Braunschweig. Vor den Ferien in Niedersachsen steigen europaweit die Inzidenzen. Wer will da fliegen? Eine Stornierungswelle erleben regionale Reiseanbieter nicht.

In der nächsten Woche beginnen auch in unserer Region die Sommerferien. Lang ersehnt. Corona hat die sechswöchige Auszeit noch verlockender werden lassen. Während viele Norddeutsche schon unterwegs sind, fällt der Urlaubs-Startschuss für die Niedersachsen einen Monat später als in Hamburg, Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern.

Damit verändert sich allerdings auch die Ausgangslage für Reisen, insbesondere für die ins europäische Ausland. So steigen die Infektionszahlen dort seit Wochen an: Spanien, Frankreich, die Niederlande – alles gerngebuchte Reiseziele, die jetzt womöglich auf der Kippe stehen. Wie ist die Stimmungslage unter Reiseanbietern? Was hören sie von den Kunden? Wird jetzt massenhaft storniert? Wir haben uns stichprobenartig umgehört:

So sieht ein regionales Reiseunternehmen die Lage

Das Reiseunternehmen „Der Schmidt“ ist zwischen Harz und Heide einer der größten regionalen Anbieter bei Reisen ins europäische Ausland. So organisiert das Unternehmen auch Flüge, unter anderem ab Braunschweig, für die Kundschaft. Ein Schwerpunkt in diesem Jahr ist trotz Corona Griechenland, auch das vom Auswärtigen Amt mittlerweile als Hochinzidenzgebiet gelistete Zypern will das Wolfenbütteler Unternehmen anfliegen. „Der Schmidt“-Geschäftsführer Phillip Cantauw beruhigt die, die schon gebucht haben. „Unsere Flüge dorthin sind im Oktober und November geplant. Ich bin für diesen Herbst und auch mit Blick auf das nächste Jahr relativ tiefenentspannt, was die Durchführung dieser Reisen angeht“, sagt Cantauw im Gespräch mit unserer Zeitung.

„Impfungen helfen, Pandemie als kalkulierbares Lebensrisiko zu sehen“

Cantauw erklärt seinen Optimismus: Er habe den Eindruck, die Menschen empfänden – viel stärker als noch 2020 – den Urlaub in der Pandemie als kalkulierbares „Lebensrisiko“. Wer auf Reisen nicht verzichten möchte, bucht, wem das Risiko weiter zu groß sei, lässt es bleiben. Zudem spiele der Faktor, geimpft zu sein, eine wesentliche Rolle bei den Planungen. „Die Menschen sind entspannter.“

Dass zuletzt auch noch ganz Spanien, samt den Tourismusmagneten Balearen und Kanaren, zum Risikogebiet erklärt wurde, habe nicht zu einer Stornierungs- und Umbuchungswelle geführt. „Wir hatten zwar zuletzt nicht mehr den Buchungsansturm wie im Mai, sondern ein eher abflauendes Geschäft. Das ist aber ein normaler Vorgang. Wer diesen Sommer noch weg will, hat schon gebucht. Jetzt beginnt eher schon das Geschäft für den Herbst“, so Cantauw.

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In den Reisebüros bedürfe es weiter einer großen Aufklärung, sagt der Reisemanager. So sei es kein Zufall, dass die Bundesregierung sich entschieden habe, künftig keinen Unterschied mehr bei der Rückreise zwischen einem Risikogebiet und einem Nicht-Risikogebiet zu machen. Hintergrund sei, dass in Kürze die sich ausbreitende, leichter übertragbare Deltavariante auch in Deutschland für die Mehrheit der Neuinfektionen verantwortlich sein werde. „Damit wird Deutschland auch zum Risikogebiet.“

Lage in Zypern erklärbar

Selbst die Lage in Hochinzidenzgebieten wie in Zypern, ist für den Reisemanager erklärbar. In dem Fall wüsste man, warum sich die Corona-Zahlen zuletzt massiv verschlechtert hätten. „Junge Leute, Studenten und Schüler, haben sich bei Feiern angesteckt.“ Es gäbe laut Cantauw allerdings keine Hospitalisierung der Fälle, die Verläufe seien schwach. Er selbst sei zuletzt dort im Urlaub gewesen. „Hier ist der umgekehrte Effekt wie in Deutschland eingetreten. Während man in Deutschland viel Zeit draußen verbracht hat, sind die Menschen bei bis zu 35 Grad im Schatten in klimatisierte Räume geflüchtet und haben sich dort infiziert“, berichtet Cantauw. Die Insel ist klein, die Behörden wüssten, wer die Treiber seien.

