Peine. Nach dem Schuss auf einen 22-Jährigen sitzt der Schütze in Untersuchungshaft. Die Polizei sucht Zeugen.

Nach dem Schuss mit einer Armbrust auf einen jungen Mann am Bahnhof von Peine hat der Haftrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hildesheim Haftbefehl gegen einen 29-Jährigen erlassen. Dem Beschuldigten werde versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vorgeworfen, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hildesheim am Montag mit.

Der Deutsche mit Wohnsitz im Landkreis Peine hatte den Angaben zufolge auch ein großes Messer dabei. Er soll psychische Vorerkrankungen haben. Das 22 Jahre alte Opfer wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Wie es dem Opfer geht, darüber konnte Christina Wotschke, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hildesheim, keine Angaben machen. Der junge Mann aus Peine schwebte aber nicht in Lebensgefahr, wie ein Polizeisprecher sagte. Ihm zufolge wurde der 22-Jährige in Deutschland geboren und hat syrische Wurzeln. Die Ermittler prüfen jetzt unter anderem, ob es sich um eine rassistische Tat handelte und der junge Mann gezielt ausgesucht wurde. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, sagte Wotschke.

Staatsanwaltschaft: 29-Jähriger gesteht Armbrust-Schuss in Peine

Der Beschuldigte trug den Angaben zufolge ein T-Shirt der vor rund 20 Jahren aufgelösten rechtsextremistischen Band Landser, die 2005 vom Bundesgerichtshof als kriminelle Vereinigung eingestuft worden war. Nach Angaben des Polizeisprechers ist der Verdächtige nicht vorbestraft.

Der 29-Jährige hat mittlerweile gestanden, am Bahnhof von Peine auf den 22-Jährigen geschossen zu haben. Der Beschuldigte habe allgemein eingeräumt, dass der Tatvorwurf zutreffend sei und sich ansonsten auf seine psychischen Probleme berufen, sagte Wotschke.

Nach den bisherigen Ermittlungen war der 29-Jährige am Samstag mit dem Auto zum Bahnhof gekommen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden inzwischen ein Fahrzeug sowie eine Wohnung durchsucht und Gegenstände sichergestellt. Ob weitere Waffen gefunden wurden, konnte die Behördensprecherin zunächst nicht sagen. „Die Auswertung dauert an“, sagte sie.

Armbrust-Attacke am Peiner Bahnhof: Augenzeuge berichtet

Ein Mann wurde verletzt, aber drei Personen angegriffen: Das berichtet am Montag nach dem Armbrust-Angriff am Samstag ein Augenzeuge am Peiner Bahnhof. Der Angegriffene habe um Hilfe gerufen, auf ihn sei geschossen worden. „Ich wollte die Polizei anrufen“, so der Augenzeuge, dann aber habe der Angreifer den „Bock“ – so heißt das Teil, mit dem man eine Armbrust spannt – auf ihn gerichtet. Er habe daraufhin den Arm des Angreifers umgedreht und ihn festhalten. Dann habe er gesehen, dass der Angreifer nach einem Messer greifen wollte. Daraufhin habe er ihn losgelassen und sich in Sicherheit gebracht.

Ein Blick auf den Peiner Bahnhofsvorplatz am Montag.
Ein Blick auf den Peiner Bahnhofsvorplatz am Montag. © Funke Medien Niedersachsen | Bettina Stenftenagel

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens bedankte sich am Wochenende bei den Polizeibeamtinnen und -beamten vor Ort. Es sei dem entschlossenen Eingreifen der Einsatzkräfte zu verdanken, dass es nicht noch weitere Opfer gegeben habe, schrieb die SPD-Politikerin bei Twitter. Die Polizei war nach eigenen Angaben bereits zwei Minuten nach der Tat vor Ort. Die Beamten haben im Internet ein Hinweisportal eingerichtet, auf dem Zeugen Fotos oder Videos hochladen können.

Die in diesem Fall eingerichtete Ermittlungsgruppe ist dringend auf Zeugenhinweise angewiesen, so die Polizei in einer Pressemitteilung. Sie sucht Zeugen, die auf dem Vorplatz im Bereich des dortigen Taxistandes/Busterminals die Tat beobachten konnten. Und weiter: „Für die Ermittler kann jedes Detail von Wichtigkeit sein. Insbesondere suchen wir aber einen Radfahrer, der eine weiße Kopfbedeckung trug. Dieser Mann soll sich zur Tatzeit im Bereich des Taxistandes aufgehalten haben. Es ist zu vermuten, dass dieser wichtige Zeuge die gesamte Tat außerhalb des Bahnhofsgeländes gesehen haben könnte. Der Zeuge soll anschließend in Richtung der Bahngleise gegangen sein.“

Die Polizei bittet Zeugen darum, sich unter (05341) 18970 zu melden.

