Braunschweig. Die Durchseuchung der Zecken mit FSME ist in Niedersachsen gering – anders als bei Borreliose.

Unser Leser Dr. med. Helmut Käss aus Braunschweig schreibt:

Hirnhautentzündungen habe ich bei meinen Patienten in Braunschweig nie erlebt. Aber die Borreliose ist gar nicht so selten.

Zum Thema recherchierte Andreas Eberhard

Nicht nur bei seinen Patienten hatte der Braunschweiger Arzt Helmut Käss gegen die Borreliose zu kämpfen. Auch er selbst war schon daran erkrankt – nachdem ihn im Garten eine Zecke gebissen hatte. Seine Erfahrungen, die er unserer Zeitung in einer Mail schildert, decken sich mit den Befunden des Landesgesundheitsamts: Die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung in Deutschland ist die Lyme-Borreliose. Laut Schätzungen gibt es jedes Jahr Zehntausende Neuerkrankungen.

Dagegen erkranken nur 250 bis 500 Menschen in Deutschland jährlich an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Nach einer Infektion dem Virus können Entzündungen der Hirnhaut, des Gehirns und des Rückenmarks auftreten, die vor allem wegen der schweren, bleibenden Lähmungen gefürchtet sind. Allerdings haben sich nur bei 18 der seit 2002 bekanntgewordenen Fälle Menschen vermutlich in Niedersachsen angesteckt. Aber: Die Tendenz der Neuerkrankungen steigt. 9 der 18 Fälle wurden in den vergangenen beiden Jahren verzeichnet. „Das ist schon auffällig. Da ist etwas in Bewegung“, sagt der Virologe Masyar Monazahian vom Landesgesundheitsamt. Aussagen über die Ursachen seien jedoch höchst spekulativ, da die Gesamtzahl der Fälle immer noch sehr gering sei.

Das Verhältnis der bekannten Erkrankungen entspricht in etwa dem Ergebnis einer Untersuchung von niedersächsischen Zecken. Mit Hilfe der Forstämter trug das Landesgesundheitsamt seit 2008 47 000 Holzböcke – so der alte Name des Spinnentiers – aus verschiedenen Waldgebieten zusammen. In anderthalbjähriger Forscherarbeit wurden die tiefgefrorenen Tiere auf Krankheitserreger untersucht. Das Ergebnis: In nur vier Zecken fanden sich FSME-Erreger. „Diese Zahl ist viel zu gering, um auf ihrer Grundlage irgendwelche Aussagen zu treffen“, sagt Monazahian. Selbst in den süddeutschen FSME-Risikogebieten seien nur 1 bis 5 Prozent der Zecken mit dem Erreger infiziert. Auch schwanke die Rate der infizierten Tiere zeitlich sehr stark. „So richtig erklären können wir uns das noch nicht.“

Deutlich höher sei die Durchseuchungsrate der niedersächsischen Zecken mit dem Borreliose-Erreger. „Doch auch hier sieht es regional ganz unterschiedlich aus“, wirkt Monazahian falschen Vereinfachungen entgegen: Von den rund um Cuxhaven gesammelten Zecken trugen 30 Prozent das Borrelia-Bakterium in sich. Bei den aus dem Harz stammenden waren es lediglich 4 Prozent.

Anders als gegen FSME gibt es gegen Borreliose keinen Impfschutz. Eine Borreliose können die Betroffenen meist an einer Rötung rund um den Zeckenstich erkennen, die sich auch noch sechs Wochen später bilden kann. In 90 Prozent der Fälle verlaufe die Krankheit wie ein grippaler Infekt mit Fieber und Gelenkbeschwerden, sagte Helmut Eiffert von der Universitätsmedizin Göttingen. Bei zehn Prozent der Patienten sei in einer zweiten Phase auch das Nervensystem betroffen, etwa in Form einer Hirnhautentzündung.

Eine flächendeckende Meldepflicht für Borreliose gibt es in Deutschland nicht. „Solange es keine einheitliche Art der Erfassung gibt, macht eine Meldepflicht aus meiner Sicht auch wenig Sinn“, so Monazahian.