Lüneburg. In einer Einrichtung im Kreis Lüneburg soll ein Erzieher 20 Jahre lang Jungen sexuell missbraucht haben. Dabei gab es schon 2001 eine Strafanzeige.

Nach den öffentlich gewordenen Missbrauchsvorwürfen gegen einen Erzieher eines Kinderdorfs im Landkreis Lüneburg hat sich die Einrichtung geäußert. „Wir sind nach wie vor erschüttert von den Vorfällen und möchten alles dafür tun, dass sexuelle Gewalt verhindert wird, Betroffene Unterstützung erfahren und Täter zur Verantwortung gezogen werden“, sagte ein Sprecher der dpa.

Vom 30. Juni an muss sich ein 63-jähriger ehemaliger Mitarbeiter wegen teils schwerem sexuellen Missbrauchs vor dem Landgericht Lüneburg verantworten. Nach Gerichtsangaben sind sechs Jungen im Alter von 7 bis 13 Jahren mutmaßlich betroffen. Es gehe um über 100 Fälle. Die Übergriffe sollen sich im Zeitraum von 20 Jahren ereignet haben. Der Fall war durch einen NDR-Bericht vom Montag öffentlich geworden.

Nach Angaben des Kinderdorfs wurde bereits im Oktober 2001 eine Strafanzeige gegen den Erzieher wegen sexuellen Kindesmissbrauchs eingestellt. Dieses Verfahren sei im Oktober 2002 von der Staatsanwaltschaft Lüneburg eingestellt worden. Im März 2003 sei die Beschwerde des Anzeigeerstatters gegen die Einstellung von der Generalstaatsanwaltschaft in Celle zurückgewiesen worden.

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg verwies am Montag auf den Persönlichkeits- und Opferschutz und wollte sich zu der Einstellung des Verfahrens vor 20 Jahren nicht äußern.

Junge vertraut sich Mitarbeiter an – mutmaßlicher Täter wird 2022 von Dienst entbunden

2022 hatte sich dann wieder ein mutmaßlich betroffener Junge einem Mitarbeiter anvertraut. Der Erzieher sei dann zunächst vom Dienst entbunden worden, sagte der Sprecher des Kinderdorfs. Als sich der Verdacht erhärtete, sei ihm schriftlich gekündigt worden. Es wurde für ihn auch ein Haus- und Geländeverbot erteilt.

Aus Sicht der Einrichtung könnte der Erzieher seine Opfer derart manipuliert haben, dass sie die Übergriffe stillschweigend ertrugen. „Möglicherweise ist durch das 2002/2003 eingestellte Verfahren bei den Betroffenen auch der Eindruck entstanden, dass ihnen ohnehin nicht geglaubt wird“, sagte der Sprecher. Der Beschuldigte habe im Kollegenkreis als engagierter und fähiger Pädagoge gegolten. „Dass derartige Straftaten durch ihn verübt werden, erschien unvorstellbar.“

Das sagt Niedersachsens CDU zu den Missbrauchsvorwürfen

Der Fraktionsvorsitzende der CDU im niedersächsischen Landtag, Sebastian Lechner, sagte: „Die Vorwürfe gegen einen Erzieher, der im Landkreis Lüneburg über Jahrzehnte schutzbedürftige Jungen sexuell missbraucht haben soll, sind schockierend.“ Es könne nicht sein, dass ein derartiges Verhalten nicht von den Behörden bemerkt werde. Es gebe Fehler im System.

„Deshalb fordert die CDU-Fraktion von Sozialminister Andreas Philippi einen Landeskinderschutzplan“, sagte Lechner. „Dafür muss die Landesregierung die Jugendämter finanziell und personell besser ausstatten.“ Außerdem müssten einheitliche Standards der Zusammenarbeit unter anderem von Behörden und Ärzten definiert werden.

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Die AfD-Fraktion forderte am Dienstag jährliche Berichte und eine lückenlose Datenerfassung zu Missbrauchsfällen an Kindern und Jugendlichen in sensiblen Bereichen wie Bildung, Sport und Freizeit. Die Partei hatte bereits Ende Mai eine entsprechende Anfrage an die rot-grüne Landesregierung gestellt. Die AfD-Abgeordnete Vanessa Behrendt kritisierte, dass die Landesregierung „keinerlei Daten“ erhebe, ob und wie oft es zu Gewalt- und Straftaten von Erziehern, Ehrenamtlichen und Trainern gegenüber Kindern und Jugendlichen komme.

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