Stuttgart/Berlin. Für die energetische Sanierung ihres Altbaus muss eine Familie mit 150.000 Euro rechnen. “Und sie haben Glück“, so ein Energieberater.

  • Heizungstausch, neues Dach, Dämmung: Der Traum vom Eigenheim kann durch Kosten für eine energetische Sanierung schnell teuer werden
  • Dass stellt auch eine Familie aus Baden-Württemberg fest, die ihren Altbau sanieren lassen will
  • Wir waren mit dem Energieberater zu Besuch

Das Haus gleicht in seinem jetzigen Zustand einem Rohdiamanten. Die Tapeten vergilbt, die Ölheizung im Keller Baujahr 1969 und der Teppichboden muffig. Jahrelang haben Sibylle und David Romero nach einem Eigenheim gesucht. Ihre Wohnung in der Innenstadt wurde mit zwei kleinen Kindern irgendwann zu klein. Nun wurde die Familie fündig – in Stuttgart-Sillenbuch, ein kleiner Reihenhauskomplex mit insgesamt drei Häusern, außerhalb des Großstadttrubels etwas mehr im Grünen.

Das Haus, in das die Romeros ziehen, ist 50 Jahre alt. Es ist unter Energieeffizienzgesichtspunkten eine Dreckschleuder, weist die schlechteste Energieeffizienzklasse auf. So wie fast jedes fünfte Haus in Deutschland.

Immerhin: Während der Neubau oder der Kauf energetisch moderner Häuser für viele Familien nicht mehr finanzierbar sind, haben unsanierte Gebäude zuletzt kräftige Preisabschläge erfahren. Der Immobilienkauf wird damit erschwinglicher – vermeintlich. Denn eine Kernsanierung ist teuer.

Wärmepumpe, Dämmung, Fenster: So teuer ist eine Kernsanierung

Die Romeros brauchen nur über den Gartenzaun zu blicken, um ihre Wunschvorstellung sehen zu können. Das Nachbarhaus hat bodentiefe Fenster, Fischgrätparkett – und ist energetisch saniert. So soll es bei den Romeros auch mal aussehen. „Ich kann ja nicht immer im Bioladen einkaufen und Bus und Bahn fahren, aber dann in einem Haus sitzen, das eine Dreckschleuder ist“, sagt Sibylle Romero. Für die 36-Jährige war deshalb klar: Das neu gekaufte, knapp 150 Quadratmeter große Haus soll nicht nur renoviert, sondern auch energetisch saniert werden.

Dafür hat sich die kleine Familie Thabo von Roman mit ins Boot geholt. Er ist Energieberater im Energieberatungszentrum Stuttgart und erstellt für die Romeros den sogenannten individuellen Sanierungsfahrplan. Den braucht es, um genau auszurechnen, welche energetischen Sanierungsmaßnahmen notwendig sind.

Die alte Ölheizung im Keller ist aus dem Jahr 1969. Sie wird gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht. Energieberater Thabo von Roman (mitte) erklärt David und Sibylle Romero das Vorgehen.
Die alte Ölheizung im Keller ist aus dem Jahr 1969. Sie wird gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht. Energieberater Thabo von Roman (mitte) erklärt David und Sibylle Romero das Vorgehen. © Alex Kraus | Alex Kraus

Vom „worst performing building“ zum klimagerechten Haus: Das ist zu tun

Vom Dach zur Heizungsanlage im Keller, von der Gebäudehülle bis zur Eingangstür – aus energetischer Sicht kann ein Haus viele Schwachstellen haben. Das der Romeros hat sie alle. Es ist klassifiziert im Bereich der „worst performing buildings“ – der schlechtestes Energieeffizienzklasse überhaupt. Dunkelroter Bereich auf der Skala, die am oberen Ende grün leuchtet. Das Ziel.

