Braunschweig. Zukunft in Braunschweig: Protohaus-Geschäftsführer Chris Töppe erklärt, warum für Kreative das Bedingungslose Grundeinkommen wichtig ist.

Vor einem guten Jahrzehnt klagte Braunschweig, dass Studenten den Weg in die Selbstständigkeit scheuen. Heute schießen Start-Ups wie Pilze aus dem Boden und die Industrie sucht händeringend Ingenieure. Was sich geändert hat, erklärt Chris Töppe.

Angestellter? Das kam für Töppe nie in Frage. Er ist heute am Rebenring Geschäftsführer der High-Tech-Werkstatt Protohaus. Obwohl ihm der Weg in die Industrie offengestanden hätte. „Ich wollte lieber praxis-orientiert arbeiten. Ideen umsetzen.“ Einst unmöglich, weil der Maschinenpark fehlte. Im Protohaus findet sich mittlerweile alles. Inklusive Laser-Cutter und 3D-Drucker. Die Dinge scheinen sich zu ändern.

Töppe meint zu den Gründen: „Ein Start-Up zu gründen ist natürlich deutlich hipper, als Angestellter zu sein.“ Braunschweig sei in dieser Hinsicht keineswegs Vorreiter: Berlin ist Vorbild. Dort habe sich eine gewaltige Szene etabliert. „Braunschweig holt aber auf.“

Der kleine Tanz-Roboter kann auf einem Bein stehen – und den Moonwalk.
Der kleine Tanz-Roboter kann auf einem Bein stehen – und den Moonwalk. © Philipp Ziebart/BestPixels.de

Was bestimmt den Wandel? Töppe meint: „Selbstständigkeit heißt auch Selbstverwirklichung. Das ist eben nicht: 40-Stunden-Woche, Familie, Haus, Auto. Dieses so strukturierte Leben wird in Frage gestellt.“ Selbstverwirklichung und Selbstständigkeit sei aber auch Trend, „weil wir verglichen mit dem größten Teil der Weltbevölkerung in Saus und Braus leben. Selbst ein Student lebt wie ein König. Junge Menschen haben heute tatsächlich alle Möglichkeiten.“

Das werde jedoch auch hinterfragt: „Benötigt man tatsächlich soviel Krimskrams? Ist das überhaupt nachhaltig?“ Das Wachstumsmodell stehe auf dem Prüfstand: „Niemand muss sich wundern, dass es schon heute so viele Veganer und Vegetarier unter den jungen Menschen gibt. Es wird bewusster gelebt. Wenn 90 Prozent der Protohaus-Besucher sagen, sie brauchen kein Auto ­– wen von ihnen wollen Sie für autonomes Fahren begeistern?“

Die Arbeitswelt ändere das. „Wenn man sich die Arbeitsweise von Google, Netflix oder Apple anschaut, dann erkennt man, dass sich diese Unternehmen ganz stark bemühen, die Ansprüche ihrer Mitarbeiter an Arbeit und Freizeit in eine neue Balance zu bringen. SAP mache es in Deutschland auch schon.“

Kein Nagel, kein Klebstoff ­­– der Holz-Hase aus dem Laser-Cutter ist nur gesteckt.
Kein Nagel, kein Klebstoff ­­– der Holz-Hase aus dem Laser-Cutter ist nur gesteckt. © Philipp Ziebart/BestPixels.de

Dass man nach Wolfsburg fahren müsse, um dort am PC zu sitzen, während zu Hause ebenfalls ein PC steht, leuchtet Töppe nicht ein. „Wichtig ist doch nur, dass die Ziele erreicht werden.“ Es obliege den Unternehmen, Angebote zu schaffen, damit im Team die Kommunikation klappt.

Das sei auch der Grund, warum Unternehmen ganz genau auf Start-Ups schauen. „Viele Gründer sind schließlich auch Innovationsträger.“ Vorbehalte gegenüber jungen Gründern vermag Töppe keine zu erkennen. „Schaut man nach Berlin, dann erkennt man, dass es sehr gut gelingt. Investoren schauen sich die Start-Ups ganz genau an. Und wenn ein gutes dabei ist, wird es sofort gefördert.“ Das sei der große Unterschied zu Braunschweig: „Es fehlt hier das Geld. Eine Investoren-Szene, die sich ganz bewusst mit den Start-Ups beschäftigt, die entsteht in Braunschweig erst. Sie wächst zwar, ist aber längst nicht so ausgeprägt wie in Berlin.“

Neu sei diese Erkenntnis nicht. „Wirtschaftsdezernent Gerold Leppa, die Wirtschaftsförderer und der Wirtschaftsausschuss versuchen gegenzusteuern.“ Auch das Protohaus. Doch ein Netzwerk aufzubauen, das benötige Zeit. „Unterdessen laufen uns die guten Ideen weg. In Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg liegt das Geld, um gute Ideen umzusetzen.“

Ich war eine Schallplatte.
Ich war eine Schallplatte. © Philipp Ziebart/BestPixels.de

Die Start-Ups werden die Arbeitswelt verändern. Viele Theorien gebe es dazu, sagt Töppe. Er sei der Auffassung, dass das Bedingungslose Grundeinkommen eine zentrale Rolle spielen werde, innovative Ideen zu befördern: „Das Bedingungslose Grundeinkommen wird einerseits den technologischen Wandel in der Produktion abfedern, der dafür sorgt, dass Maschinen immer mehr Arbeit erledigen, die heute noch Menschen erfordern.“ Doch sollen auch neue Arbeitsplätze entstehen, müssen mehr innovative Ideen produziert werden: „Dazu müssen die Arbeitsbedingungen der Kreativen verbessert werden. Ein Grundeinkommen gibt die Sicherheit, im nächsten Monat auch die Miete zahlen zu können.“