Wolfenbüttel. Für fesselnde Reportagen und kreative Multimedia-Storys gab es in Wolfenbüttel Preise. Es geht um Kirchenrettung, nette Nachbarn und neue Medien.

„Unser Land braucht viele freie, unabhängige Medien“, sagte der Festredner. Und: „Qualitätsjournalismus bleibt – und wird benötigt.“ Mit klaren Aussagen wie diesen spickte VW-Personalvorstand Gunnar Kilian in der Wolfenbütteler Herzog-August-Bibliothek seinen schwungvollen Vortrag zur Verleihung des Nachwuchsjournalistenpreises. Eindringlich appellierte der VW-Manager an die Verleger: „Bleiben Sie dem Kurs der Qualität treu, bleiben Sie dem Kurs der Regionalität treu!“

Zum siebten Mal haben unsere Zeitung und die Hans-und-Helga-Eckensberger-Stiftung am Donnerstagnachmittag den Preis verliehen. Er ist mit insgesamt 3600 Euro dotiert. Ausgezeichnet werden Volontäre und Jungredakteure, die für deutschsprachige Zeitungen der Funke-Mediengruppe schreiben, zu der unsere Zeitung gehört.

Auch Multimedia-Formate wurden gekürt

In festlichem Rahmen ging es in der Augusteerhalle zur Sache. In kleiner Besetzung, aber mit Live-Stream-Zuschauern, mit einigen anregenden Sätzen über Lessing und den Journalismus von Bibliotheksdirektor Peter Burschel, mit einem Plädoyer für gründliche Recherche von dem Stiftungsvorsitzenden Wilhelm Koller und mit eingespielter Musik der Flötengruppe Werlaburgdorf (Beethoven, Dave Brubeck).

Eckensberger Journalistenpreis 2021 verliehen

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„Wir freuen uns sehr, dass dieser Preis in Zusammenarbeit mit der Eckensberger-Stiftung wieder einmal junge talentierte Nachwuchs-Journalistinnen und Journalisten ins Blickfeld rückt und ihre herausragenden Leistungen wertschätzt“, sagte die Chefredakteurin unserer Zeitung, Kerstin Loehr. Sie betonte, dass „intensiv recherchierte, ansprechend gestaltete, von der ersten bis zur letzten Zeile spannende Print-Beiträge, aber immer mehr auch höchst beeindruckende Multimedia-Formate“ zur Auswahl gestanden hätten. „Gerade diese machen deutlich, welchen Stellenwert das Digitale mittlerweile in der Zeitungsbranche hat und wie kreativ und inhaltlich stark junge Kolleginnen und Kollegen in ganz neuen Kanälen Informationen verbreiten, damit gezielt ein anderes Publikum ansprechen – und es für sich und die Zukunft des Qualitätsjournalismus gewinnen“, sagte Kerstin Loehr.

Fleisch? Nur nach eigenem Schuss

Die Bandbreite der Themen, die die von der Jury ausgewählten Journalisten aufgegriffen haben, aber auch die Vielfalt der Recherche-Ansätze und der „Verpackung“ der Storys ist in der Tat enorm. So schrieb Philipp Brendel von der „Ostthüringer Zeitung“, Drittplatzierter in der „Print“-Kategorie, über die Rettung einer kleinen Kirche. Sein Artikel „Die drei Wunder der Kirche von Dobraschütz“, so sagte es Laudator Wolfgang Müller, „macht Mut, an Wundern mitzuwirken.“ Der zweite Platz ging an Niklas Bessenbach, Volontär bei der „Westdeutschen Allgemeinen“, für seinen Beitrag „Die Jagd-Fee“. Es geht um eine junge Frau (ihr Name ist wirklich Fee), die sich gegen den Verzehr von Billigfleisch entscheidet. Die Pointe: Sie isst nur Fleisch, das sie selbst geschossen hat. Die Laudatorin Kerstin Loehr mag an dieser „atmosphärisch dichten Geschichte“, dass sich der Autor weder anbiedere noch die Nase rümpfe. „Er fragt subtil und zeichnet ein spannendes Bild, das es wiederum erlaubt, sich ein eigenes Urteil zu bilden.“

