Berlin. Report zu Waffenlieferungen weltweit zeigt: Europa rüstet auf. Welche Rolle die USA spielen, warum der Trend in Deutschland überrascht.

Die Waffenlieferungen an die Ukraine im Krieg gegen die russische Invasion haben das Land zu einem der größten Rüstungsimporteure weltweit gemacht. Die Ukraine lag im ersten Kriegsjahr 2022 bei den Einfuhren schwere Waffen auf Platz drei der größten Importeure, noch umfangreicher waren aber die Beschaffungen von Katar und Indien.

Das geht aus dem neuen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri zum globalen Waffenhandel hervor. Insgesamt habe die Ukraine von 29 Staaten schwere Waffen wie Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie oder Luftverteidigungssysteme erhalten. Größter Lieferant waren die USA mit einem Drittel aller in die Ukraine eingeführten schweren Waffen, dahinter folgen Polen (17 Prozent) und Deutschland (elf Prozent).

Waffen: Von diesem Land erhält Russland die meisten Waffen

Doch vermerkt der Report, dass die US-Waffenausfuhr in die Ukraine auch im Kriegsjahr 2022 hinter der nach Kuwait, Saudi-Arabien, Katar und Japan geblieben ist – diese Länder hätten von den Vereinigten Staaten sehr moderne Waffen erhalten, etwa Kampfflugzeuge und Luftverteidigungssysteme. Bei vielen der Rüstungsgüter für die Ukraine handele es sich um Second-Hand-Produkte aus den eigenen Beständen.

Russland hat sich dem Sipri-Bericht zufolge fast ausschließlich auf die eigene Rüstungsproduktion verlassen, abgesehen von Drohnen und fliegenden Bomben aus dem Iran. Erst Ende vergangener Woche hatte Papst Franziskus beklagt, die Ukraine sei inzwischen ein Markt der Rüstungsindustrie geworden: „Man führt Krieg, verkauft die alten Waffen und probiert die neuen aus“, sagte der Pontifex.

Spannungen mir Russland: So rüstet Europa jetzt auf

Die Aufrüstung ist aber nicht auf die Ukraine begrenzt. Laut Sipri-Report hat die veränderte Sicherheitslage in Europa dazu geführt, dass auch insgesamt europäische Staaten ihre Waffenimporte massiv erhöhen – auch schon vor dem Krieg. Der Bericht vergleicht dazu den Zeitraum 2018 bis 2022 mit der vorangegangenen Fünf-Jahres-Periode seit 2013.

Die europäischen Nato-Staaten hätten demnach ihre Rüstungseinfuhren um 65 Prozent erhöht, zum überwiegenden Teil stammten die Waffen aus den USA. Sipri prognostiziert, die europäischen Waffenkäufe dürften zunehmen, auch um die Hilfslieferungen an die Ukraine auszugleichen – was den globalen Rüstungshandel deutlich beeinflussen werde.

Ein amerikanischer Kampfjets vom Typ F35. Auch Deutschland hat jetzt 35 solcher hochmoderner Maschinen in den USA bestellt.
Ein amerikanischer Kampfjets vom Typ F35. Auch Deutschland hat jetzt 35 solcher hochmoderner Maschinen in den USA bestellt. © dpa | BO AMSTRUP

Strategischer Wettlauf in Ostasien und im Mittleren Osten

So habe Polen den Kauf von 394 Panzern, 96 Kampfhubschraubern und 12 Luftabwehrsysteme aus den USA angekündigt, dazu Kampfflugzeuge, Panzer und Raketenwerfer aus Südkorea sowie drei Fregatten aus Großbritannien. Der Report erinnert auch daran, dass Deutschland voriges Jahr 35 hochmoderne Kampfflugzeuge vom Typ F-35 in den USA bestellt hat. „Während Waffenlieferungen weltweit zurückgegangen sind, sind sie nach Europa wegen der Spannungen mit Russland deutlich gestiegen“, sagte Sipri-Forscher Pieter Wezeman. „Nach der russischen Invasion in der Ukraine wollen europäische Staaten mehr und schneller Waffen.“

Zugleich setze sich der strategische Wettlauf in Ostasien und dem Mittleren Osten fort. Die Waffenimporte ostasiatischer Staaten nahmen im Vergleich der beiden letzten Fünf-Jahres-Perioden laut Report deutlich zu, am stärksten in Japan und Südkorea. Diese beiden Staaten sowie Australien reagierten auf die Wahrnehmung wachsender Bedrohung durch China und Nordkorea, erklärte Wezeman. Weltweit nahm der internationale Waffenhandel dagegen um fünf Prozent ab, am stärksten in Afrika.

Rüstungsexporte weltweit: USA auf Platz eins, Deutschland auf Platz fünf

Mit Abstand größter Waffenverkäufer weltweit bleiben die USA: Ihr Anteil an den gesamten Rüstungsexporten stieg im Fünf-Jahres-Zeitraum sogar noch von 33 auf 40 Prozent. Wichtigste Empfänger waren Saudi-Arabien, Japan und Australien, insgesamt belieferten US-Rüstungshersteller 103 Staaten. Laut Sipri liegen die USA bei Bestellungen für künftige Lieferungen sogar noch mit größerer Distanz vorn: Die US-Rüstungsindustrie hat demnach 1371 Kampfflugzeuge, fünf große Kriegsschiffe, über 600 Panzer und 2700 gepanzerte Fahrzeuge in den Bestellbüchern. Russland mit den wichtigsten Kunden Indien und China bleibt auf Platz zwei, sein Anteil sank aber um über ein Viertel auf 16 Prozent.

Dahinter folgt Frankreich, dass seine Exporte im Zeitraum 2018 bis 2022 um fast die Hälfte steigern konnte im Vergleich zur vorangegangenen Fünf-Jahres-Periode. Die größten Kunden der französischen Rüstungsschmieden sind Indien, wo Frankreich sogar mehr verkauft als die USA, Katar und Ägypten. China liegt auf Platz vier, danach folgt Deutschland auf Rang fünf der weltgrößten Waffenexporteure – allerdings mit einem relativ kleinen Anteil von 4,2 Prozent, was ein Rückgang um über ein Drittel im Vergleich zum Zeitraum 2013 bis 2017 bedeutet. Wichtigste Kunden der deutschen Rüstungshersteller waren Ägypten, Südkorea und Israel. In den Auftragsbüchern heimischer Unternehmen stehen laut Sipri unter anderem 29 Kriegsschiffe, 85 Panzer, 137 Artilleriegeschütze und 1400 gepanzerte Fahrzeuge.

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