Immerhin: Das Fundament ist solide und das Dach zuletzt 2016 neu gemacht. Die mittlerweile stillgelegte Ölheizung im Keller – mehrere große Tanks plus eine Zapfsäule, die tatsächlich einer an der Tankstelle verblüffend ähnlich sieht – ist dagegen 54 Jahre alt. Älter als das Haus, das Baujahr 1973 ist. „Das sieht man nicht alle Tage. Ich habe das noch nie erlebt“, sagt von Roman und schmunzelt. Sie soll ersetzt werden durch eine moderne Wärmepumpe. Kostenpunkt: Zwischen 50.000 bis 60.000 Euro. Die Romeros haben sich eigenen Angaben nach mehrere Kostenvoranschläge von verschiedenen Firmen dafür geben lassen. In den Kosten enthalten sind Beratung, Montage und alle Geräte. „Stuttgarter Preise“, sagt von Roman wissend. Ganz so viel werden Sibylle und David Romero am Ende aber wohl nicht zahlen – es gibt verschiedene Förderungen, die sie für eine neue Wärmepumpe beantragen können.

Neue Fenster, neue Gebäudehülle, neuer Boden: Will man sein Haus energetisch sanieren, kommt eine Großbaustelle auf die Besitzer zu.
Neue Fenster, neue Gebäudehülle, neuer Boden: Will man sein Haus energetisch sanieren, kommt eine Großbaustelle auf die Besitzer zu. © Alex Kraus | Alex Kraus

Neue Heizung, neue Heizkörper: Das sind die Kosten

Die Heizanlage steht im „individuellen Sanierungsfahrplan“ normalerweise am Ende. Eine Wärmepumpe kann zwar grundsätzlich in fast jedes Gebäude eingebaut werden. Damit sie aber sinnvoll heizt, sollte das Haus optimal gedämmt sein. Für die Romeros bedeutet das: Eine neue Fassadendämmung muss her. Die Kosten dafür schätzt von Roman auf rund 27.000 Euro. „Der Vorteil bei einem Reihenmittelhaus ist natürlich: Wenn der Nachbar gut dämmt – und es sieht so aus, als ob das beide gemacht hätten – dann ist das Mittelhaus auch schon gut gedämmt“, sagt der Energieberater.

Zu einer neuen Wärmepumpe gehören auch neue Heizkörper. Sibylle und David Romero haben sich für eine Fußbodenheizung entschieden. Für eine Wärmepumpe die effektivste Lösung. Von Roman erklärt: „Eine Fußbodenheizung ist nicht zwingend notwendig, wenn man sich für eine Wärmepumpe entscheidet. Aber in diesem Fall hier, wenn das Haus sowieso schon kernsaniert wird, dann ist das sicherlich die beste Lösung.“

Nach wie vielen Jahren sich eine PV-Anlage lohnt

Damit die Kosten für die Nutzung der Wärmepumpe nicht bis an ihr Lebensende ins Unermessliche steigen, rät von Roman dem Ehepaar zu einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Inklusive Wärmepumpe hat der Energieberater den jährlichen Stromverbrauch für das Haus auf rund 6200 Kilowattstunden (kWh) hochgerechnet. Insgesamt könnten auf dem Dach der Romeros 24 Solar-Module angebracht werden. Damit könnten rund 9000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugt werden. Im Sommer mehr, im dunklen Winter weniger. Von Roman rät daher noch zu einem 10-kWh Stromspeicher. Bis zu 70 Prozent Strom könnte so für den Eigenbedarf durch die PV-Anlage abgedeckt werden. „100 Prozent erreicht man nicht, weil es im Winter ein zu geringes Solarangebot gibt. Und ein größerer Stromspeicher wäre hier einfach unwirtschaftlich“, erklärt von Roman.

Die PV-Anlage samt Installation und Handwerker würde circa 23.000 Euro kosten, der Stromspeicher rund 9000 Euro. Von Roman erklärt, dass Förderungen von bis zu 5600 Euro möglich wären. Er rechnet vor: Liegt der Strompreis, wie derzeit per Gesetz gedeckelt, weiterhin bei 40 Cent pro Kilowattstunde, würde sich die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und ohne Stromspeicher nach etwa 16 Jahren amortisieren. „Mit Stromspeicher schon nach 14 Jahren“, sagt der Energieberater, der in der Energiezentrale auch der Fachmann für Photovoltaik-Fragen ist.

