Braunschweig. Nicht immer waren Frauen bei der Braunschweiger Zeitung so vertreten wie heute. Luitgard Heissenberg spricht mit der ersten Redaktionsleiterin.

Doris Comes wird im Januar 1993 die erste weibliche Führungskraft in der Redaktion: Die damals 43-Jährige übernimmt die Leitung der Lokalredaktion Salzgitter, sie hat zuvor bereits Führungserfahrungen als stellvertretende Leiterin der Lokalredaktion Wolfenbüttel gesammelt. Der damalige Chefredakteur Arnold Rabbow will sicher gehen, dass seine Personalentscheidung richtig ist, und schickt Doris Comes zunächst zum Vorstellungsgespräch bei ihrem vieljährigen Vorgänger Klaus Karich. „Karich war die Salzgitter-Zeitung gewesen, eine Institution, seine Stimme hatte Gewicht, auch in der Chefredaktion. Herr Karich fragte mich, für welche Themen ich mich interessiere. Als ich da unter anderem Frauenthemen nannte, warnte er mich: ,Ich möchte nicht, dass die Redaktion Salzgitter so eine Emma-Redaktion wird‘.“

Die Salzgitter-Zeitung wurde nicht zur zweiten „Emma“

Die heute 71-Jährige hat den Check dennoch bestanden und sehr positive Erinnerungen an ihren Start: „In Salzgitter bin ich sehr gut aufgenommen worden und habe mich dort sehr wohl gefühlt. In der Redaktion gab es keinerlei Vorbehalte gegenüber mir als Frau. Es war ein sehr gutes Team.“ Im Rückblick ist sie besonders stolz darauf, dass sie für eine der Lokalredakteurinnen, die damals kleine Kinder hatte, eine halbe Stelle – die erste in der gesamten Redaktion - durchsetzen konnte. „Das war ein harter Kampf. Die Chefredaktion meinte lange, Journalismus könne man nicht in Teilzeit machen“, erinnert sie sich.

Sexismus war in den 1980er Jahren nicht überraschend

Doris Comes arbeitete seit 1980 für die Braunschweiger Zeitung. Begonnen hatte sie ein Jahr nach der Geburt ihres zweiten Kindes als Pauschalistin – so nennt man freiberufliche Journalisten, die für eine Redaktion regelmäßig tätig sind und ein Pauschalhonorar erhalten. Sie erinnert sich noch gut an ihre Gehaltsverhandlungen. „Ich habe gut gearbeitet und wollte irgendwann eine höhere Pauschale. Der damalige Geschäftsführer antwortete auf meine Forderung: ‚Warum denn? Sie haben doch einen gut verdienenden Ehemann‘.“

Die BZ wird in den 1990ern moderner

Die zweite Führungsfrau in der Redaktion werde ich, Luitgard Heissenberg. Im Sommer 1995 übernehme ich, damals 35 Jahre alt, die Lokalredaktion Braunschweig. Zuvor habe ich in Nordrhein-Westfalen bereits eine große Lokalredaktion geleitet und bringe von dort viele Ideen mit. Genau das erhofft sich der damalige Chefredakteur von mir: frischen Wind. Die BZ muss moderner werden, das weiß auch der konservative Arnold Rabbow. Ich habe lange in meinem Gedächtnis gekramt, ob ich mir in der Redaktion oder in der Stadt vorsintflutliche oder gar frauenfeindliche Bemerkungen anhören musste – mir ist nichts eingefallen.

Die Lokalredaktion Braunschweig ist schon damals zur Hälfte weiblich. Und wir Redakteurinnen schreiben selbstverständlich nicht nur über „Frauenthemen“, sondern decken die gesamte Themenpalette von Ratspolitik bis Kriminalität ab.

Braunkohlessen und Herrenabend-Stripperinnen

Es gibt zwei ärgerliche Ausnahmen, dort sind bzw. waren Reporterinnen – und Frauen überhaupt – verboten. Zum einen das alljährliche Braunkohlessen, zu dem ein großer Bauunternehmer ausschließlich hunderte Männer aus Führungsetagen einlud. Doch er nahm mich bald mit auf die Gästeliste – und dazu eine Top-Unternehmerin, mit der ich mich dort angefreundet habe. Wir beide haben zum Ausgleich eine „Führungsfrauenrunde“ gegründet, im Gegensatz zum Braunkohlessen gibt es die bis heute. Zweites Ärgernis ist bis heute für mich unsere zumeist opulente Berichterstattung über den Herrenabend des Technikervereins, wo sich Männer mit Eisbein und Bier die Mägen füllen und auch schon Stripperinnen aufgetreten sind. Was hat das in der Zeitung zu suchen? Doch da haben wir Frauen in der Redaktion uns nicht durchsetzen können.

Die Braunschweiger Zeitung ist spitze beim Frauenanteil

75 Jahre Braunschweiger Zeitung

Dieser Text ist Teil unseres großem Themenschwerpunktes zum 75-Jährigen Bestehen der Braunschweiger Zeitung.

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