Goslar. Noch vor den Ferien in Niedersachsen steigt die Zahl der Infektionen durch Reiserückkehrer. Kreis Goslar zählt die meisten Fälle in der Region.

Schon am 9. Juli veröffentlicht der Landkreis Goslar eine Pressemitteilung mit Zündstoff. Darin äußern sich Amtsarzt Stefan Posselt und Landrat Thomas Brych (SPD) zu dem örtlichen Infektionsgeschehen, das verstärkt die Einschleppung des Coronavirus durch Reiserückkehrer aufweist. Den Urlaub wolle man niemandem vermiesen, sagen sie. Aber Sorgen mache man sich schon – nicht nur darüber, dass zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit der Neuinfektionen in ihrem Kreis auf Aufenthalte auf Mallorca, dem spanischen Festland, der Dominikanischen Republik oder Tunesien zurückzuführen sind, sondern auch über mehr oder minder rücksichtsloses Verhalten der Infizierten. Darunter ist ein Schüler eines Goslarers Gymnasiums.

In der Mitteilung des Landkreises heißt es: „Leider hat es der Schüler nach positivem Corona-Selbsttest versäumt, die Schule und sämtliche seiner Kontakte darüber zu informieren. In der Zwischenzeit hat sich auch das Geschwisterkind, das ebenfalls das Gymnasium in einer anderen Jahrgangsstufe besucht, mit dem Virus infiziert. Aufgrund dessen musste das Gesundheitsamt auch hier für die direkten Kontaktpersonen Quarantäne anordnen. In über 50 weiteren Fällen sollen nun Corona-Tests für Klarheit sorgen. Für insgesamt 75 Schülerinnen und Schüler wurde Distanzunterricht angeordnet.“ Landrat Brych sprach da von einem „Warnschuss“, den man erhalten habe, der Sprecher des Kreises Maximilian Strache gegenüber unserer Zeitung „von einer notwendigen Sensibilisierung der Bevölkerung“, die man mit der Bekanntmachung erreichen wolle.

Die Erkenntnisse des RKI

Zuletzt hatte auch das Robert-Koch-Institut (RKI) darauf hingewiesen, dass sich die Zahl der Infektionen nach Auslandsaufenthalten auf „niedrigem Niveau“ erhöht habe. RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher erklärte gegenüber unserer Zeitung, dass sich zwischen Mitte Juni und der ersten Woche im Juli, also innerhalb von drei Wochen, bundesweit 1.495 Personen infiziert hätten, bei denen man von einer Ansteckung im Ausland ausgehen müsste. Das seien rund 7 Prozent aller in diesem Zeitraum registrierten Fälle gewesen.

Die Grafik zeigt, wie viele Neuinfektionen die Gesundheitsämter in den Kreisen und Städten in unserer Region durch Reiserückkehrer ermittelten, der Zeitraum: 1. Juli bis 15. Juli.
Die Grafik zeigt, wie viele Neuinfektionen die Gesundheitsämter in den Kreisen und Städten in unserer Region durch Reiserückkehrer ermittelten, der Zeitraum: 1. Juli bis 15. Juli. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

In einer Umfrage unter den Landkreisen und Städten in unserer Region zeigt sich vor den heute beginnenden Sommerferien in Niedersachsen ein sehr uneinheitliches Bild. So schwankt der prozentuale Anteil der Einträge durch Reiserückkehrer an der Gesamtzahl aller Fälle im Zeitraum zwischen dem 1. und 15. Juli zwischen 7,4 Prozent (Göttingen) und 63 Prozent (Goslar). Über den Grund der Reisen kann nur spekuliert werden, von den Behörden wurden dazu keine Angaben gemacht. Hier die Zahlen für die einzelnen Städte und Kreise in unserer Region nachfolgend im Überblick:

Braunschweig

In der Stadt Braunschweig ermittelte das Gesundheitsamt innerhalb des abgefragten Meldezeitraums in etwa 10 Prozent der Fälle Reiserückkehrer als Grund für eine Corona-Infektion. Insgesamt zählte die Stadt zwischen dem 1. Juli und dem 15. Juli 46 Neuinfizierte, 5 davon waren vorher im Ausland unterwegs gewesen – vier Personen waren in Spanien, eine Person reiste aus Polen wieder ein.

Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt Braunschweigs Sozialdezernentin Christine Arbogast, zugleich Leiterin des Corona-Krisenstabs: „Ich habe sehr großes Verständnis für das Bedürfnis nach Urlaub und Erholung. Gleichwohl habe ich die herzliche Bitte, dass sich insbesondere diejenigen, die aus Risikogebieten oder Virusvariantengebieten zurück kommen, an bestehende Vorgaben wie Quarantäne oder Testpflichten halten. Außerdem können alle Urlaubsrückkehrer durch reduziertes Kontaktverhalten dazu beitragen, dass sich die immer ansteckenderen Virusvarianten nicht so schnell ausbreiten.“ An diejenigen, die noch nicht geimpft sind, richtet sie den Appell, dies doch bald zu tun, denn impfen sei der „effektivste Beitrag zur Eindämmung der Pandemie“.

Wolfsburg

In der VW-Stadt haben sich ebenfalls fünf Menschen bei oder nach einer Reise angesteckt. So hat das dortige Gesundheitsamt Erkenntnis darüber, dass drei direkt Einreisende und zwei weitere Angehörige an Corona erkrankt sind. Die Zahl der insgesamt Neuinfizierten liegt nach Angaben der Stadtkommunikation für den Zeitraum 1. Juli bis 15. Juli bei 38. Die erkrankten Rückkehrer kamen aus Mexiko, den Niederlanden, Spanien, Belarus und Russland.

