Wolfsburg. Die Softwareschmiede bleibt die größte Baustelle im Volkswagen-Konzern. Nun greift Chef Oliver Blume zu einer ungewöhnlich drastischen Maßnahme.

Die Cariad SE sollte das Herzstück von „New Volkswagen“ werden. Doch statt kräftig zu pochen und zu pulsieren litt das Zentralorgan von Anfang an unter einer schweren Herzinsuffizienz. Jetzt ist die in kurzer Zeit auf 5700 Beschäftigte angewachsene Softwareschmiede endgültig auf der Intensivstation gelandet. Volkswagen-Chefarzt Oliver Blume hat sich zu einer dramatischen Operation am offenen Herzen entschieden.

Entscheidung noch vor der Hauptversammlung am 10. Mai

Laut einem Bericht der Wirtschaftsplattform Business Insider (BI) will der Konzernchef die vierköpfige Führungsriege noch vor der Volkswagen-Hauptversammlung am 10. Mai ihrer Posten entheben. Vorstandschef Dirk Hilgenberg, Technikchefin Lynn Longo, Finanzvorstand Thomas Sedran und der fürs Personal zuständige Rainer Zugehör sollen gehen. „Die Top-Manager wurden von Blume in den vergangenen Tagen bereits über ihre bevorstehende Absetzung informiert. Der Aufsichtsrat soll die Rausschmisse nach der VW-Hauptversammlung am nächsten Mittwoch in Berlin beschließen“, schreibt BI. Volkswagen äußert sich inhaltlich auf Anfrage der Plattform nicht zu der Geschichte. Nach Informationen unserer Zeitung soll zumindest die Zukunft von Cariad-Personalchef Zugehör auch noch offen sein. Für Hilgenberg, die nur Englisch sprechende Longo und den einstigen Opel-Chef Sedran soll es aber keine Zukunft bei der Cariad geben. Das Trio war noch unter Blumes Vorgänger Herbert Diess eingesetzt worden.

Zuletzt schien Besserung in Sicht

Eigentlich sprach zuletzt einiges dafür, dass die Lage bei der Cariad nun ruhig sei. Die Aufgaben schienen klar verteilt und auch der Zeitplan war festgezurrt. Über die Zuständigkeiten für die Entwicklung der zwei Softwareplattformen für die Premium- und Volumenmodelle war ebenfalls Einigkeit erzielt worden. Diess war nicht zuletzt daran gescheitert, dass Porsche und Audi eigentlich selbst die Software für ihre Modelle entwickeln wollten. Porsche und Audi sollen nun auch die Ablösung des Führungsquartetts der Cariad bei Blume betrieben haben. Maßgebliche Kraft soll laut dem Bericht Audi-Entwicklungschef Oliver Hoffmann sein, der auch im Cariad-Aufsichtsrat sitzt. „Wir analysieren aktuell die Situation der Cariad und der Projekte sehr genau. In diesem Zuge haben wir bereits Entscheidungen getroffen und zum Beispiel die Softwarearchitekturen zeitlich geordnet. Mögliche Beschlüsse zu personellen Änderungen wurden nicht gefasst“, zitiert der Business Insider einen Unternehmenssprecher.

„Es ist ein entscheidender Moment für uns“

Noch zu Jahresbeginn hatte sich das Cariad-Management selbstbewusst und entschlossen präsentiert. In diesem Jahr soll die die Premium-Software-Plattform 1.2 (E3 1.2) startklar sein. Darin enthalten sind ein einheitliches Infotainment-System und Over-the-Air-Updates für Fahrzeuge von Audi und Porsche. An Priorität 3 kommt die SSP-Plattform 2.0 – ein einheitliches Betriebssystem für die Fahrzeuge aller Konzernmarken. Darin soll auch autonomes Fahren nach Level 4 enthalten sein. Das wiederum ist Grundvoraussetzung für das aus Wolfsburger Sicht elementar wichtige Trinity-Projekt inklusive des eventuellen Fabrikneubaus in Warmenau. Cariad-Chef Dirk Hilgenberg hatte seine Mannschaft Anfang Februar an einem ganz besonderen Ort auf das Projekt eingeschworen. In einer neuen Pilothalle in Ingolstadt sagte Hilgenberg: „Es ist die Zeit, zusammenzustehen, es ist Zeit, es umzusetzen. Es ist ein entscheidender Moment für uns, um zu zeigen, dass wir die Situation drehen können. Wir werden zeigen, dass wir liefern können. Zusammen kämpfen, uns gegenseitig helfen – darauf kommt es jetzt an.“ Das 2019 gegründete Unternehmen ist zentral für die Zukunftsfähigkeit von „New Volkswagen“. Elektroautos mit softwarebasierter Vernetzung sind die Voraussetzung für die Transformation des Automobilherstellers zu einem modernen Mobilitätsdienstleister. Der Weg ist offenbar noch steiniger als von vielen befürchtet.

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