Osterode. Das Traditions-Fachgeschäft „Schuhhaus Neubauer“ in Osterode besteht bereits seit 1899. Was die Inhaber aus bewegten Zeiten lernen.

Als vor 5.300 Jahren Steinzeitmensch Ötzi durch die Alpen stapfte, war auch er schon gut beschuht, als Gletschermumie erlangte er später Berühmtheit. Schuhe allerdings gibt es schon weitaus länger, das älteste nachgewiesene Paar ist 9.000 Jahre alt und besteht aus Pflanzen.

Schuhwerk aus Pflanzenmaterial oder aus Bärenleder, wie sie Ötzi trug, die hatte das Schuhhaus Neubauer in Osterode wohl nie im Sortiment, obwohl seine Geschichte, in Relation zu vielen anderen Firmen in Osterode, durchaus historisch zu nennen ist. In diesem Jahr wird das Traditions-Fachgeschäft 125 Jahre alt.

Schuhhaus Neubauer in Osterode: Geschäft war immer in Familienhand

Seit dem Jahr 2011 führt Petra Neubauer (65) die Geschäfte des kleinen Unternehmens in der Straße „Am Schilde“, das immer in Familienhand war. Im März 1899 eröffnete es Ernst Neubauer mit einer Reparaturwerkstatt und führte dies mit seiner Frau bis 1933.

Als Inhaber folgten Sohn Rudolf und nach dessen Tod im Zweiten Weltkrieg Gertrud Neubauer, die es 1958 ihrem Sohn Rudolf und seiner Ehefrau Erika übergab. Ab 1999 übernahm dann die jüngste Tochter mit ihrem Ehemann und später die ältere Tochter Petra Neubauer, die heutige Geschäftsführerin.

Historische Aufnahme des Osteroder Ladens Neubauer, ausgestellt in den aktuellen Geschäftsräumen.
Historische Aufnahme des Osteroder Ladens Neubauer, ausgestellt in den aktuellen Geschäftsräumen. © FMN | Michael Paetzold

Laden in Osterode am Harz durchsteht bewegte Zeiten

Viele Höhen und Tiefen hat das Geschäft durchlebt, Schäden nach einer Sprengung beispielsweise oder die schwierigen Bedingungen während der Währungsreform, jüngst die Coronakrise, kein Wunder, waren die Zeiten doch immer schon bewegt.

„Es sind inzwischen Generationen von Kundinnen und Kunden, die unser Angebot schätzen“, erzählt Petra Neubauer. Sicher: Schuhe werden immer gebraucht, aber gute Beratung, viel persönlicher Austausch und der Kontakt mit Kundinnen und Kunden gehen über eine reine Versorgungsleistung hinaus und seien ein wichtiger Teil der Arbeit.

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Die Mitarbeiterinnen sind teils seit 40 Jahren dabei

„Wir können zudem auf bewährtes Personal zurückgreifen“, freut sich Petra Neubauer, zum Teil sind die Mitarbeiterinnen schon 40 Jahre dabei. Das Team sei im Lauf der Zeit zusammengewachsen. Das habe sich gerade während der schweren Coronazeit gezeigt, in der es voll hinter dem Geschäft gestanden habe und wesentlichen Anteil daran hatte, dass auch ungewöhnliche Verkaufsstrategien zum Überleben führten. Petra Neubauer: „Wir haben Schuhe bei Schnee teils vor der Ladentür verkauft.“ In der Zeit habe man sich vor allem über einen Lieferservice gegen die Konkurrenz aus dem Internet gestemmt und sich dabei für die Kundschaft viel Zeit genommen.

Wir haben Schuhe bei Schnee teils vor der Ladentür verkauft.
Petra Neubauer - Osteroder Ladenbesitzerin über die Coronazeit

Das Osteroder Traditionsgeschäft ist mit einem Vollsortiment mit Schuhen für Kinder und Erwachsene und einer guten Auswahl für alle alltäglichen Situationen ausgestattet. Wie der Einzelhandel überhaupt, kann das Schuhhaus Neubauer vor allem durch kompetente Beratung punkten. Allerdings: Das ist aufwändig, denn Schuhkauf ist zeitintensiv. „Für eine Beratung geht schonmal eine halbe bis Stunde ins Land“, weiß die Geschäftsführerin. Zudem gebe es viel Hintergrundarbeit, die Kundinnen und Kunden verborgen blieben. All das erklärt die verhältnismäßig hohe Zahl von insgesamt fünf Mitarbeiterinnen.

Internethandel bereitet Geschäft im Harz Sorgen

Sorgen bereitet der Geschäftsführerin der Internethandel. „Der ist vor allem während Corona gewachsen“, stellt sie fest.

Inzwischen habe sich die schwierige Situation, die in Pandemiezeiten das Wirtschaften schwer machte, zwar entspannt, die Konkurrenz im Netz ist aber geblieben. Ihre Umsätze in Osterode gehen schon seit Jahren zurück: „Die goldenen Zeiten im Einzelhandel sind vorbei“, bringt es Petra Neubauer für viele Akteure am Markt auf den Punkt.

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Geschäftsfrau: Es fehlen in Osterode wichtige Anziehungspunkte

Und dann ist da noch das viel diskutierte Spannungsfeld Innenstadt. Osterodes Stadtkern werde für die Menschen zunehmend unattraktiv. Warum, so fragt Petra Neubauer, sollen Leute nach Osterode kommen? „Es fehlen einfach wichtige Anziehungspunkte wie Fachgeschäfte oder qualitätvolle Hotels.“ Ihre Bedenken: „Wenn alle im Internet bestellen, gibt es hier irgendwann nichts mehr.“

Positives Feedback indes erfahren die Mitarbeiterinnen vom Schuhhaus Neubauer immer wieder von ihrer Kundschaft. „Viele Kunden bedanken sich für die Beratungen und freuen sich, dass wir uns die Zeit nehmen und dass wir die Herausforderungen annehmen, für jeden, vom Kleinkind bis zum Senior, den passenden Schuhe zu finden.“

Schlüssel zum Erfolg? Die Kundschaft setzt auf Qualität

Diese gute Resonanz tut in angespannten Zeiten gut, ebenso, wie ein jüngerer Kundenkreis, der mit Kindern in das Geschäft kommt und das Angebot wertschätzt. „Viele achten beim Schuhkauf noch immer oder wieder auf Qualität. Mittlerweile besuchen uns Kunden, die extra eine weitere Anreise auf sich nehmen. Das zeigt, dass sich das Schuhhaus schon lange über die Gemeindegrenzen hinaus einen Namen gemacht hat und sich in der Region für Qualität und eine ansprechende Atmosphäre im Geschäft auszeichnet.“

Das allerdings komme nicht von ungefähr, denn immer wieder wurden die Räumlichkeiten in der Vergangenheit modernisiert und nach aktuellen Gesichtspunkten gestaltet. Bereits in den 1930er Jahren war Rudolf Neubauer bemüht, den Kundenkreis zu vergrößern und nahm erste Umbauarbeiten vor.

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