Berlin. Die CSU fordert, 62 ausreisepflichtige Gefährder rigoros abzuschieben. Die SPD will die Herkunftsländer zur Kooperation zwingen.

Thomas Oppermann reicht es. Es sei „untragbar“, schimpft der SPD-Fraktionschef, „wenn die Ausreise Zehntausender an mangelnder Bereitschaft der Herkunftsländer scheitert, Pässe zur Verfügung zu stellen.“ Jeder denkt unwillkürlich an Anis Amri: An den Attentäter, dessen Abschiebung beschlossene Sache war und der nur geduldet wurde, weil seine Papiere aus Tunesien fehlten.

Von den 153 000 abgelehnten, aber geduldeten Ausländern haben 131 000 keine Ausweispapiere. Diese Zahlen aus dem Ausländerzentralregister alarmieren Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „Man kann mehr tun, wenn man will, das ist ein großes Thema“. Und sicherheitsrelevant. Denn: Von den 550 Gefährdern in Deutschland haben 224 eine ausländische Staatsangehörigkeit. Davon sind 62 ausreisepflichtig und müssten abgeschoben werden. Wenn sie denn gültige Ausweise haben. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge legen 40 Prozent der Neuankömmlinge einen Ausweis vor. Das ist teils mit der Fluchtsituation begründet, teils Kalkül. Es sprach sich schnell herum, dass eine ungeklärte Identität kein Nachteil ist, weil sich so ein Verfahren verlängert. Viele Menschen wollen bloß länger bleiben. Andere können objektiv nicht zurück, weil in ihrem Herkunftsland Bürgerkrieg herrscht. Aber für die Minderheit mit kriminellen Absichten wäre konsequente Abschiebung die beste Prävention. Sie steht und fällt mit der Identitätsfeststellung und mit den Ausweisen.

„Es ist untragbar, wenn die Ausreise an den Herkunftsländern scheitert.“
„Es ist untragbar, wenn die Ausreise an den Herkunftsländern scheitert.“ © Thomas Oppermann, SPD-Fraktionschef, zum Fall Anis Amri

Wie die CSU will die SPD Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in die Pflicht nehmen. „Die Bundesregierung muss mehr Druck auf diese Staaten aufbauen“, fordert Oppermann im Gespräch mit unserer Redaktion. Er solle die Rückführungsabkommen neu verhandeln, „dabei dürfen auch wirtschaftliche Sanktionen nicht ausgeschlossen werden.“ De Maizière kann es nach eigenen Worten „nicht alleine schaffen“. Das Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium (beide SPD-geführt) sowie der Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) müssten mitwirken. Eine „klare Ansage“ verlangte SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im „Spiegel“: „Wer nicht ausreichend kooperiert, kann nicht auf unsere Entwicklungshilfe hoffen.“ Bisher legt sich Müller quer.

Derweil plädiert Justizminister Heiko Maas (SPD) für schärfere Gesetze beziehungsweise deren rigorosere Auslegung: „Abschiebehaft sollte künftig für Gefährder auch dann verhängt werden dürfen, wenn die Herkunftsstaaten bei der Rückführung nicht kooperieren.“

Seit Mitte 2013 hat sich die Zahl der Geduldeten nahezu verdoppelt. Anfang 2015 kam der Großteil der Asylbewerber noch aus den Balkan-Staaten. Ihre Begehren waren nach Ansicht der Behörden unbegründet. Bei ihnen dauert es inzwischen rund sechs Wochen, bis ihre Anträge abgelehnt und die Menschen in ihre Heimat zurückgeführt werden. Das funktioniere, weil ihre Herkunftsstaaten „kooperativ waren“, erklärt Herrmann.

„Riesenprobleme“ sieht er in Afrika. Wie groß sie sind, machte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, auf einer CSU-Klausur klar. Als die Türen zu sind, redet Kahl Klartext: Die Zahl der aus Afrika kommenden Migranten werde weiter zunehmen, schon weil Transitländer wie Sudan, Niger, Libyen keinen Anreiz hätten, die Schleuser zu bekämpfen. Sie verdienten mit an Transport und Unterkunft.

Das Bundesinnenministerium verweist zwar darauf, dass die Registrierung der Flüchtlinge inzwischen abgeschlossen sei. Aber es ist unklar, ob sich jeder Neuankömmling bei den Behörden gemeldet hat. Außerdem führte Amri vor, wie leicht es ist, sich mehrere Identitäten zuzulegen. Zur Feststellung einer Identität müssten die Herkunftsländer helfen. Helfen würde auch, wenn die EU-Staaten binnen der gesetzlichen Frist von 72 Stunden Daten, zum Beispiel Fingerabdrücke, liefern würden.

Da sind die kritisierten nordafrikanischen Staaten Algerien, Tunesien und Marokko vorbildlich. Sie erheben biometrische Daten und sind zum Abgleich bereit. Dass sie zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden – um die Verfahren zu beschleunigen –, verhindern bislang die Grünen. Die Partei hält die Situation bestimmter Gruppen in diesen Staaten für unsicher und kritisiert die pauschale Einstufung. Homosexuelle und Aktivisten würden verfolgt. Das bestätigen Menschenrechtsorganisationen.