Ekrem Kocak von der Ditib-Moschee ist erschüttert

Der Peiner SPD-Landtagsabgeordnete Julius Schneider äußert sich am Sonntag bestürzt über die Attacke: „Ich danke der Polizei in Peine. Nur durch ihr schnelles und mutiges Einschreiten ist Schlimmeres verhindert worden. Ich bin entsetzt darüber, dass ein offensichtlich Rechtsradikaler bewusst Jagd auf ausländische Menschen gemacht hat. Peine ist eine weltoffene Stadt, in der die rassistische Gewalt entschieden abgelehnt wird! Diese Tat muss lückenlos aufgeklärt werden und auch auf landesweite Auswirkungen überprüft werden.“

„Voller Entsetzen nehmen die Kreistags-Grünen Kenntnis von dem offensichtlich rassistisch motivierten Angriff“, heißt es in einer Pressemitteilung der Grünen. „Die Vorstellung, dass ein Mann schwer bewaffnet bei uns in Peine Menschen aus rassistischen Gründen angreift, ist zutiefst verstörend“, meint Stefanie Weigand, eine der beiden Vorsitzenden der Fraktion. Christian Falk, ebenfalls Vorsitzender, ergänzt: „Wir verurteilen jede Art von rassistisch und politisch motivierter Gewalt aufs Schärfste. Nun ist es an uns, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu zeigen und deutlich zu machen, dass rechtsextreme Gewalt in Peine keinen Platz haben darf!“ „Diese Gewalt verurteile ich aufs Schärfste“, sagte auch Heiko Sachtleben, Sprecher des Kreisverbandes der Grünen.

„Wir sind schockiert darüber, dass ein offenbar rechtsradikaler Mann bewusst Jagd auf Ausländer gemacht hat“, sagte Peter Baumeister vom „Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA) im Kreisverband Peine. „Das Attentat steht in einer Reihe rassistischer und rechter Gewalt, die in der Bundesrepublik seit 1990 mindestens 219 Menschen das Leben gekostet und unzählige Verletzte gefordert hat.“

Auch Weigand, Sachtleben und Baumeister loben das schnelle Eingreifen der Polizei – und auch Ekrem Kocak von der Peiner Ditib-Moschee und dem türkischen Sportverein Bosporus Peine. Er ist zugleich stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Peiner Träger GmbH (PTG) – und zutiefst „erschüttert, dass so eine abscheuliche Tat überhaupt in unserer Stadt passieren konnte“, meldet sich Kocak aus seinem Urlaub in Istanbul, wo ihn die Nachricht und die Videos erreicht haben. „Diese Art von Rassismus hat einen neuen Level erreicht, was absolut ernst genommen werden muss.“

Man dürfe nicht einfach hinnehmen, dass es sich um psychisch kranke Personen handele. „Jede Gefahr von Rassismus, ob kleine oder groß, muss mit aller Härte des Gesetzes geahndet werden. Ich meine, jeder, der eine rechte Gesinnung hat, macht dies irgendwie bemerkbar. Ob das im persönlichen Umfeld ist oder über soziale Netzwerke“, erklärt Ekrem Kocak. Diese Anzeichen, ob eine Gefahr davon ausgehe oder nicht, müssten durch die Justiz beobachtet und verfolgt werden, damit „solche Vorfälle wie in Peine nicht noch einmal vorkommen. Ich wünsche den Opfern gute Besserung. Jetzt zählt der Zusammenhalt in Peine. Wir müssen gemeinsam mit allen Menschen, Politik, Polizei Zeichen setzen, dass Rassismus in unserer schönen bunten Stadt kein Platz hat und nie bekommen wird!“

Armbrustschießen – bei Mittelaltermärkten wie jüngst beim Peiner Stadtgeburtstag, bei Dorffesten, aber auch in Ferienprogrammen gilt es als Attraktion. Unters Waffenrecht fallen Armbrüste nicht, vielmehr gelten sie als Sportwaffe. Jede Person mit vollendetem 18. Lebensjahr darf eine Armbrust kaufen, sie legal besitzen und ohne Einschränkung bei sich führen.

2021 gab es einen Anschlag auf den SV Bosporus

Im März 2021 hatte es einen Anschlag auf den SV Bosporus gegeben: Hakenkreuz-Schmierereien am Sporthaus. Der SV Bosporus von 1986 ist von Einwanderern aus der Türkei gegründet worden. Inzwischen hat sich der Verein zu einer multikulturellen Gemeinschaft mit Mitgliedern aus vielen Nationen entwickelt. Der SV Bosporus bemühe sich um Integration.

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