Braunschweig. Verband für Güterverkehr: Situation für Fahrer ist katastrophal. Gravierende Engpässe bei Supermärkten und Tankstellen bleiben aber aus.

Durch den starken Schneefall und die eisigen Temperaturen herrscht seit Tagen Chaos auf den Autobahnen im Norden. Für Lastwagenfahrer ist die Lage besonders kritisch. Da es an den Raststätten entlang der Autobahn 2 nicht genügend Parkplätze gibt, mussten die Fahrer in der Nacht zu Mittwoch auf dem Standstreifen übernachten.

Zwischen Braunschweig und Peine wurde über Nacht sogar ein Fahrstreifen gesperrt, weil Lkw-Fahrer dort ihre Fahrzeuge abgestellt hatten, wie die Polizeiinspektion Braunschweig bestätigt. „Mittlerweile ist die Fahrbahn aber wieder frei”, sagt Polizeisprecher Dirk Oppermann. Die Lkw-Fahrer wurden am Morgen geweckt und seien weitergefahren. Noch immer problematisch sei die Situation hingegen auf den Parkplätzen. Oppermann: „Es steht nur sehr wenig Platz zur Verfügung, weil der Schnee noch nicht geräumt werden konnte.”

Lkw-Fahrer mit Parkproblemen auf den Autobahnen

Die Situation sei katastrophal, sagt auch der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt. „Wenn die Fahrer nach acht oder neun Stunden Arbeitszeit nicht mal einen Parkplatz finden, geschweige denn sanitäre Anlagen vorfinden, ist das mehr als kritisch”, macht Engelhardt deutlich. Im Lkw gäbe es weder Waschmöglichkeiten noch eine Toilette.

Seit dem ersten Lockdown hätte sich die Situation für die Fahrer aber etwas verbessert. Die Raststätten-Restaurants hätten zwar nach wie vor geschlossen, böten aber Verpflegung zum Mitnehmen an. „Die Fahrer kriegen dort wenigstens etwas zu Essen.”

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Laut dem Verband fehlen mehr als 30.000 Parkplätze an deutschen Autobahnen. Neben dem Bau von neuen Parkplätzen müssten auch alternative Konzepte her, fordert Engelhardt. So bietet etwa die Braunschweiger Spedition Wandt Lkw-Fahrern an, ihre Fahrzeuge auf dem Betriebshof abzustellen. Über die Truck-Parking-App des Branchenverbandes könnten Fahrer einsehen, wo noch Plätze frei sind. Dass die Fahrer die Nacht derzeit notgedrungen auf dem Standstreifen verbringen, sei ein Zustand, den der GDL schon wegen der Verkehrssicherheit keinesfalls befürworte, stellt Engelhardt klar.

Große Verzögerungen vor allem an den Grenzen

Engpässe wegen des Wintereinbruchs gäbe es bisher nur in manchen Landesteilen. „Bisher führt es aber nicht flächendeckend zum Problem”, so der Sprecher des Branchenverbands. Sollte die derzeitige Wetterlage aber mehr als eine Woche anhalten, würden Verzögerungen in den Lieferketten wahrscheinlicher.

Das Logistikunternehmen Schnellecke mit Sitz in Wolfsburg etwa teilte mit, dass man durch die Wettervorhersagen und die Verkehrswarnungen teilweise Rücksprachen mit den Kunden hielt und manche Fahrer gar nicht erst losfahren ließ. „Zu Versorgungsengpässen bei unseren Kunden ist es nicht gekommen. In Abstimmung mit ihnen holen wir die Anfang der Woche ausgefallenen Fahrten nun nach”, sagte Sprecher Cersten Hellmich.

Weil außerdem viele Waren aus dem Ausland importiert werden, bereiteten den Fahrern auch die Einreiseregeln Probleme. „Das ist eine einzige Katastrophe”, sagt Engelhardt über die Situation an den Grenzen. Besonders Speditionen aus dem Ausland hätten häufig gar keinen Überblick über die Quarantänebestimmungen der einzelnen Bundesländer.

Ein Fahrer aus Brandenburg hätte zum Beispiel am Morgen seinen Lkw in Polen beladen sollen, erzählt Engelhardt. Die Grenzbeamten hätten ihm aber gesagt, dass er nur wieder nach Deutschland einreisen darf, wenn er ein negatives Corona-Testergebnis vorlegen kann. Wo der Test gemacht werden könne, wussten sie aber nicht. So würde der Warenverkehr weiter aufgehalten. Engelhardt kritisiert: „Der erste Lockdown hat uns sehr deutlich gezeigt, was passiert, wenn Klopapier und Nudeln plötzlich nicht mehr täglich verfügbar sind.” Aus diesen Erfahrungen solle man auch lernen.

