„Stimmt die Chemie noch zwischen dem leidenschaftlichen Turbo-Europäer und der sachlich-nüchternen Kanzlerin?“

Was ist geblieben vom Zauber des einst hochgelobten deutsch-französischen Traumpaars Angela Merkel und Emmanuel Macron? Stimmt die Chemie noch zwischen dem leidenschaftlichen Turbo-Europäer und der sachlich-nüchternen Kanzlerin, die die Trippelschritte dem Sauseschritt vorzieht? Antwort: Ja, aber der Reiz der ersten Tage ist verflogen. Beim gestrigen Treffen in Berlin waren beide um atmosphärischen Gleichklang bemüht. Doch die Meinungsunterschiede spiegelten sich in der Sprache wider. So redete der französische Präsident unverändert von „Visionen“ und von „einem Moment des europäischen Abenteuers, das wirklich einzigartig ist“. Die Kanzlerin forderte dagegen „eine offene Debatte und am Schluss die Fähigkeit zum Kompromiss“. Durchlauferhitzer versus Abkühlbecken.

Beide benutzten unterschiedliche Schlüsselbegriffe. Macron warb stark für „Solidarität“ und „Konvergenz“. Übersetzt: Milliardenschwere Investitionen aus der Gemeinschaftskasse sollen für eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Europa sorgen. Merkel hingegen betonte die Vokabeln „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Stabilität“. Im Klartext: Die EU-Mitgliedstaaten müssen zunächst ihre Volkswirtschaften auf Trab und ihre Budgets ins Lot bringen, bevor Brüssel einschreitet. Trotz dieser Differenzen können Merkel und Macron einen gemeinsamen Nenner finden. Dass Deutschland mehr für Europa zahlt und dabei auch Geld für Investitionen lockermacht, steht bereits im Koalitionsvertrag. Nur wird dies im Rahmen des EU-Haushalts geschehen und nicht in einem dafür extra geschaffenen Etat für die Eurozone.

Beide werden bis zum EU-Gipfel im Juni genug Felder für einen Schulterschluss finden: Eine gemeinsame EU-Außenpolitik ist angesichts schwerer internationaler Krisen nötiger denn je. Das Gleiche gilt für die Asylpolitik und den Grenzschutz.