Gifhorn. Junge Menschen haben erfolgreich gegen das Klimaschutzgesetz des Bundes geklagt. In Niedersachsen ziehen Aktivisten nach – darunter Jennifer Zauter.

Sie fordern schnelleres Handeln, konkretere Maßnahmen und längerfristige Ziele: Fünf junge Klimaaktivisten von Fridays for Future haben Anfang Dezember gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe gegen das Klimagesetz des Landes Niedersachsen geklagt. Landesumwelt- und Klimaschutzminister Olaf Lies (SPD) versprach daraufhin, das Gesetz zu erneuern. Für die Aktivisten und Kläger Jennifer Zauter (18) aus Gifhorn und Matteo Feind (16) aus Hannover sind auch die angekündigten Maßnahmen nicht weitreichend genug. Zauter ist seit 2019 Fridays-for-Future-Aktivistin und besucht die zwölfte Klasse, Feind setzt sich seit zweieinhalb Jahren für FFF ein und geht in die elfte Klasse.

Woher kommt Ihr Ansporn, sich so engagiert für den Klimaschutz einzusetzen?

Zauter: Ich glaube, die meisten Menschen fragen sich: Die sind 16 und 18 Jahre alt, warum klagen die denn jetzt schon am Bundesverfassungsgericht? Was soll das denn? Sollen die erst mal ihre Gasrechnungen selber bezahlen. Das sagen zumindest die Hass-Kommentare, die auf mich zutreffen. Es ist einfach wichtig, zu verstehen, dass wir uns damit nicht erst seit gestern beschäftigen. Dass wir vielleicht Einblicke haben, die manche Erwachsene nicht haben, die mitten im Leben stehen, die zur Arbeit gehen, die vielleicht nicht wirklich die Zeit haben, sich zu informieren. Wir haben einfach Angst um unsere Zukunft, die Zukunft aller, um die Menschen im globalen Süden. Und ich glaube, deswegen ist es für uns so wichtig, dass wir jetzt klagen, weil es sonst zu spät ist.

Sie kritisieren, dass die Maßnahmen, die im Klimaschutzgesetz festgehalten sind, nicht ausreichen. Was gefällt Ihnen daran nicht?

Feind: Es geht nicht darum, dass es uns nicht gefällt. Das Gesetz der Landesregierung widerspricht dem Grundgesetz und dem Pariser Klimaschutzabkommen und auch dem Bundes-Klimaschutzgesetz. Das momentane Gesetz der Landesregierung sieht vor, dass das Land erst 2050 klimaneutral wird, was viel zu spät ist, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Deswegen haben wir geklagt, weil wir die Lebensqualität der zukünftigen Generationen eingeschränkt sehen.

Zauter: Niedersachsen bezeichnet sich als kommendes Klimaschutzland Nummer eins, was einfach derzeit noch nicht gegeben ist. Obwohl Niedersachsen Möglichkeiten hat, guten Klimaschutz zu machen. Wir haben hier in Niedersachsen Heide, wir haben Moore, wir haben den Harz, wir haben die Nordsee. Da gibt es viele unterschiedliche Maßnahmen, die man ergreifen könnte, um diese Gebiete zu retten und diese Gebiete weiter auszubauen, was gleichzeitig dem Klimaschutz und dem Klima sehr gut tun würde.

Jennifer Zauter (18) und Matteo Feind (16).
Jennifer Zauter (18) und Matteo Feind (16). © dpa | Julian Stratenschulte

Was genau sind Ihre Forderungen? Was haben Sie für konkrete Vorschläge, damit der Klimaschutz schneller vorangetrieben wird?

Zauter: Klar ist, dass mehr Moorschutz betrieben werden muss. Dass die Wälder wieder aufgefüllt werden müssen, dass darauf geachtet wird, dass der Borkenkäfer nicht alle Bäume kaputt macht. Das sind aber nur kleine Tropfen auf den heißen Stein. Wichtig ist gerade auch, die fossile Energie einzuschränken. Dass nicht weiter Erdgas gefördert wird oder Erdgas, wie es gerade passiert ist, als grüne Technologie gilt. Die Landesregierung plant gerade sogar noch neue Anlagen für klimaschädliches Flüssig-Erdgas, das häufig mit der besonders umweltbelastenden Fracking-Technik gewonnen wird. Das ist absolut nicht in unserem Sinne.

Feind: Dafür kann man natürlich auch auf erneuerbare Energien setzen. Man kann in Niedersachsen relativ gut viele Windräder bauen, was nur leider in den letzten Jahren sehr ins Holpern gekommen ist. Das kann nicht sein, denn wir müssen aus der Kohle raus. Es bringt nichts, wenn wir unseren Strom aus irgendwelchen Nachbarländern einkaufen, wo er dann mit Kohlestrom produziert wird. Und deswegen brauchen wir für Niedersachsen, gerade weil wir an der Nordsee sind, viel Windkraft.

Zauter: Ein weiterer Punkt ist, dass man die Menschen dazu bringen kann, klimafreundlicher zu handeln. Natürlich ist auch das wieder nur ein kleiner Effekt, aber wenn alle Menschen nachhaltig leben und nachhaltig handeln, dann ist die Industrie mehr oder weniger auch dazu gezwungen, nachhaltig zu produzieren. Daher gilt es, den Nahverkehr weiter auszubauen und günstiger zu machen.

2021 haben Klimaschützer am Bundesverfassungsgericht erfolgreich gegen das deutsche Klimaschutzgesetz geklagt. Jetzt muss der Gesetzgeber nachbessern. Was erhoffen Sie sich von Ihrer Klage?

Zauter: Wir erhoffen uns so ziemlich den gleichen Effekt. Klar ist: Niedersachsens jetziges Klimagesetz strebt eine Klimaneutralität bis 2050 an, das des Bundes bis 2045. Da ist ganz klar, dass nachgebessert werden muss. Aber ich glaube, ich kann auch sagen, dass wir uns noch mehr erhoffen. Gerade weil Niedersachsen so viele Möglichkeiten hat, guten Klimaschutz zu machen, deutlich mehr als andere Bundesländer. Und deswegen müssen wir auch Vorbild für andere Bundesländer sein.

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Was befürchten Sie für Ihre Zukunft, wenn die Landesregierung Ihren Forderungen nach konsequenten und tiefgreifenden Klimaschutzmaßnahmen nicht nachkommt?

Feind: Dass das unsere und die nachkommende Generation in Zukunft einschränkt. Es wird mehr Hochwasserkatastrophen geben, der Meeresspiegel an der Nordsee wird ansteigen und es wird mehr Hitzesommer geben. Dann werden sich wahrscheinlich auch die Wälder in Niedersachsen verändern.

Zauter: Dann kommen noch ganz viele andere Aspekte mit dazu, zum Beispiel, dass die Artenvielfalt deutlich abnehmen wird. Es wird immer weniger verschiedene Tierarten geben, einfach weil sie nicht mehr überleben können. Worauf man, wie ich finde, auch noch ganz extrem achten muss, das sind die „Most Affected People and Areas“ (gemeint sind Menschen und Gebiete, die besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind - Red.), die jetzt schon ganz stark von unserer Klimapolitik abhängig sind. Wo es jetzt schon Dürren gibt, die über mehrere Monate gehen, wo jetzt schon Leute wegen der Klimapolitik der westlichen Länder verhungern. Da muss man einfach sehen, dass wir auch eine Verantwortung für den globalen Süden haben.

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