Ein FDP-Verkehrsminister, der grüne Weichen stellen soll und rote Komforts berücksichtigen, das kann noch spannend werden.

„Es brennt“, damit hatte die Umweltorganisation WWF nicht nur so eine Schlagzeile für ihr aufrüttelndes Plädoyer zur Bundestagswahl geprägt, sondern es brannte ja wirklich in dieser Legislaturperiode: Menschen starben bei Waldbränden in Kalifornien, Koalas verkohlten in Australien, Feuer bedrohte das antike Orakel von Delphi in Griechenland. Dazu Wassermassen, die im eigenen Land an Mosel und Ahr Menschenleben kosteten und nun Hilfsgelder von 800 Millionen Euro nötig machen. Hätte man das Geld nicht sinnvoller vorher...

...eben, in den Klimaschutz gesteckt. Aber wir hatten ja dann die sogenannte „Klimawahl“. Nach dem Motto: Es brennt, aber jeder brät sich sein eigenes Steak drauf, liefen fast alle Parteien mit dem Ökolabel auf, das ja bekanntlich gesetzlich nicht geschützt ist. Die Wählerinnen und Wähler achteten aber genau auf die Untertöne. Und so liefen die Grünen, die nur ungenügend verbrämten, dass Klimapolitik auch Einschnitte an der eigenen Bequemlichkeit mit sich brächte, nur als verhaltene Sieger ein. Nach knapp 9 nun knapp 15 Prozent Bundesanteil, das war keineswegs das Signal zum gesellschaftlichen Umhandeln, das man sich nach Dürresommern und Hochwasser erwarten durfte.

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Sehnsucht bei den Wählenden nach der SPD

Die Wählenden hatten plötzlich wieder Sehnsucht nach der alten Industriepartei SPD, die sich zeitweise anfühlte wie die wiedererstandene IG Chemie-Papier-Keramik. Scholzomat versprach dampfende Wirtschaft mit ein paar ökologischen Filtern und spielte ansonsten die grüne gegen die soziale Frage aus, eine fatale Assoziation. Denn den Preis des ökologischen Schadens für Billigflüge und Autobahnrennen zahlen am Ende wieder alle. Es brennt, da ist kein Wohlfühlprogramm angesagt.

Die CDU hatte sich mit den Bergmannsgeschichten von Papa Laschet noch tiefer in die Nostalgie vergraben, sehr menschlich, aber auch sehr weit weg von den aktuellen Problemen. Mit dem smarten Fondsmanager Friedrich Merz bleibt sie auch weiterhin erstmal in der Vergangenheit, hat jetzt wieder den starken Mann, wo die Gesellschaft längst viel diverser aufgestellt ist.

Ampel sprang um – auf Rotgelbgrün

Bei der FDP ist ja immer erstmal alles erlaubt, so lange es sich rechnet. Und so sprang am Ende die Ampel um. Rotgelbgrün leuchten nun gleichzeitig, was im Straßenverkehr Chaos bedeuten würde. Ein FDP-Verkehrsminister, der grüne Weichen stellen soll und rote Komforts berücksichtigen, das kann noch spannend werden. Zugegeben: das Wahlergebnis war eben auch so, nun muss sich zeigen, ob die inhaltlichen Vorgaben ökologisch genug verfasst sind.

Das werden wir in dieser Region sehr konkret zu spüren bekommen, wenn etwa die Heideautobahn doch noch durchgedrückt wird. Mit dem Ausdruck „Lückenschluss“ für 105 Kilometer Neubau zwischen Lüneburg und Wolfsburg versucht man, Fakten zu schaffen. Umfragen der Industrie- und Handelskammer ergeben zwar, dass sich 70 Prozent der betroffenen Bevölkerung für den Bau aussprechen. Aber es gäbe auch Alternativen wie den Ausbau der B4. Der Autobahnbau bringt für die im Stau steckenden VW-Arbeiter auch nichts, denn aus Braunschweig sind ja dann zusätzlich die Hamburg-Tripper unterwegs.

Ausbau der Bahnstrecke ist ein Weg

Was eigentlich gebraucht würde, wäre ein Ausbau der Bahnstrecke. Die ist zwischen Lüneburg und Uelzen mit 140 Zügen überlastet, phasenweise Zweigleisigkeit führt bei Reparaturen und Zugdefekten zu Staus auf dem verbleibenden Gleis. Davon kann jeder, der auf der Strecke Hamburg-Hannover liegengeblieben ist und dann nachts seinen Anschluss in Hannover verpasst hat, ein Lied singen. Der Deutschlandtakt mit einer angestrebten Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 wird nur funktionieren, wenn auch die Anschlüsse für mittlere Großstädte wie Braunschweig attraktiv sind.

Eine parallele ICE-Route Hamburg-Uelzen-Braunschweig-Halle mit Anschluss an die dort haltende Rapidtrasse nach München brächte unserer Region eine ganz andere Mobilität. Die Weichen dafür hätten längst gestellt sein müssen. Aber wir freuen uns hier ja schon, wenn man uns nach 30 Jahren das zweite Gleis für die Weddeler Schleife gönnt. Bei rechtzeitigem Ausbau könnten Braunschweig und Wolfsburg längst S-Bahn-mäßig an die Bundeshauptstadt angebunden sein. Und die VW-Arbeiter hätten schichtgerechte Züge bis zum Werksportal. Gibt’s längst beim Opelwerk Rüsselsheim.

Kann die Klimawende gelingen?

Nun soll hier nicht der Eindruck entstehen, als wären nur Grüne die Garanten des ökologischen Wandels. Obwohl schon auffällt, wie gern CDU, FDP und SPD in Sachsen-Anhalt ohne Grüne in Koalition gingen, weil die etwa beim Moorschutz im Harz ernst machten. Niedersachsen gibt da ebenfalls schlechtes Beispiel, wenn mit einem Rutschturm auf Torfhaus, zu dem man nicht mal hinwandern muss wie am Wurmberg, Autoströme geradezu angelockt werden. Zum Trost gibt es dann auch nur zwei E-Ladehähne und an anderen Attraktionen wie der Altenauer Therme gar keine.

Wer viel Bahn fährt und E-Ladesäulen sucht, wird jedenfalls nicht gerade optimistisch in Sachen Klimawende. Wenn dann noch wie in Braunschweig für hauptsächlich gewerbliche Nutzung ein historischer Park beschnitten werden und alte Bäume fallen sollen, obwohl an anderer Stelle ein Gewerbehochhaus nicht zu vermarkten ist, dann wird’s einem eng ums Herz. Park und Baumälteste sind auch kulturelle Werte, die man nicht mit Pflanzungen anderswo verrechnen kann. Im Übrigen haben Bürgerproteste gegen Abholzungen beim Autobahnumbau im Süden Braunschweigs den Erhalt von vielen Bäumen ermöglicht. Man sieht also, wie viel Spielraum es in der Regel gibt. Jedes Projekt sollte mit ehrenamtlichen Baumanwälten überarbeitet werden.

Im Übrigen hat ja jede Partei auch ein grünes Herz. Das Bewahrende ist konservatives Erbgut der CDU und kann sich, wie es die Braunschweiger CDU bei der Rettung der Schunteraue gegen Straßenbahnprojekte zeigte, ökologisch auswirken. Lokal ist man auch für die fruchtbare Ackerkrume und gegen Versiegelung für Gewerbegebiete unterwegs. Die FDP erkennt das ökonomische Potential der Umwelttechnologien. Ge-gen Landfraß durch Gewerbegebiete müssen sich noch innovative Lösungen finden. Aber neue Flächen sind tabu. Denn: Es brennt.