Braunschweig. Viola von Cramon (Grüne) und Lena Düpont (CDU) aus der Region ziehen ins EU-Parlament ein. Die Wahlbeteiligung in der EU ist angestiegen.

Union und SPD haben bei der Europawahl in Deutschland historisch schlecht abgeschnitten. Trotzdem bleiben CDU und CSU zusammen stärkste Kraft. Die Sozialdemokraten fallen auf den dritten Platz. Erstmals bei einer bundesweiten Wahl kommen die Grünen auf den zweiten Rang, sie können über satte Zugewinne bei der Abstimmung am Sonntag jubeln.

Eine große Rolle hat offensichtlich das Thema Klimaschutz gespielt: Die Grünen gewinnen von SPD und Union jeweils mehr als eine Million Wähler hinzu – nach einer Analyse von Infratest dimap 1,37 Millionen Wähler von der SPD und 1,25 Millionen von der Union, und zwar vor allem junge Wähler. Unter den 18- bis 24-Jährigen machen 34 Prozent die Grünen zur stärksten Partei.

Auch in unserer Region erzielen die Grünen Rekordergebnisse. In der Stadt Braunschweig wird die Partei, die von ihren Spitzenkandidaten Franziska „Ska“ Keller und Sven Giegold in den Europawahlkampf geführt wurde, erstmals stärkste Kraft.Sie erhält 28 Prozent der Stimmen, vor CDU (22 Prozent) und SPD (20 Prozent). Auch in den anderen Städten und Kreisen zwischen Harz und Heide macht sich der „grüne Aufschwung“ bemerkbar – mit Wahlergebnissen zwischen 15 und mehr als 20 Prozent.

Neun Niedersächsische Politiker im EU-Parlament - zwei aus der Region

Laut Informationen des Göttinger Tageblatts vom frühen Montagmorgen hat auch die Grüne Viola von Cramon den Einzug in das EU-Parlament geschafft. Von Cramon war unter anderem von dem Kreisverband Goslar ins Rennen für einen Sitz in Straßburg und Brüssel geschickt worden. Sie stand auf der Bundesliste ihrer Partei auf Platz 19 - das reichte offenbar.

Dort ebenfalls vertreten sein wird die Gifhornerin Lena Düpont (CDU), für die es trotz Listenplatzes 3 bis zum Schluss knapp war. Von Cramon und Düpont sind damit die einzigen beiden Politikerinnen, die künftig für die Region Braunschweig-Wolfsburg im Europaparlament sitzen werden. Aus Niedersachsen wechseln außerdem die Christdemokraten David McAllister und Jens Gieseke, die Sozialdemokraten Bernd Lange und Tiemo Wölken, der Liberale Jan-Christoph Oetjen sowie Martin Buschmann (Tierschutzpartei) nach Brüssel.

Rot-Rot-Grün in Bremen möglich

Die EU-skeptische AfD verbessert ihr Europawahl-Ergebnis deutlich, bleibt aber unter ihrem Ergebnis von der Bundestagswahl 2017. Die Einbußen der Regierungsparteien dürften der Frage nach der Stabilität des schwarz-roten Bündnisses in Berlin neue Brisanz verleihen. Denn hinzu kommt: Wie bei der Europawahl verloren die Sozialdemokraten auch bei der stattfindenen Bürgerschaftswahl in Bremen stark – der Stadtstaat war immer eine rote Hochburg. Eilig betonte SPD-Bundeschefin Andrea Nahles, dass nun Rot-rot-grün in Bremen möglich sei.

Der Braunschweiger SPD-Bezirkschef und Bundesminister Hubertus Heil sagte unserer Zeitung am Abend: „Das Ergebnis der Europawahl ist eine schmerzhafte Wahlniederlage für die Sozialdemokratie. Das Signal müssen wir als Partei ernst nehmen und uns neues Vertrauen erarbeiten.“ Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach von einem Tiefschlag und einem der schlimmsten Abende in der SPD-Geschichte.

Salzgitter mit niedrigster Wahlbeteiligung

Die Beteiligung bei der Europawahl ist nach jahrzehntelangem Abwärtstrend erstmals wieder deutlich gestiegen. Nach ersten Schätzungen des Europaparlaments betrug sie diesmal in den 27 EU-Ländern ohne Großbritannien rund 51 Prozent, wie ein Sprecher am Sonntagabend sagte. Mit dem Vereinigten Königreich könnte ein Wert zwischen 49 und 52 Prozent erreicht werden. In Niedersachsen war die Wahlbeteiligung in der Grafschaft Bentheim am höchsten: 67,2 Prozent aller Wahlberechtigten gaben dort ihre Stimme ab. Die geringste Wahlbeteiligung, mit 51,2 Prozent, hatte Salzgitter zu verzeichnen.

David McAllister, Spitzenkandidat der CDU Niedersachsen für das Europaparlament, sieht in der gestiegenen Wahlbeteiligung in nahezu allen Ländern der EU das „beste Rezept gegen Demagogen, die Europa spalten wollen“. Das Ergebnis stärke nicht nur die politischen Strukturen der EU, sondern auch die Idee, mit europäischen Spitzenkandidaten in den Wahlkampf zu gehen, sagte der frühere Ministerpräsident Niedersachsens unserer Zeitung.

In Österreich wird Kanzler Sebastian Kurz, gegen den heute im Parlament ein Misstrauensantrag ansteht, bei der Europawahl massiv gestärkt. Seine konservative ÖVP legt kräftig zu und liegt weit vor der SPÖ. Sein gefeuerter Koalitionspartner, die rechte FPÖ, fällt leicht. Die Koalition war an den Folgen eines FPÖ-Skandalvideos zerbrochen. In Frankreich hat die Rechtsaußen-Partei Rassemblement National offenbar die Wahl gewonnen.