„Ich gehe aber davon aus, dass der Strompreis in den nächsten Jahren steigen wird. Gehen wir mal davon aus, dass die Kilowattstunde 50 Cent kosten wird. Ohne Stromspeicher wäre die Amortisationszeit dann 13 Jahr. Und mit Speicher lediglich 10 Jahre. Grundsätzlich gilt: Umso teurer der Strom wird, umso schneller und mehr rechnet sich die PV-Anlage auf dem Dach. Ich würde das hier auf alle Fälle machen.“

Das Dach zu dämmen und zu decken ist meist einer der größten Kosten-Faktoren bei der energetischen Sanierung. Sibylle und David Romero haben Glück: Ihr Dach wurde zuletzt 2016 neu gemacht.
Das Dach zu dämmen und zu decken ist meist einer der größten Kosten-Faktoren bei der energetischen Sanierung. Sibylle und David Romero haben Glück: Ihr Dach wurde zuletzt 2016 neu gemacht. © Alex Kraus | Alex Kraus

Die Romeros sind sich hingegen noch nicht ganz so sicher. „Am Ende ist das natürlich auch immer eine Frage der wirtschaftlichen Machbarkeit“, sagt David. Schließlich müssen neben den großen Posten – Wärmepumpe, Heizkörper samt neuer Fußböden in drei Etagen, Gebäudehülle – auch noch andere Schwachstellen in Angriff genommen und bezahlt werden. Bisher ist kein Fenster dreifach verglast – sie müssen also alle neu gemacht werden. Das findet von Roman ganz leicht mit einem Glas-Tester heraus. Wären die Fenster bereits gut gedämmt, wären sie mit einer besonderen Schicht überzogen – und das Gerät würde beim Heranhalten an das Fenster piepen. In Stuttgart-Sillenbuch schweigt es. Im Keller müssen zudem die Decke und die Innenwände gedämmt sowie die alten Kellertüren erneuert werden.

Warum sich Ehepaar Romero für eine energetische Sanierung entscheidet

Insgesamt schätzt von Roman die Gesamtkosten für die energetische Sanierung auf rund 150.000 Euro. „Und Sie haben Glück, dass das Dach erst vor ein paar Jahren gedämmt und gedeckt wurde. Das ist immer einer der teuersten Sachen“, sagt er in Richtung des Ehepaars. Die Romeros hingegen rechnen mit Renovierungskosten in etwa der doppelten Höhe. „Dafür haben wir dann aber ein Haus, das top saniert ist, und an dem wir im besten Fall eigentlich nie wieder was Großes machen lassen müssen. Vielleicht irgendwann mal wieder das Dach decken, ja. Aber ich fühle mich wohl bei dem Gedanken, dass ich weiß, dass hier alles gemacht ist und keine versteckten Fallen irgendwo auf mich warten, wie bei angeblich top sanierten Häusern, die man sonst auf dem Markt findet“, sagt Sibylle Romero.

Im nächsten Schritt erstellt von Roman für die Romeros den individuellen Sanierungsfahrplan, rechnet ganz genau aus, welche Größe die Wärmepumpe haben muss und welche Dicke für die Gebäudedämmung benötigt wird. Ist das erledigt, können die Hausbesitzer bei der KfW-Bank einen entsprechenden Förderantrag stellen und anschließend, sobald eine Eingangsbestätigung für diesen vorliegt, die Handwerker beauftragen. Sibylle und David Romero rechnen damit, im September mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Schätzungsweise ein halbes Jahr werden die dann dauern. Und am Ende freut sich die kleine Familie auf ihr fertiges, klimagerechtes Eigenheim. Das sich bis dahin von einem hässlichen Entlein in einen glänzenden Diamanten verwandeln wird.

Das mittlere der drei Häuser wird von Sibylle und David Romero energetisch saniert.
Das mittlere der drei Häuser wird von Sibylle und David Romero energetisch saniert. © Alex Kraus | Alex Kraus