Supermärkte aus der Region werden weiter beliefert

Ein Großteil der Supermarktregale ist derzeit aber gut gefüllt. Die meisten Lieferungen für die Braunschweiger Märkte von Edeka Görge kämen trotz der schlechten Wetterverhältnisse pünktlich an, sagt Verkaufsleiter Marco Weiße. Bei den frischen Lebensmitteln gab es glücklicherweise keine Verzögerungen. Verderbliche Produkte wie Fleisch, Milch, Obst und Gemüse seien alle wie gewohnt geliefert worden.

Eine Frau trägt bei ihrem Einkauf in einem Supermarkt eine FFP2-Schutzmaske. Bei einigen Supermärkten kommen Lieferungen verzögert an, die Marktleiter beruhigen jedoch ihre Kunden: Keiner muss Angst vor Engpässen haben. (Symbolbild)
Eine Frau trägt bei ihrem Einkauf in einem Supermarkt eine FFP2-Schutzmaske. Bei einigen Supermärkten kommen Lieferungen verzögert an, die Marktleiter beruhigen jedoch ihre Kunden: Keiner muss Angst vor Engpässen haben. (Symbolbild) © dpa | Sven Hoppe

Nur das Regal mit den Backwaren sei derzeit nicht so vielfältig bestückt wie sonst: „Es gibt Probleme mit den Zulieferern der Großbäckerei Harry, deshalb bekommen wir derzeit nicht alle Brotsorten“, so Weiße. Der Braunschweiger Verkaufsleiter geht aber davon aus, dass sich die Situation bis zum Ende der Woche wieder einpendelt.

Dem schließt sich auch ein Gros der Supermarktleiter aus der Region an, wie eine kleine Rundfrage unserer Redaktion ergab. Volker Jonuscheit, Chef eines Rewe-Marktes in Gifhorn, sagt, dass die wetterbedingten Komplettausfälle überschaubar seien und keine Produkte im Speziellen träfen. Es gebe nur versetzte Lieferzeiten oder Verspätungen durch den Schnee. „Im Großen und Ganzen ist alles in Ordnung, unsere Kunden brauchen da keine Angst zu haben“, fasst Marktleiter Tim Plöger aus Goslar zusammen – und fügt augenzwinkernd an, dass Toilettenpapier noch reichlich vorhanden sei.

Ähnlich äußern sich auch andere Supermarktketten, so etwa Aldi-Nord-Sprecher Christian Salmen: „Die Wetterlage hat auch uns in den vergangenen Tagen vor Herausforderungen gestellt.” Trotzdem sei die Versorgung in den Märkten sichergestellt. Von regionalen Lieferengpässen sei auch in den Lidl-Märkten nichts zu merken – laut Sprecherin Isabel Lehmann konnten sich die Discounter aufgrund der Wettervorhersage gut auf die aktuelle Situation einstellen.

Tankstellen teils nicht ansteuerbar

Auch bei Tankstellen fiel die Routinebelieferung mit Benzin- und Dieselsorten in Niedersachsen wegen des Winterwetters zuletzt lückenhaft aus, sagt Alexander von Gersdorff. Er ist Sprecher des Mineralölverbandes. „Einzelne Tankstellen waren wegen des heftigen Schnellfalls und der Kälte in den vergangenen Tagen zwischenzeitlich nicht ansteuerbar. Dies lag vor allem daran, dass die Straßen noch nicht geräumt werden konnten oder die Luken der Bodentanks zugeschneit beziehungsweise vereist waren.“

Die Branche sei aktuell dabei, noch bestehende Lieferengpässe zu beheben – in vielen Fällen sei dies bereits geschehen. In einigen Tagen sollte daher wieder Normalität einziehen, so von Gersdorff. Sollten die starken Schneefälle wiederaufleben, könnte es jedoch abermals zu verzögerten Lieferungen kommen. Einen Vorteil hätten die Tankstellen gegenüber den Supermärkten allerdings: „Benzin und Diesel haben – anders als Lebensmittel – kein Verfallsdatum.“ Auch die Produktion und Verteilung von Kraftstoffen via Raffinerien und Tanklager verlaufe trotz Kälte im üblichen Umfang. In der überwiegenden Zahl hatten die Stationen zudem bei manchen Leerständen Alternativen parat: Wenn Benzin der Sorte Super E5 nicht mehr verfügbar war, dann beispielsweise Super E10.

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