Wolfsburgs zuständige Stadträtin Monika Müller weist in dem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass sich die Corona-Lage grundsätzlich verändert habe. Sie sagt: „Corona-Infektionen betreffen inzwischen meist ungeimpfte Menschen jüngeren Alters und nicht mehr ältere oder vorerkrankte Menschen. Die Intensivstationen sind entsprechend weitgehend frei von Corona-Patienten und Patientinnen. Nachdem das Ziel aller Maßnahmen stets die Aufrechterhaltung unserer Gesundheitsversorgung war und diese gewährleistet ist, kann die Inzidenz nicht mehr der allein entscheidende Maßstab sein.“

Salzgitter

In der Stahlstadt, einstiger Hotspot Niedersachsens in den bisherigen Wellen der Pandemie, stellt sich das Problem „infizierter Reiserückkehrer“ laut Stadtsprecherin Simone Kessner aktuell nicht. Sie teilt auf Anfrage mit: „Von insgesamt 31 seit dem 1. Juli bestätigten Infektionsfällen waren drei Covid-19-Infektionen Personen zuzuordnen, die aus dem Ausland einreisten.“ Dabei betont Kessner, dass es sich um eine Momentaufnahme handele, „noch vor Beginn der Schulsommerferien“.

Die Kreise Gifhorn und Peine

Nach Angaben von Landrat Andreas Ebel erhöhte sich im Kreis Gifhorn zwischen dem 1. Juli und dem 15. Juli die Zahl der Infizierten insgesamt um 21. Fünf infizierte Personen reisten aus dem Ausland ein, was einem Prozentsatz von knapp 24 Prozent entspricht. Die positiv Getesteten hätten sich nach Angaben von Ebel zuletzt in Kirgistan, den Niederlanden und der Türkei aufgehalten.

Auch im Kreis Peine beträgt der Anteil der infizierten Rückkehrer am Gesamtaufkommen der Fälle etwa knapp ein Viertel, das Infektionsgeschehen lag aber auf einem überschaubaren Niveau. Der Kreis registrierte 13 Neuinfektionen, drei Personen davon gelten als Reiserückkehrer. Sie kamen aus Spanien sowie Russland.

Wolfenbüttel

Neben Goslar weist der Kreis Wolfenbüttel den höchsten Anteil infizierter Reiserückkehrer für diesen Zeitraum aus. Acht der 18 registrierten Neuinfektionen sind nachweislich aus dem Ausland eingetragen worden. Das sind rund 44 Prozent. Reiseziele waren zuvor Spanien, Frankreich und Tunesien.

Göttingen

Der Sprecher der Stadt Göttingen, Dominik Kimyon, bestätigt für Stadt und Kreis nur zwei gemeldete Corona-Infektionen durch Reiserückkehrer bei insgesamt 27 registrierten Fällen. Das ist mit 7,4 Prozent im abgefragten Zeitraum der niedrigste Wert aller Kommunen.

Landkreis Goslar

Der Kreis liefert auch weiter keine beruhigenderen Zahlen. Sprecher Strache übermittelt unserer Zeitung bis einschließlich 14. Juli (seit dem 1. Juli) insgesamt 11 Neuinfektionen. Sieben Fälle gehen direkt oder indirekt auf eine Auslandreise zurück. Das ergibt einen Wert von 63 Prozent. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt allerdings seit Wochen auf einem sehr niedrigen Niveau. Am Dienstag vermeldete das RKI einen Wert von 1,5, nur der Landkreis Friesland lag landesweit noch darunter. Das ist die gute Nachricht aus dem Vorharz.

Das sagt das Landesgesundheitsamt

Zur Anfrage unserer Zeitung erklärt am Dienstag der Sprecher der Behörde, Dr. Holger Scharlach: „Aktuell sehen wir auf einem insgesamt niedrigen Niveau wieder einen kontinuierlichen Anstieg der Fallzahlen in Niedersachsen. Von Infektionen betroffen sind jetzt überwiegend junge Erwachsene, insbesondere die Altersgruppe von 20 bis 29 Jahren. Vermehrt werden dem Landesgesundheitsamt in den letzten Tagen aus den Städten und Landkreisen auch Infektionsfälle bei Reiserückkehrern berichtet. Dies sind aktuell noch einzelne Ereignisse, die allerdings landesweit auftreten. Mit Blick auf die in dieser Woche beginnenden Sommerferien und die teilweise hohen Infektionszahlen in beliebten Urlaubsländern wie Spanien oder die Niederlande muss davon ausgegangen werden, dass diese in den kommenden Wochen zunehmen werden.“

Sprecher Scharlach weist zudem auf mögliche Verzögerungen bei der Datenübermittlung hin, da Gesundheitsämter den genauen Infektionsort einzeln nachrecherchieren müssten. Um herauszufinden, aus welchem Land der Infizierte eingereist sei, ergebe sich ein Mehraufwand für die Ämter.

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Während der Sommerferien in Niedersachsen werde man wieder verstärkt die Infektionsentwicklung durch Reiserückkehrer analysieren und wöchentlich die Zahlen aufbereiten, kündigt der Sprecher an. Erfahrungen habe man schon 2020 gesammelt. Insgesamt könnten bei dieser aktuell niedrigen Infektionslage die Gesundheitsämter vor Ort „die Kontaktnachverfolgung gewährleisten“. Die geltende Verordnung für Reiserückkehrer biete effektive Maßnahmen um Infektionsketten zu unterbrechen, hatte das Landesgesundheitsamt zuvor mit Blick auf die Situation im Landkreis Goslar erklärt.

Wichtige Corona-Regeln und Infos für die Region

Alle wichtigen Fragen und Antworten zu Corona in Niedersachsen gibt's hier . Welche Regeln zurzeit in Braunschweig gelten, erfahren Sie hier.

Die Corona-Lage in der Region

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