Mit dem Paläon ist den Speeren ein architektonisch und konzeptionell herausragendes „Forschungs- und Erlebniszentrum“ gewidmet.

Die Schöninger Speere zählen zu den bedeutendsten Frühzeugnissen menschlichen Lebens. Mit mindestens 300.000 Jahren sind sie die ältesten vollständig erhaltenen Jagdwaffen der Welt; sie haben, wie die digitale Enzyklopädie Wikipedia formuliert, „das Bild der kulturellen Entwicklung des frühen Menschen stark verändert“. Die Menschen, die vor 300.000 Jahren lebten, müssen nach Meinung der Forscher bereits in Sozialstrukturen gelebt und Fähigkeiten entwickelt haben, die man zuvor erst dem viel später in Europa nachweisbaren Homo sapiens zugetraut hatte. Nicht umsonst ziert einer der Speere augenblicklich die herausragende Berliner Ausstellung „Bewegte Zeiten“ über Archäologie in Deutschland.

Mit dem Paläon ist den Speeren ein architektonisch und konzeptionell herausragendes „Forschungs- und Erlebniszentrum“ gewidmet. Man kann die Speere unweit des Ortes erleben, an dem kluge und glückliche Forscher sie vor den Baggern des Tagebaus gerettet hatten. Schöningen, eine Stadt, die vom Strukturwandel gebeutelt ist, verdankt dem Paläon Besucher, die den Süden des Kreises Helmstedt sonst schwerlich besucht hätten.

Das Paläon hatte keine leichte Geburt. Auch wenn der wissenschaftliche Rang des Fundes unbestritten ist: Der Apparat des niedersächsischen Wissenschaftsministeriums wollte das Paläon nicht, man spürt es bis heute. Aber die Idee hatte starke Befürworter, den ehemaligen IHK-Präsidenten Wolf-Michael Schmid, den Vorstandsvorsitzenden der Braunschweigischen Landessparkasse, Christoph Schulz, VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, den heutigen VW-Personalvorstand Gunnar Kilian und viele andere. Ihnen gelang es, den damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff zur Finanzierung des Baues zu bewegen. Die Deckung der laufenden Kosten jedoch war nicht vorgesehen – eine Hypothek, die das Projekt schwer belastete. Der Zuschuss aus Hannover musste von Jahr zu Jahr neu gesichert werden.

Nun übernimmt das Land Niedersachsen Verantwortung für die weltberühmten Zeugen der Geschichte. Endlich. Wissenschaftsminister Björn Thümler, der sich in der Forschergemeinde unserer Region binnen Kurzem den Ruf eines aufmerksamen Zuhörers und tatkräftigen Unterstützers erworben hat, setzte sich mit seiner Staatssekretärin Sabine Johannsen für eine Lösung ein, die das Paläon dauerhaft und seinem Rang gemäß absichert. Das Landesamt bietet dem Paläon ohne Zweifel ein fachlich hochgeeignetes Zuhause. Dieses Modell überzeugte am Ende auch Finanzminister Reinhold Hilbers. Möge der Landtag es mittragen – bei den Abgeordneten der Region zumindest ist um den Rückhalt nicht zu fürchten.

Den Beschäftigten bringt der Wechsel der Trägerschaft gleichermaßen Unsicherheit und Perspektive. Es ist klug, dass der Übergang ausreichend Zeit bekommt. Für die Zukunft sollte mindestens dreierlei klar sein:

1. Das Paläon braucht das nachhaltige Engagement der Verantwortlichen des Landesamtes und des Ministeriums. Wer es unter Wert handelt, begibt sich einer Chance, Niedersachsens Reichtum wirkungsvoll zu präsentieren.

2. Die Mitarbeiter, die großartige Arbeit geleistet haben, müssen eine faire Chance bekommen, beim neuen Träger weiterzuarbeiten.

3. Ein starkes regionales Netzwerk hat dem Paläon und seinen Besuchern viele Chancen eröffnet. Genannt seien nur der Förderverein Schöninger Speere oder die Volkswagen-Belegschaftsstiftung, die 6000 Kindern der fünften Klasse den Besuch ermöglichte. Diese Unterstützung sollte vom Landesamt als Chance begriffen werden. Beim Paläon „erbt“ es den Zugang zu vielen Entscheidern. Dieses Netzwerk zu pflegen und für das Welterbe Schöninger Speere zu nutzen, ist ein Gebot der Klugheit.