Panmunjom. Annalena Baerbock besucht auf ihrer Ostasienreise Südkorea und unterstreicht die deutsche Solidarität. Nordkorea testet neue Raketen.

Die Kolonne mit schwarzen Limousinen fährt durch das hügelige Gebiet rund 50 Kilometer nördlich der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist auf dem Weg zur nordkoreanischen Grenze. Es ist Sonnabend, der dritte Tag ihrer Ostasienreise. Baerbock kommt gerade aus Peking, wo sie am Tag zuvor eine frostige Begegnung mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang hatte.

An einem Checkpoint ragen schwarz-gelbe Straßensperren aus dem Asphalt. Hier beginnt die Demilitarisierte Zone – ein Streifen von 248 mal vier Kilometern, der Nord- von Südkorea trennt. Hohe Stacheldrahtzäune und Wachtürme säumen die kleine Straße, alle paar Hundert Meter steht ein Wachturm aus Backstein.

Baerbock wird am Sonnabend von US-Soldaten eskortiert, die sie in die Gemeinsame Sicherheitszone führen. Es ist das Herz der Demilitarisierten Zone, die vom UN-Kommando der Waffenstillstandskommission geführt wird. Vor den drei Blauen Baracken hält die Gruppe an.

1953 wurde hier der Waffenstillstand zwischen Süd- und Nordkorea unterzeichnet. Den Konflikt beruhigt hat dies nicht, die Spannungen haben sich in den vergangenen Jahren verschärft. Kim Jong-un, der Machthaber des steinzeitsozialistischen Regimes im Norden, fühlt sich vor allem durch die USA bedroht.

Lesen Sie auch: Nordkorea richtete Teenager wegen TV-Serie hin

Süd- und Nordkorea: Strickte Regeln zwischen den Ländern

Das mittlere der drei Blauen Baracken ist der einzige Ort, an dem sich Süd- und Nordkoreaner noch treffen, um Angelegenheiten der Demilitarisierten Zone zu besprechen. Die Grenze zwischen beiden Ländern verläuft mitten durch das Gebäude.

„Gibt es Überläufer aus Nordkorea?“, fragt Baerbock den begleitenden US-Offizier aus dem UN-Kommando. „Kaum. Die Nordkoreaner flüchten vor allem nach China“, antwortet der Amerikaner. „Kommt es zu Zwischenfällen?“, will die Ministerin weiter wissen. „Wir versuchen Missverständnisse zu vermeiden. Deshalb haben wir Kommunikationskanäle zu den Nordkoreanern aufgebaut, die wir mehrmals pro Woche nutzen“, fügt der Offizier hinzu.

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) besichtigt in der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea die Joint Security Area (JSA).
Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) besichtigt in der demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea die Joint Security Area (JSA). © Soeren Stache/dpa

So könne es passieren, dass in den heißen Sommermonaten ein Brand in der Entmilitarisierten Zone ausbreche. Bevor die Südkoreaner das Feuer mit Hubschraubern löschen, bekämen die Nordkoreaner eine Nachricht. „Sonst besteht die Gefahr, dass sie ausflippen“, betont der US-Soldat.

Die Nordkoreaner scheinen allerdings derzeit den Kontakt zu scheuen. In der Gemeinsamen Sicherheitszone steht ein grauer Betonblock, in dem Personal aus dem Norden untergebracht ist. Sämtliche Vorhänge sind zugezogen. „Sie haben Angst vor Covid – wenn sie das Gebäude verlassen, dann nur in Chemieschutzanzügen“, meint ein US-Militär.

Süd- und Nordkorea: Raketentests nehmen zu

Doch die Ruhe täuscht. Die Kriegsgefahr ist hier ganz nah. Gerade wieder hat Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un gezündelt. Das Land habe erfolgreich eine neuartige Interkontinentalrakete des Typs Hwasongpho-18 mit Feststoffantrieb getestet, berichteten die Staatsmedien in Pjöngjang am Freitag.

Interkontinentalraketen haben eine Reichweite von mehr als 5500 Kilometern und gelten als wichtigste Träger von Atomwaffen. Feststoffraketen müssen nicht erst aufgetankt werden wie Treibstoffraketen. Sie sind mobiler und flexibler einsetzbar und haben zudem eine hohe Schubkraft.

Mehr dazu: Atomtests – Wie gefährlich ist Nordkoreas Diktator Kim?

Kim untermauerte den Test mit einer weitere Drohkulisse. Die neue Rakete sei eine strategische Angriffswaffe, polterte der Diktator. Ziel der Regierungspolitik sei es, „extremes Unbehagen und Furcht“ beim Feind zu erzeugen. Eine Warnung vor allem an die Vereinigten Staaten und Südkorea. In Südkorea schrillten sofort die Alarmglocken. Fast die Hälfte der knapp 52 Millionen Einwohner des Landes leben in der Metropolregion rund um Seoul, die in der Nähe dieser Grenze liegt.

Nach Angaben der Bundesregierung hatte Nordkorea im letzten Jahr 35 Raketentest-Serien mit insgesamt mindestens 60 Raketen durchgeführt - darunter auch vier Tests von Interkontinentalraketen. Eine Rekordzahl. Auch in diesem Jahr wurden mehrfach atomwaffenfähige Raketen getestet.

Bearbock versichert Solidarität mit Südkorea

Am Abend versichert Baerbock den Südkoreanern ihre Solidarität. Bei einer Pressekonferenz mit ihrem Amtskollegen Park Jin in Seoul verurteilt sie den „Raketenterror“ Nordkoreas. „Wir werden als Partner fest an eurer Seite stehen“ sagt sie. Und singt ein Loblied auf die Wertegemeinschaft mit Südkorea. Mit Blick auf Russlands Rolle im Ukraine-Krieg fügt sie hinzu: „Ihr habt euch den Sanktionen angeschlossen und dafür einen Preis in Kauf genommen. Das werden wir euch nicht vergessen.“

Unmittelbar nach dem letzten Test nahmen die USA und Südkorea sofort ihre gemeinsamen Militärmanöver wieder in vollem Umfang auf. Bei einer Luftwaffenübung kamen neben Kampfjets beider Länder auch amerikanische Langstreckenbomber des Typs B-52H zum Einsatz. Das Flugzeug kann auch mit Atombomben bestückt werden.

Für Kim sind derlei Aktionen Anlass, weiter an der Eskalationsspirale zu drehen. Er rief dazu auf, die Fähigkeiten seines Landes zur Kriegsabschreckung auf „praktischere und offensivere“ Art auszubauen. Sein Land sei eine „unumkehrbare Atommacht“. Kim ordnete an, die Waffenproduktion einschließlich taktischer Nuklearwaffen deutlich zu erhöhen.

Baerbock nimmt derlei Drohungen ernst. In Seoul kündigt sie ein größeres Engagement Deutschlands in Ostasien an. Der Indopazifik sei eine „Schlüsselregion des 21.Jahrhunderts“. 2024 werde die Bundeswehr erneut ein Marineschiff in den Indopazifik entsenden, kündigt die Ministerin an.