Braunschweig. Volksverhetzung, Beleidigung, Einstellung? – Braunschweiger Fall lässt Aktenberg wachsen, Juristen streiten und die Öffentlichkeit diskutieren.

Neue Beschwerden, neue Prüfung, nun schon die dritte in dieser Sache – und dann vermutlich in den nächsten Wochen nochmal ein Beschluss über Einstellung des Verfahrens, Anklage oder Strafbefehl, dann auch schon der dritte: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig kann den Fall eines Neonazis, der Journalisten als „Judenpack“ und mehr beschimpfte, noch nicht zu den Akten legen.

Sie wehrt sich dabei auch gegen Vorwürfe, solche Vorgänge zu verharmlosen. „Wir sind nicht blind auf dem rechten Auge“, sagt Oberstaatsanwalt Hans Christian Wolters als Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig unserer Zeitung.

Braunschweiger Staatsanwaltschaft muss nun zunächst wieder mehrere Beschwerden prüfen und bewerten

Er betonte, dass die Staatsanwaltschaft gegen den in Rede stehenden 53-jährigen Neonazi wegen anderer Äußerungen, darunter auch „Rassenschande“, aktuell tatsächlich Anklage wegen Beleidigung erhoben habe. In all diesen Fällen hätten die Geschädigten indes rechtzeitig einen Strafantrag gestellt, „so dass wir die Taten auch verfolgen konnten“.

Und in einem anderen Verfahren habe die Staatsanwaltschaft Braunschweig bereits 2022 gegen einen 36-Jährigen aus dem Landkreis Hildesheim Strafbefehl wegen Beleidigung beantragt. Das Amtsgericht erließ diesen Strafbefehl. Der Beschuldigte hatte im November 2020 im Zeitraum von 19.33 bis 19.45 Uhr für die Partei „Die Rechte“ eine Versammlung in unmittelbarer Nähe zur Synagoge in Braunschweig bei der Stadt angemeldet.

Aber zurück zum aktuellen Fall, in dem die Braunschweiger Staatsanwaltschaft nun zunächst wieder mehrere Beschwerden prüfen und bewerten muss. Ein Fall, der mittlerweile bundesweit die Medien beschäftigt und auch Juristen zu unterschiedlichen Auffassungen kommen lässt.

Die Staatsanwaltschaft argumentiert, im gegebenen rechtlichen Rahmen habe sie keine weiteren Möglichkeiten mehr gesehen und dies auch ausführlich dargelegt, so Wolters. Volksverhetzung müsse sich gegen die Allgemeinheit richten, um als solche angeklagt werden zu können. Und für Beleidigung müsse sich binnen einer Frist von drei Monaten ein Kläger finden.

Kommt die Generalstaatsanwaltschaft zu einer anderen rechtlichen Auffassung, kann sie die Staatsanwaltschaft anweisen, Anklage zu erheben

Aber schon möglich, so Wolters, dass die Generalstaatsanwaltschaft eine andere rechtliche Auffassung vertrete. Falls sie im aktuellen Fall zu einer anderen Bewertung komme, könnte sie die Staatsanwaltschaft anweisen, Anklage zu erheben oder Strafbefehl zu beantragen. Natürlich sei es auch nicht ausgeschlossen, dass die Bewertung der Staatsanwaltschaft nach erneuter Prüfung geteilt werde.

Dies bestätigt Oberstaatsanwältin Serena Stamer, Sprecherin der Braunschweiger Generalstaatsanwaltschaft. Noch lägen die Akten bei der Staatsanwaltschaft. „Das Ergebnis der Überlegungen der Staatsanwaltschaft wird uns mit Bericht vorgelegt werden.“ Darüber werde dann entschieden.

Einstweilen könne sie nur darauf verweisen, was die Generalstaatsanwaltschaft im Mai 2021 bereits öffentlich erklärt hatte, als sie die Entscheidung der Staatsanwaltschaft änderte und mehreren Beschwerden stattgab: „Die Generalstaatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, dass die mutmaßlichen Äußerungen des Beschuldigten vor Ort sowohl einen Anfangsverdacht für den Tatbestand der Volksverhetzung … als auch der Beleidigung ... ergeben, der weitergehende Ermittlungen gegen den Beschuldigten erfordert.“

Man müsse da sehr sauber am Fall arbeiten und ja, auch unter Juristen gebe es Kontroversen.

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