Wolfsburg. Wie gehen Ermittler vor, wenn nach verschwundenen Kindern und Jugendlichen gesucht wird? Das erklärt der Wolfsburger Polizeisprecher.

Der Wolfsburger Polizeisprecher Thomas Figge erklärt, wie Ermittler nach verschwundenen Kindern und Jugendlichen suchen. Er rät Eltern, unverzüglich Anzeige bei der Polizei zu erstatten, ansonsten aber Ruhe zu bewahren.

Wird ein Minderjähriger vermisst, muss ja nicht immer gleich ein Schwerverbrechen dahinterstecken. Was gibt es noch für Gründe?

Um es vorwegzunehmen: Mit Blick auf die vergangenen Jahre ist die Gesamtzahl der Vermisstenfälle von Kindern und Jugendlichen in Wolfsburg überschaubar. Meistens kehren Vermisste innerhalb weniger Stunden heim. Jugendliche werden in der Regel öfter vermisst gemeldet als Kinder. Wenn pubertierende Kinder plötzlich weg sind, dann beispielsweise aus Liebeskummer.

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Das gibt es heutzutage noch, dass junge Leute mit ihrem Herzenspartner durchbrennen wollen?

Schon. Wir hatten einmal in Wolfsburg irische Landfahrer zu Besuch, die am Allersee gecampt und Handwerksarbeiten angeboten hatten. Bei denen haben wir zwei Mädchen aufgefunden, die mit zwei gut aussehenden, jungen Iren mitgereist waren. Wer Eltern eines pubertierenden Jugendlichen ist, weiß, dass die oft versuchen, Grenzen auszutesten und zu verschieben. Es kann vorkommen, dass sie Ärger mit den Eltern bekommen, die ihnen einen Konzertbesuch verbieten. Dann fahren sie trotzdem dorthin und kehren nach dem Konzert wieder heim. Es gibt aber auch Fälle von jungen Vermissten, die aus einem schwierigen sozialen Umfeld stammen. Allen ist gemein, dass die Sehnsucht nach ihrer sozialen Gruppe so stark ist, dass sie nach einem Tag oder zwei Tagen wieder nach Hause zurückkehren.

Der Wolfsburger Polizeisprecher Thomas Figge.
Der Wolfsburger Polizeisprecher Thomas Figge. © Helmke, Klaus

Wenn Kinder vermisst werden, dann schrillen bei der Polizei aber gleich die Alarmglocken?

Bei Kindern reagieren wir sehr sensibel und werden aktiv. Wir befragen schnellstmöglich Verwandte, Schulkameraden und deren Eltern. Jede Information kann wichtig sein. Zum Beispiel: Wer begleitete das Kind zur Schule? Fuhr das Kind ein Rad? Wie sieht das aus? Steht das Rad noch da, wo es das Kind abgestellt hatte? Wenn nicht, wo kann es sein? Ein anderes Beispiel: Ein Kind wird nach dem Kindergarten vermisst gemeldet. Dann interessiert uns nicht nur der Weg nach Hause, der abgesucht wird, sondern auch die Umgebung der Kita. Gibt es dort womöglich einen Teich? Dann kann es gut sein, dass wir zur Unterstützung Feuerwehr-Taucher hinzuziehen. Es gibt keine exemplarische Vorgehensweise bei Vermisstenfällen. Wir fragen ab, ob akute Gefahren durch Krankheiten bestehen oder Medikamente dringend genommen werden müssen. Bei älteren erwachsenen Vermissten spielt das oft eine wichtige Rolle, vor allem das Thema Demenz.

Was ist mit den Eltern?

Wir schauen uns natürlich auch die Familie eines vermissten Kindes genauer an, ob es dort Ehe- oder Sorgerechtsstreitigkeiten gibt. Heutzutage kommt es häufiger vor als früher, dass ein Elternteil das Kind entzieht, weil es nicht will, dass es beim anderen Elternteil aufwächst.

Wie bewerten Sie Suchaufrufe nach Vermissten in den sozialen Medien?

Schwierig! Diese Art des Mobilmachens, eine Suche zu unterstützen, kann leicht zur Panikmache führen. Das ist niemals sachdienlich. Es kann auch sein, wenn es einen strafrechtlichen Hintergrund gibt, dass ein Täter dadurch auch gewarnt werden könnte und uns so mögliche Ansatzpunkte für Ermittlungen genommen werden. Wer mit dem Foto seines Kindes öffentlich im Internet fahndet, bekommt das dort unter Umständen niemals mehr gelöscht. Das muss Eltern klar sein.

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