Auf den ersten Platz in der „Print“-Kategorie wählte die Jury Bastian Rosenkranz, ebenfalls Volontär bei der „Westdeutschen Allgemeinen“. Er hat sich an ein Thema gewagt, das im Zuge der Corona-Pandemie für viele Menschen an Bedeutung gewonnen hat: Der Artikel „Der Engel aus dem Erdgeschoss“ berichtet darüber, inwiefern Nachbarschaftlichkeit im Zuge der Corona-Pandemie wieder an Bedeutung gewonnen hat. Als anschauliche, klug montierte Bearbeitung eines wichtigen Themas wurde der Beitrag in der Laudatio gewürdigt. Das Schlusswort des Artikels lässt Rosenkranz eine Essener Krankenschwester namens Claudia sprechen, die über die Plattform nebenan.de auf die Idee gekommen ist, Zeitschriften, Brillen und Kopfhörer für isolierte Nachbarn zu besorgen. „Es ist toll, was heutzutage alles möglich ist – man muss es nur machen.“

Gefragt sind „digitale Köpfe“

Gute Anregungen, darüber nachzudenken, was im Journalismus „heutzutage alles möglich ist“, gab es im zweiten Teil der von Henning Noske moderierten Preisverleihung. Mit dem dritten Preis in der „Multimedia“-Kategorie wurde Laura Lagershausen ausgezeichnet. Die Online-Redakteurin des „Hamburger Abendblatts“ hat sich um die Weiterentwicklung des Instagram-Nachrichtenformats „News des Tages“ verdient gemacht. Chefredakteur Christian Klose hob in seiner Lobrede hervor, wie zeitgemäß der Ansatz sei, auch auf Social-Media-Kanälen tagesaktuell und seriös zu berichten – und wie sehr die Wirtschaft im Allgemeinen, aber auch der Journalismus im Besonderen auf kreative, „digital denkende“ Köpfe angewiesen seien.

Der zweite Platz in dieser Kategorie ging an Tanja Reeve. Die Jungredakteurin in der Lokalredaktion Salzgitter unserer Zeitung überzeugte die Jury mit einem rätselhaften, sozusagen schrägen Thema: „Auf der Suche nach dem ,Mysterious Song‘“ beschreibt die halbernste, aber leidenschaftliche Suche einer beträchtlichen Zahl von Internet-Nutzern nach den Urhebern eines bestimmten Popsongs aus den 80er Jahren. Und schon wären wir beim Mehrwert des multimedialen Ansatzes, den die Laudatorin Katrin Schiebold hervorhob: Denn das Lied – das Rätsel ist übrigens noch immer nicht gelöst, wie die Preisträgerin verriet – nicht zur beschrieben zu bekommen, sondern auch gleich zu hören, ist in dieser Sache das Salz in der Suppe.

Amelie Marie Weber hat Erfolg bei TikTok

Die Siegerin in der Abteilung Multimedia heißt Amelie Marie Weber. Für die Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe in Berlin ist sie im Bereich Social Media tätig. Ihr Projekt, ihr „Baby“, wie sie das in ihren Dankesworten nannte, ist der Tik-Tok-Kanal „DuHastDieWahl“. In kurzen Erklärvideos erläuterte sie vor der Bundestagswahl einer besonders jungen Zielgruppe die Hintergründe unseres demokratischen Systems. Auch Interviews mit Spitzenpolitikern führte sie auf dieser Plattform, um das Verständnis für Politik bei Jungen zu wecken. Wobei die Laudatorin Claudia Strukmeier im Namen der schon ganz etwas Älteren sagte, dass auch die sich diese Videos durchaus mit Gewinn anschauen könnten.

Wie hatte Festredner Kilian zuvor über den Nutzen sozialer Medien, aber auch die Gefahren von Desinformation, Blödsinn, Schmähungen aller Art gesagt? Ja, auch er nutze gern LinkedIn, ihm sei aber klar, dass der Grat schmal ist. Vielleicht ist der Name des neuerdings preisgekrönten Projekts von Amelie Marie Weber auch diesbezüglich ein passendes Motto: Du hast die Wahl.