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Für Hochinzidenzgebiete wie Zypern gilt für Reiserückkehrer: Erstens: Sie müssen einen negativen Corona-Test vor dem Betreten des Flugzeugs vorweisen. Zweitens: Wer noch nicht den vollständigen Impfschutz besitzt oder nicht als genesen gilt, erhält eine Quarantäne-Auflage, die fünf Tage nach Rückkehr nach Deutschland mit einem Freitest – im Gegensatz zum Virusvariantengebiet – beendet werden kann.

So bewerten inhabergeführte Reisebüros die Situation

Im Vergleich zum Vorjahr liefen die Buchungen sehr gut. „Wir hatten im Mai und Juni eine regelrechte Buchungswelle“, sagt Ilka Friedrich vom Reisebüro am Elm in Cremlingen. Das Interesse an kurzfristigen Reisen sei derzeit hoch. „Eine leichte Verunsicherung herrscht seit kurzem wegen Reisen nach Spanien. Wir haben da den Eindruck, dass einige Menschen bei der allgemeinen Berichterstattung den Überblick verloren haben“, beschreibt Friedrich die Situation. Storniert werde allerdings eher nicht. Der Wille zur Urlaubsreise sei oft stärker als die Verunsicherung.

Viele Kunden informierten sich auch extra wegen einer Einschätzung der Lage im Reisebüro, berichtet auch Osman Benzer vom gleichnamigen Reisebüro in Peine. Dadurch hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen höheren Aufwand bei der Kundenberatung. „Wir brauchen etwa 30 Minuten länger für Beratungsgespräche, da wir die Kunden über die Änderungen und Vorgaben vor Ort aufklären müssen“, sagt er. Denn ohne die Frage nach Impfstatus und den nötigten Tests gehe es derzeit kaum. „Viele Leute entscheiden sich daher eher für Urlaubsziele, die nicht so viel Aufwand für sie bedeuten. Die Renner: Griechenland, die Türkei und Spanien.“

Verbraucherschützerin: Informieren über Entwicklung auch im Urlaub

Auch Benzer hat die Erfahrung gemacht, dass trotz der Unsicherheit kaum eine Reise storniert wird. Individualreisen werden dabei seltener als Pauschalreisen gebucht. Denn hier werde alles über die Reiseveranstalter organisiert. „Im Notfall gibt es Ansprechpartner und Hilfestellungen.“ Ganz unbeschwert, wie in Vor-Corona-Zeiten, kann eine Urlaubsreise ins Ausland derzeit allerdings nicht sein. Reisende müssen sich vor Ort an die geltenden Corona-Regeln halten und mit leicht veränderten Bedingungen in Hotels und auf Kreuzfahrtschiffen rechnen. „Mitspielen ist da gefragt“, sagt Benzer.

Die Cremlingerin Friedrich weist Kunden immer wieder auf die Bereitschaft zu großer Flexibilität hin. „Denn es kann täglich zu Änderungen kommen.“ Wer jetzt buche, müsse die Empfehlungen der Bundesregierung und die des RKI im Auge behalten. „Doch mit einer entspannten und lockeren Einstellung kann das jeder schaffen“, ist Friedrich überzeugt.

Auch die niedersächsische Verbraucherzentrale empfiehlt, sich im Urlaub immer über laufende Entwicklungen zu informieren. Generell gelte jedoch: Die kostenlose Stornierung einer Reise im Vorfeld sei nur dann möglich, wenn das Reiseziel kurzfristig zum Virusvariantengebiet erklärt wird. In anderen Fällen trage der Kunde ein erhöhtes Risiko, auf den Kosten des Urlaubs sitzen zu bleiben, insbesondere, wenn es um keine Pauschalreise handele.

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So schätzt der Touristikkonzern Tui die Lage ein

Der größte deutsche Reiseanbieter, die Tui, bietet ihren Kunden einen „Flex“-Preis an. Dafür zahlen diese einmalig zusätzlich 39 Euro zur gebuchten Reise dazu. Damit könne der Kunde bis 14 Tage vorher ohne Angabe von Gründen umbuchen oder stornieren. Konzernsprecher Aage Dünhaupt erklärte gegenüber unserer Zeitung, das Angebot gelte weiter und werde oft genutzt. „Die Menschen möchten weiterhin verreisen und sind bei den Zielen auch entsprechend flexibel.“ Spanien sei trotz Einstufung als Risikogebiet weiter gefragt, ebenso wie seit Beginn der Saison Griechenland sowie die Türkei.

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