigen das Volumen angeben wird.

Was bedeutet das fürs Eis? Laut den Leitsätzen zählt der gefrorene, feste Zustand. Denn Eis werde in gefrorenem, festen Zustand in den Handel gebracht und sei dazu bestimmt, in diesem Zustand auch verzehrt zu werden.

Ändern wird sich an der deutschen Ausnahmeregelung aber erstmal nichts – jedenfalls nicht vor 2019. Beim Bundesverband der Süßwarenindustrie sieht man überhaupt keine Notwendigkeit, hier etwas zu ändern. „Die Verbraucher sind vollständig informiert, wenn die Hersteller Volumen und Gewicht auf den Packungen angeben“, sagt Kammerinke. Menschen würden das Eis sowieso wegen des Geschmacks und persönlicher Vorlieben kaufen – und nicht nach Mengen.