Wolfsburg/Coburg. Die Rendite stimmt nicht. Und daran sind unmotivierte Mitarbeiter schuld? Alles nur ein Missverständnis, heißt es nun aus Coburg.

Solche Töne kennt man in Wolfsburg ganz und gar nicht. Ein gutes Jahr nach Gründung des Joint Ventures Brose Sitech überrascht das Management des fränkischen Familienunternehmens Brose, das auch nach der Kooperation mit der ehemaligen VW-Tochter Sitech weiter die Geschäftspolitik bestimmt, mit einer scheinbar geharnischten Mitarbeiterbeschimpfung. Die Motivation der Mitarbeiter lasse zu wünschen übrig, heißt es in einer am vergangenen Freitagabend verschickten Mitteilung. Die Verantwortlichen bei Brose nennen als Begründung eine hohe Fluktuation, deren Ursachen nicht näher erläutert wird. Aber es klingt auch Kritik an der neuen Unternehmensstruktur an.

Hohe Fluktuation als Zeichen der Unzufriedenheit

Das Gemeinschaftsunternehmen stellt Sitze und Sitzgruppen für Autos her. Die Partnerschaft, die die internationale Expansion ermöglichen sollte, begann unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen. Brose musste erstmals in der Firmengeschichte Bankkredite in Anspruch nehmen. Zwar konnte das bayrisch-niedersächsische Unternehmen dennoch im vergangenen Geschäftsjahr seinen Umsatz steigern. Die Umsatzrendite sei aber deutlich hinter den Erwartungen geblieben. Sitech brachte vor allem die Großaufträge für Volkswagen mit in die Ehe ein. Nach zunächst kontrovers geführten Verhandlungen hatte Brose im vergangenen Jahr schließlich einem Tarifvertrag für die Sitech-Beschäftigten abgeschlossen, der VW-Standards genügte. Brose ist zwar nicht tarifgebunden, betont aber, die Abschlüsse der Metall übernommen zu haben. Tatsächlich liest sich die vermeintliche Kritik im Kontext der Pressemitteilung vom Freitag anders. „Sorgen bereitet Gesellschaftern, Beirat und Geschäftsführung außerdem die Motivation der inzwischen auf über 31.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewachsenen Belegschaft an 69 Standorten in 25 Ländern. Sie macht sich durch eine außerordentlich hohe Fluktuation bemerkbar. Viele Beschäftigte wünschen sich wieder die persönliche, unbürokratische und pragmatische Arbeitsweise eines Familienunternehmens. Obwohl Brose an den deutschen Standorten seit vier Jahren kein positives Ergebnis erwirtschaftet hat und an den großen Standorten Coburg und Bamberg nicht tarifgebunden ist, wurde der Abschluss der Metallindustrie in vollem Umfang übernommen“, heißt es wörtlich darin.

„Das Gegenteil ist der Fall“

Hintergrund aller Meldungen ist laut Brose „das enttäuschende Ergebnis unserer weltweiten Mitarbeiterbefragung hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit“. Es sei aber eine falsche Darstellung, wenn von Kritik der Gesellschafter und Geschäftsführung an der Mitarbeitermotivation die Rede sei. „Das Gegenteil ist der Fall“, heißt es nun in einem weiteren Schreiben, das vom Sprecher der Gesellschafter, Michael Stoschek, und dem Sprecher der Geschäftsführung, Ulrich Schrickel, unterschrieben ist. Sie beschwören den „Brose Spirit“, der in der Tat aber „zum Teil verloren gegangen sei“. Das wiederum liege laut der Mitarbeiterbefragung wohl eher am „Führungsverhalten, an der Kommunikation und bürokratischen Abläufen“. Gesellschafter, Beirat und Geschäftsführung seien nun entschlossen, „alles Mögliche zu unternehmen, damit unsere Beschäftigten weltweit zufrieden sind mit ihrer Tätigkeit, ihrer Führung und Entlohnung“. Man wünsche sich, dass die Belegschaft sich als stolzer Teil der „Brose-Familie“ sehe. Unabhängig vom wirtschaftlichen Aspekt wird deutlich, dass in den beiden Partnerunternehmen weiterhin zwei sehr unterschiedliche Firmenkulturen vorherrschen. Während im Aufsichtsrat VW-seitig auch Betriebsratschefin Daniela Cavallo höchstpersönlich die Arbeitnehmerinteressen vertritt, herrscht bei Brose weiterhin eine patriarchalische Führungskultur vor. Angeblich soll Brose jetzt in eine europäische Aktiengesellschaft (SE) umgewandelt werden.

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