Braunschweig. Laut Zeckenforscherin Ute Mackenstedt könnte ein Pilz den Spinnentieren gefährlich werden.

Unser Leser Klaus Buhmann fragt:

Hat das Auftreten von Zecken in Parks und Gärten dramatisch zugenommen? Wenn ja, steht das in Verbindung mit dem Rückgang von Insekten und Vögeln als Fressfeinde?

Die Antwort recherchierte Andreas Eberhard

Gibt es mehr Zecken als früher? Unser Leser Klaus Buhmann empfindet es so. In seiner Schulzeit in den 60er Jahren seien ihm die Tiere nur „in der Theorie“ untergekommen. „Obwohl wir unsere freie Zeit in einer Umgebung mit viel Gras und Büschen verbracht haben, habe ich damals nie von einem Zeckenbiss gehört.“ In den letzten Jahren sei dies häufig der Fall gewesen.

„In Afrika gibt es Vögel, die knuspern die Zecken von den Wirtstieren ab – aber nicht bei uns“
„In Afrika gibt es Vögel, die knuspern die Zecken von den Wirtstieren ab – aber nicht bei uns“ © Ute Mackenstedt, Parasitologin von der Universität Hohenheim

Zeckenforscherin Dania Richter vom Institut für Geoökologie der TU Braunschweig kann Buhmanns Wahrnehmung nicht bestätigen. Sie warnt sogar vor falscher Panik: „Wenn wir jedes Jahr wieder behaupten, dass es mehr Zecken gibt, tun wir uns keinen Gefallen, weil wir abstumpfen.“ Wie viele Zecken ein Mensch wahrnimmt, führt sie vor allem auf dessen Verhalten zurück: „Je nachdem, wo man sich aufhält oder wie man die Landschaft nutzt, wird man mehr oder weniger Zecken feststellen.“

Auf zwei jüngere Entwicklungen verweist allerdings die Parasitologin Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim. Die erste betrifft das Verbreitungsgebiet: „Dass Zecken heute auch in Höhen von 1200 bis 1500 Metern anzutreffen sind, ist schon neu.“ Grund hierfür seien klimatische Veränderungen.

Und auch aufs Jahr gesehen habe sich etwas verändert. Früher habe sich die Zecken-Aktivität deutlicher auf bestimmte Monate konzentriert: auf April bis Juni und auf die Herbstmonate September und Oktober. „Mittlerweile verwischt sich das aber zunehmend. Wegen milder Winter und feuchter Sommer kann man heute fast ganzjährig auf aktive Zecken treffen.“ Das Wörtchen „aktiv“ sei entscheidend, so Mackenstedt. „Die Zecken auf der Suche nach einem Wirt sind nämlich die einzigen, über die wir überhaupt Aussagen treffen können.“ Diese machten aber schätzungsweise nur 20 bis 30 Prozent der Tiere aus. „Die restlichen leben im Boden oder in der Laubstreu, und wir nehmen sie gar nicht wahr.“

Zecken lieben es warm und feucht. Sie brauchen eine hohe Luftfeuchtigkeit, so Mackenstedt: „Was sie nicht mögen, ist, wenn es knochentrocken ist.“ Deswegen finde man sie praktisch nie auf regelmäßig gemähten Rasen. Anzutreffen seien sie im hohen Gras von Naturwiesen, im Halbschatten von sonnenbeschienenen Sträuchern, in Wäldern und Parks. Und in Gärten: Eine Studie habe dies gerade wieder gezeigt. Dabei seien ganz verschiedene Gärten untersucht worden: naturbelassene und sehr gepflegte, waldnahe und waldferne. „Aber Zecken gefunden haben wir in allen davon.“

Seriöse Aussagen zur Zahl der Zecken seien kaum möglich, so Mackenstedt, „aber was man versucht, ist, anhand von Modellen Voraussagen zu treffen“. Da die Lebensbedingungen der Tiere jedoch äußerst komplex seien, müssten die Berechnungsmodelle diese Komplexität widerspiegeln. Sie gibt ein Beispiel: Etwa könne ein Jahr mit besonders vielen Bucheckern sich mittelbar auf die Zahl der Zecken auswirken. „Die Larven der Zecken sind extrem klein. Deshalb suchen sie sich auch kleine Wirtstiere, meist Nagetiere wie Mäuse.“ Deren Zahl hänge davon ab, wie reich ihr Tisch mit Bucheckern gedeckt ist.

Durch „Abflaggen“, das Auslegen von Tüchern, um die daran haftenden Zecken zu zählen, nehmen die Forscher an ausgewählten Standorten Stichproben. Diese Zahlen gehen in die Berechnungen ein, um Voraussagen zu treffen. „Die Zeckenvorhersage ist aber noch unzuverlässiger als die Wettervorhersage“, gibt TU-Forscherin Richter zu bedenken.

Wespen, die Zecken fressen

Und wie steht es mit den natürlichen Feinden der Zecke, nach denen unser Leser fragt? „In Afrika gibt es Vögel, die knuspern die Zecken von den Wirtstieren ab, aber nicht bei uns“, erklärt Mackenstedt. Wie ihre Braunschweiger Kollegin Richter sieht sie deshalb keinen Zusammenhang zwischen Vogel- und Zeckenzahl. Das einzige heimische Tier das sich von Zecken ernährt, sei eine Schlupfwespenart, die ihre Eier in den blutgefüllten Hinterleib des Holzbocks legt. Die Larven ernähren sich von dem Blutvorrat und schlüpfen dann als junge Wespen aus der toten Zecken-Hülle hervor. „Aber ob das einen nennenswerten Einfluss auf die Zahl der Zecken hat, können wir nicht sagen“, so Mackenstedt. Allerdings könnten ein Pilz den Zecken gefährlich werden. Bereits seit über zehn Jahren wird an der Uni Hohenheim daran geforscht, den achtbeinigen Blutsaugern damit den Garaus zu machen: „Wir haben den Pilz in toten, verpilzten Zecken gefunden“, so die Professorin. Das Ziel sei ein Granulat aus Pilz-Perlen. Diese könnte dann ausgestreut werden, um etwa Waldkindergärten zur zeckenfreien Zone zu machen.