Braunschweig. Negjdet Berisha aus Albanien führt ein internationales Team: „Aber für das Eis und das Essen sind Italiener zuständig.“ Aber warum ist das wichtig?

Eiszeit – es wird Frühling in der Stadt. Das „Eis vom Italiener“ ist dabei ein Begriff für sich. Die Eisdielen haben wieder geöffnet, fast alle in italienischer Hand. Und doch, wer genau hinschaut, entdeckt bei den Inhabern zusehends Namen wie Luan, Tarik oder Albin, statt Giovanni, Angelo oder Enrico.

„Unsere Nachfolger sind Albaner“, erklärt der Römer Lino Caringi, der gerade im La Piazza seinen Espresso trinkt. Jahrzehnte war er als „König vom Kohlmarkt“ bekannt, vor einigen Jahren hat er abgedankt. „Ich habe an Negjdet übergeben“, sagt er und umarmt den Mann, der am Tisch neben ihm sitzt. Negjdet Berisha. Albaner. „Die jungen Italiener haben keine Lust mehr auf Gastronomie“, sagt Caringi.

Das Eis wird im „Geheimlabor“ produziert

„Ich habe lange verheimlicht, dass ich Albaner bin“, verrät Negjdet, weil er den guten Ruf der italienischen Küche nutzen wollte. Inzwischen hat er das abgelegt. „Ich rede offen über meine Herkunft, betone aber, dass meine beiden Köche waschechte Italiener sind.“ Warum ist das wichtig? „Es ist nicht nur der Ruf“, weiß Negjdet, „die Italiener sind geboren mit den Gewürzen, sie kochen einfach besser als alle anderen.“

Und das gilt auch für die Eis-Herstellung. „Lino hat uns alles beigebracht“, sagt der Inhaber. Und Lino Caringi erklärt direkt die Hauptzutaten: „Milch, Wasser, Zucker – und Fantasie“, sagt er lachend. Oben über dem Gastraum ist das „Labor“, hier wird Eis produziert. „Geheimlabor“ könnte man auch sagen, denn die genauen Rezepte sind und bleiben Geheimnis.

„Albaner und Italiener sind sich ähnlich“

„Das Eis und das Kochen überlasse ich den Italienern“, erzählt Negjdet Berisha, „ich kümmere mich um die Organisation.“ Einkauf, Personal, Werbung. „Du hast nicht nur die Verantwortung für dich“, sagt er, „du musst immer in die Zukunft denken, an deine Leute, wie kannst du auf sicherem Boden bleiben?“

Zuverlässiges Personal ist auch für ihn, wie überall in der Gastronomie, ein Thema. „Wobei wir im Moment ein wirklich gutes Team haben“, freut er sich. Menschen aus der Türkei und Brasilien arbeiten im La Piazza. Und aus Albanien. „Albaner und Italiener sind sich ähnlich“, weiß Negjdet Berisha, „fast alle Albaner sprechen italienisch.“

„Die jungen Leute wollen nicht mehr so hart arbeiten“

Mit Kräften aus Deutschland hat er nicht so gute Erfahrung gemacht. „Die jungen Leute wollen nicht mehr so hart arbeiten, wir arbeiten abends, an den Wochenenden, und hier wird auch nicht so viel verdient wie in der Industrie“, erklärt Negjdet Berisha.

„Das gilt für die Jugend aus Italien genauso“, fügt Pino Caringi an, „früher kamen die jungen Leute gern als Saisonarbeiter nach Deutschland, das ist vorbei.“ Die Bildung sei sehr viel besser geworden, die Jugend habe heute ganz andere Pläne. „Meine Töchter zum Beispiel arbeiten in der Landesaufnahmebehörde“, erzählt er stolz.

Von der Ziegelfabrik ins Eiscafé

„Ich kam 1991 als Flüchtling nach Deutschland“, blickt Negjdet Berisha zurück. „Alle jungen Männer versuchten damals das Kosovo zu verlassen, um nicht in den Krieg zu müssen.“ Er war 20 Jahre alt und zog zu seinem Bruder nach Schöningen. Erst ein Job in einer Ziegelfabrik, 1993 fing er als Kellner in einem Eiscafé in Schöningen an. „Und schon da habe ich von Lino gehört“, erzählt er, „der damals mit Janis und Connie zu den legendären Wirten in Schöningen gehörte.“

Später, als Lino Caringi schon am Kohlmarkt erfolgreich war, fasste sich der junge Albaner ein Herz und hat sich beworben. „Fang an“, hat der Chef zu ihm gesagt, „zeig mir, was du kannst.“ Von 8 bis 23 Uhr ging der erste Arbeitstag – und wurde der Beginn einer langen Zusammenarbeit und einer engen Freundschaft. „Ich habe schnell erkannt, dass er eine gute Persönlichkeit besitzt“, erzählt Lino Caringi über seinen Nachfolger, „dass er ein korrekter Mensch ist. Und dass er eine Liebe für die Gastronomie besitzt.“

„Gastronomie ist schön, aber kompliziert“

Diese Liebe sei wichtig, da sind sich beide einig. „Gastronomie ist schön, aber kompliziert“, erklärt Negjdet Berisha. Zwei Ehen sind zerbrochen, auch an den Umständen seiner Arbeit, das ist er sicher. Jetzt lebt er mit Estella zusammen. Das passt. Sie ist ebenfalls Albanerin, kam ebenfalls als Flüchtling nach Deutschland, arbeitet jetzt mit ihrem Lebensgefährten im La Piazza. Viele Dinge, die verbinden.

Lino Caringi hat die Liebe zu seiner deutschen Frau Maria durch die turbulenten Gastro-Jahre bewahren können. „Unsere Heimat ist Braunschweig, aber unser Herz schlägt auch in Italien.“ In ein paar Tagen geht ein Zug für das Paar Richtung Süden. „Wussten Sie, dass Rom einen Strand hat?“, schwärmt er. Die Hafenstadt Ostia ist das Ziel, nur 30 Kilometer von Rom entfernt. „Ich gehe aus meiner Wohnung über die Straße und bin am Meer“, schwärmt er. Das passt zu einem „König vom Kohlmarkt“.

Ach ja, und das Lieblingseis? „Erdbeere und Joghurt-Amarena.“ Und für Negjdet Berisha? „Auch Joghurt-Amarena, und Estella liebt Pistazie. Aber alles nur in echt italienisch“, da ist sich das internationale La Piazza-Team einig.

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