Wolfsburg. René Benkos Signa-Gruppe soll den Nordkopf in Wolfsburg aufpeppen. Doch angesichts aktueller Medienberichte wird der Politik mulmig.

Multimilliardär und Galeria-Eigner René Benko und seine Signa-Gruppe kommen aus den Negativschlagzeilen nicht raus. In Wolfsburg wachsen das Misstrauen gegenüber den Österreichern und die Zweifel an ihren Plänen für den Nordkopf.

2019 hatten die Stadt Wolfsburg, die Wolfsburg AG, Volkswagen und Signa-Vorstand Timo Herzberg ein völlig neues Innenstadt-Quartier entlang der Heinrich-Nordhoff-Straße angekündigt. Der Volkswagen AG gehören dort große Parkplätze, das Unternehmen wollte über den Mittellandkanal wachsen. Und Signa kündigte an, als Investor und Projektentwickler mit einem hohen dreistelligen Millionenbetrag einzusteigen.

Entstehen sollten schicke neue Bürowelten, Wohnungen, Flächen für Einzelhandel und Gastronomie, Übernachtungsmöglichkeiten. So sollte auch das geeignete Umfeld entstehen, um Tausende Softwareentwickler nach Wolfsburg zu locken. Doch dann kamen die Pandemie und im Mai 2022 eine Rolle rückwärts: Da stellte Noch-VW-Chef Herbert Diess klar, dass Volkswagen schon über ein großes eigenes Angebot an Büroflächen verfüge.

Eine dreistellige Millioneninvestition kündigte Signa für Wolfsburg an

Im Oktober 2022 ging eine Pressemitteilung raus, in der sich alle vier Partner erneut zu dem Nordkopf-Quartier mit dem Arbeitstitel „Wolfsburg Connect“ bekannten. Es sollte weiter geplant werden. Danach wurde es wieder ruhig, allerdings nicht um Signa und René Benko.

Einige Tage nach Veröffentlichung der Mitteilung durchsuchte die Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Büros der Signa Holding. Im Januar wurde Benko in einem anderen Bestechungsprozess freigesprochen. Im Februar meldete das Handelsblatt, dass die Europäische Zentralbank Absicherungen von Signa-Krediten bei europäischen Banken prüfe.

Im März überschlugen sich die Nachrichten über eine erneute Galeria-Insolvenz. Gut 52 Kaufhäuser sollen schließen, auch Karstadt in Braunschweig, und Gläubiger auf ihr Geld verzichten. Den Steuerzahler könnte das laut einem Bericht des Münchner Merkur einen dreistelligen Millionenbetrag kosten.

Am Wolfsburger Hauptbahnhof und der Heinrich-Nordhoff-Straße soll das neue Innenstadt-Quartier entstehen, für das Signa eine dreistellige Millioneninvestition angekündigt hat (Archivfoto).
Am Wolfsburger Hauptbahnhof und der Heinrich-Nordhoff-Straße soll das neue Innenstadt-Quartier entstehen, für das Signa eine dreistellige Millioneninvestition angekündigt hat (Archivfoto). © Stephanie Giesecke

Erich Schubert (SPD) zweifelt an Verlässlichkeit von Signa

Der ehemalige Wolfsburger SPD-Parteivorsitzende und heutige Ortsbürgermeister der Stadtmitte, Erich Schubert, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um den Signa-Konzern und die Zukunft der Wolfsburger Innenstadt geht. „Ich sehe den als Verhandlungspartner sehr, sehr kritisch. Das ist eine bautechnische Heuschrecke“, sagt Schubert.

Er wirft Signa vor, den Karstadt-Konzern „ausgeschlachtet“ zu haben und sich bei Projekten in anderen Städten nicht an Absprachen zu halten. Auch fragt sich Schubert, ob die Holding das Wolfsburger Bauprojekt überhaupt finanziell stemmen kann. „Es ist einfach die Verlässlichkeit“, erklärt er.

Frank Richter (Grüne) hält Benko „nicht für vertrauenswürdig“

Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Frank Richter macht sich Gedanken über Benko und sein Imperium. „Mich beschäftigt, dass ich ihn eigentlich nicht für vertrauenswürdig halte“, sagt der Wolfsburger.

Ihm erschließe sich nicht, so Richter, warum Volkswagen nicht selber auf den Parkplätzen an der Heinrich-Nordhoff-Straße baue – oder jemand anderen damit beauftrage. Er hält es für einen Fehler, die gesamte Planung in eine Hand zu legen. „Wenn der jetzt abspringt, stehen wir wieder bei Null da“, warnt er.

Auch PUG sieht Signa kritisch

Auch PUG-Fraktionssprecher Andreas Klaffehn ist der Meinung, dass die aktuellen Schlagzeilen nicht unbedingt zu „Vertrauen und einem guten Ruf“ beitragen. „Wir sehen Signa kritisch“, erklärt er.

Doch Klaffehn zieht daraus für das Wolfsburger Großprojekt andere Schlüsse als Schubert und Richter. Er fordert von Signa jetzt „Taten statt Worte“. Sprich: Planungsergebnisse und eine Zeitschiene, die eingehalten wird. „In Wolfsburg hat Signa die Gelegenheit und die Chance, den angeschlagenen Ruf mit guten Ergebnissen und entschlossenem Voranbringen des Nordkopf-Prozesses, wieder herzustellen und die Kritiker Lügen zu strafen“, meint der PUG-Chef.

Die AfD hat eine klare Meinung: „Aus Sicht der AfD-Fraktion sollte sich Volkswagen für die Entwicklung der Nordhoff-Achse andere Partner suchen“, schreibt Fraktionschef Thomas Schlick. Die Stadt Wolfsburg könne zusammen mit VW den Masterplan weiter ausarbeiten und mit anderen Investoren realisieren. „Die Geschäftsgebaren eines René Benko sieht die AfD-Fraktion zunehmend als Belastung“, so Schlick.

CDU äußert sich vertrauensvoll

Vertrauensvoll äußert sich die CDU. „Es ist für unsere Stadtentwicklung positiv, dass die Gespräche zwischen Signa, Volkswagen und Wolfsburg weitergehen“, findet der Fraktionsvorsitzende Christoph-Michael Molnar. „Entscheidend ist, dass wir unsere Interessen im Fokus haben und unsere Hausaufgaben dabei machen.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Hans-Georg Bachmann berichtet dagegen, bei den Sozialdemokraten werde das Signa-Engagement schon länger kritisch und im Moment sehr kritisch diskutiert. Wie Richter wäre Bachmann dafür, das Projekt zur Stadtentwicklung auf mehrere Schultern zu verteilen. Doch er hält den Einfluss der Stadt Wolfsburg und des Rates für begrenzt. „Wir sind nur Juniorpartner.“

Der Grüne Frank Richter stellt sich auch die Frage, ob es überhaupt andere Interessenten gibt: „Als Wolfsburger muss man schon froh sein, wenn überhaupt etwas passiert.“ Die Signa-Gruppe äußerte sich auf Anfrage nicht zum Stand der Planungen.

Mehr Nachrichten aus Wolfsburg

Mehr wichtige Nachrichten aus Wolfsburg lesen:

Täglich wissen, was in Wolfsburg passiert: Hier kostenlos für den täglichen Wolfsburg-Newsletter anmelden!