Braunschweig. Andreas Weich vom Georg-Eckert-Institut erforscht den Einsatz digitaler Medien in der Schule. Er mahnt: Apple und Co. sitzen mit im Klassenzimmer

Jahrzehntelang war allein die Schulbuchforschung das Markenzeichen des Georg-Eckert-Instituts (GEI). Mit dem digitalen Wandel ist damit in dieser Ausschließlichkeit Schluss. Um die heutige Bandbreite an Bildungsmedien abzubilden, trägt die Einrichtung diese Öffnung mittlerweile auch im Namen: „Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut“ – so heißt es jetzt offiziell.

„Postdigitalität“ statt naivem Fortschrittsglauben

Der vom GEI erhobene Anspruch einer „kritischen Bildungsmedienforschung“ bedeutet auch, allzu naiv-positiven Sichtweisen auf die Digitalisierung die Luft herauszulassen, erklärt Mitarbeiter Andreas Weich: „Viele verbinden mit Digitalisierung den Fortschrittsgedanken, wenn etwas vormals Analoges mit digitaler Technik gemacht wird, werde es dadurch automatisch besser.“ Weich setzt der schlichten Gleichung „Digitalisierung gleich Fortschritt“ den Begriff des „Postdigitalen“ entgegen.

Dr. Andreas Weich leitet die Nachwuchsforschungsgruppe
Dr. Andreas Weich leitet die Nachwuchsforschungsgruppe "Postdigitale Medienkonstellationen in der Bildung“. © Privat | Privat

Weich geht davon aus, dass man um digitale Technik heute schlicht nicht herumkommt – ob einem das gefällt oder nicht. Daher gehe es nun darum, „im Detail zu gucken, was der Einsatz dieser Technik mit uns macht und, ihn kritisch zu reflektieren – insbesondere im Bildungsbereich“. Es gelte Fragen zu stellen, die oft ausgeklammert werden – soziale, kulturelle, wirtschaftliche. Auch die nach den beteiligten Akteuren: „Wenn Schulen auf Dienste von Google, Apple oder Microsoft zurückgreifen, dann sitzen die mit im Klassenzimmer – und zwar mit ihren Geschäftsmodellen, die mit Lernförderlichkeit erstmal gar nichts zu tun haben.“

Experimente im Klassenzimmer der Zukunft

Auf seinem neuen Campus hat das GEI eine Art Klassenraum der Zukunft, das „Basement“, geschaffen, in dem Lehrer und Schüler mit Medien experimentieren und ihren Einsatz reflektieren können – unter den Augen von Forschern wie Weich. An ein herkömmliches Klassenzimmer erinnert hier wenig. Neben viel digitaler Technik, Virtual-Reality-Brillen und gigantischen Flachbildschirmen sorgen Sofas und Sitzsäcke für Wohnzimmeratmosphäre. In Fortbildungen, so Weich, können Lehrer hier darüber nachdenken: „Was möchte ich überhaupt erreichen, und warum?“

Leider, stellt der Forscher fest, fehle es im Alltag der Schulen oft an Zeit, Personal und Technik, bisweilen auch an Interesse, um über das Thema vertieft nachzudenken. Auch wenn manche Schulen, mit denen das GEI zusammenarbeite, in „relativ luxuriösen Situationen“ seien, seien die Ausgangssituationen „insgesamt doch recht unterschiedlich“, bemerkt er kritisch.

Ein Gespräch mit Andreas Weich hören Sie in der aktuellen Folge unseres Podcasts „Forsch!“ – verfügbar auf allen gängigen Podcast-Plattformen und hier:

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