Salzgitter. Ein Leser schlägt auf unserem neuen Internet-Portal „Idee38“ vor: Kinder könnten doch Senioren vorlesen.

Gegen den Ellenbogen – für mehr Verständnis zwischen Jung und Alt

Hildegard Schooß, Mitgründerin des SOS-Mütterzentrums in Salzgitter-Bad, will den Austausch der Generationen miteinander „institutionalisieren“. Den Vorlese-Vorschlag unseres Lesers nimmt sie gerne auf, sagt aber auch: „Dass Grundschul-Klassen in Altenheime gehen und sich dort mit den Heimbewohnern beschäftigen, gibt es ja schon. Wir wollen Vorreiter bei der Frage sein: Wie schaffen wir es, Menschen altersübergreifend zu betreuen?“ Denn Schooß und ihre Mitstreiter sind sicher: „Wenn Kinder in dem Bewusstsein aufwachsen, was es heißt, im Alter auf Hilfe angewiesen zu sein und wenn die ältere Generation erfährt, was es heißt heute Kind zu sein, dann erzeugen wir ein gegenseitiges Verständnis von dem am Ende alle profitieren“, sagt sie.

Zusammen mit Salzgitter Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) kam am Donnerstag auch Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), zugleich Wahlkreisabgeordneter, zu einer Stippvisite nach Bad, um sich dort über das neue Projekt „Offenes Haus für Jung und Alt“ im Mütterzentrum informieren zu lassen. Im Zentrum des Modellversuchs – die Finanzierung ist zunächst nur für die drei Jahre gesichert – steht das Aufheben räumlicher Grenzen und eine konzeptionelle Neuorientierung, die der Kinderbetreuung auf der einen Seite und die Tages-Altenpflege auf der anderen Seite bislang unterworfen waren. „Mit dem Ausbau wurde die Möglichkeit geschaffen, dass es im täglichen Zusammenleben einen Austausch zwischen Jung und Alt gibt.“ Man habe im 1. Obergeschoss die Voraussetzungen geschaffen, dass die Kinder auch in die Beschäftigungsräume derjenigen kommen könnten, die ihre Urgroßeltern sein könnten. Wie man das geschafft habe? „Wir haben einfach die Türen geöffnet“, erklärt Schooß.

Sigmar Gabriel und Frank Klingebiel im SOS Mütterzentrum in Salzgitter-Bad

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    Gabriel zeigt sich zunächst überrascht über die Einladung. „Ich habe das Mütterzentrum schon immer als Einrichtung verstanden, die sich das Generationsübergreifende auf die Fahnen geschrieben hat.“ Aber er habe das schon verstanden. Jetzt solle das alles noch größer und intensiver geschehen. „Und wahrscheinlich braucht ihr auch mehr Geld“, sagt Gabriel. Er verweist auf die Anfangszeit des Mütterzentrums und die Skepsis, die auch in Teilen in der Politik herrschte. „Einige dachten Mütterzentrum bedeute, dass hier wieder das traditionelle Rollenbild propagiert wird.“ Dass das Konzept ein ganz anderes sei, zeige sich bis heute. „Solche Einrichtungen sind wichtig, weil sie der zunehmenden Vereinzelung in der Gesellschaft Einhalt gebieten wollen. Ansonsten herrscht der Ellbogen, und das Recht des Stärkeren wird zum Prinzip.“

    Auch Klingebiel unterstreicht die Bedeutung, die Einrichtungen wie das Mütterzentrum für Städte wie Salzgitter hätte. Man schwimme schließlich nicht im Geld, sagt der CDU-Politiker und nennt dann Braunschweig, Wolfsburg und Frankfurt als Beispiele. „Wir müssen auf kreative Ideen setzen und darauf, dass Menschen das alles mit Leben füllen.“ Er selbst sei als Kind von vielen Menschen geprägt worden. Die meisten seien älter gewesen. Sein Fußball-Trainer im Verein sei so jemand gewesen. „Auch ohne den wäre ich nicht der, der ich heute bin“, beschreibt Klingebiel, warum es notwendig ist, in intergenerative Projekte Geld zu stecken.

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    Apropos Geld: Hier gibt es dann doch noch einen freundschaftlichen Hinweis des Kommunalpolitikers Klingebiel in Richtung Gabriel und die Bundesregierung. Er erlebe immer wieder die Kurzsichtigkeit, mit der der Bund und die Länder Projekte unterstützen würden. Zuletzt habe sich das bei der Frage der Flüchtlingsintegration gezeigt. „Für den Großteil der laufenden Kosten, die in der Regel durch die Finanzierung des Personals entstehen, sind dann die Kommunen zuständig.“

    Gabriel verspricht dem Mütterzentrum und seiner Leiterin Sabine Genther zum Abschied, für die Sache zu werben, damit sich weitere Türen öffnen. Für den Außenminister öffnet sich jetzt erstmal die Tür seiner Limousine. Die Geschäfte in Berlin warten.

    Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Familien-Bande