Braunschweig. Das Braunschweiger Thünen-Institut berät die Bundespolitik in Sachen Landwirtschaft und Klimaschutz – ohne Angst, ihr auf die Nerven zu gehen.

Ein politiknahes Forschungsinstitut: Diese Selbstbeschreibung des Thünen-Instituts weckt wohl nicht nur in den Ohren überkritischer Zeitgenossen Skepsis. Sie klingt, als wäre es mit der Freiheit der Thünen-Wissenschaftler nicht weit her. Stimmt aber nicht, sagt Michael Welling, Pressesprecher des gigantischen „Bundesforschungsinstituts für Ländliche Räume, Wald und Fischerei“ mit Hauptsitz in Braunschweig: „Wir sind keineswegs die verlängerte Werkbank von Frau Klöckner. Wir sind unabhängig in der Wahl unserer Methoden und arbeiten völlig transparent.“ Auch wenn die Politikberatung zu den Aufgaben des Instituts zählt – klare Empfehlungen geben die Wissenschaftler weniger ab. Vielmehr stellen sie den Politikern Alternativen und ihre Folgen vor. „Politiknah“ heißt hier also: Forschen, damit andere entscheiden können, also politik-relevant.

Thünen liefert, aber die Politik entscheidet

Auch Axel Don hat mit dieser politiknahen Funktion schon Erfahrungen gesammelt. „Natürlich ist es manchmal frustrierend, wenn unsere wissenschaftlichen Ratschläge nicht aufgegriffen werden“, sagt der jugendlich wirkende 43-jährige Bodenökologe. Aber er hat auch Verständnis für die Rollenverteilung: „Anders als wir Forscher muss sich die Politik mit den Lobbys auseinandersetzen und die getroffenen Entscheidungen letztlich verantworten.“ Dass sich die Bundesregierung Einrichtungen wie das Thünen-Institut leiste und nicht in deren Forschung „hineingrätsche“, findet er anerkennenswert.

120.000 Bodenproben von 3100 Orten

Als Forscher beschäftigt sich Don, stellvertretender Leiter des Fachinstituts für Agrarklimaschutz, mit dem Humusgehalt landwirtschaftlich genutzter Böden. In einem mehrjährigen Mammutprojekt, der

Das Torgebäude zum Thünen-Gelände an der Bundesallee in Braunschweig.
Das Torgebäude zum Thünen-Gelände an der Bundesallee in Braunschweig. © Thünen-Institut | Foto: Michael Welling

sogenannten „Bodenzustandserhebung Landwirtschaft“ hat er zusammen mit Kolleginnen und Kollegen Bodenproben von rund 3100 Orten in der ganzen Bundesrepublik untersucht. Das Ziel war, zu erfassen, wie viel fruchtbaren Humus – und damit Kohlenstoff – die Felder, Weiden und Wiesen speichern und wie dies mit der Bewirtschaftung der Flächen zusammenhängt. Der Kohlenstoffgehalt zeigt an, wieviel Kohlendioxid die Böden gebunden haben – ein entscheidender Faktor für die landwirtschaftliche Klimabilanz.

„Zum einen waren wir überrascht, wieviel Humus die landwirtschaftlichen Böden speichern“, berichtet Don ein Ergebnis der Studie. Deutschlandweit enthielten die landwirtschaftlichen Flächen umgerechnet rund 2,5 Milliarden Tonnen Kohlenstoff – mehr als in allen deutschen Wäldern gespeichert sei. Die Zahl entspreche dem 20-Fachen des jährlichen CO-Ausstoßes Deutschlands. „Das zeigt aber auch die riesige Verantwortung der Landwirtschaft, diese Speicherkapazität zu erhalten und zu mehren“, sagt er.

Äcker speichern immer weniger CO2

Momentan weise der Trend jedoch in die entgegengesetzte Richtung: „Auf Ackerland verlieren wir unseren Modellen zufolge leicht an Humus“, erklärt er. Auf Grünland immerhin sei der Humusgehalt stabil. „Deswegen ist es politisch wichtig, dass wir Grünland erhalten und nicht umbrechen.“ Seine Arbeit trage zumindest ein Stück weit zum Klimaschutz bei, hofft Don: „Ich denke, durch unsere Forschung haben wir einen gewissen politischen Druck in die richtige Richtung aufgebaut.“ Noch ist die Landwirtschaft in Deutschland allerdings für rund 12 Prozent der Klimagas-Emissionen zuständig.

Dazu, dass Entscheidungsträger an den Forschungsergebnissen des Thünen-Instituts kaum vorbeikommen, trägt auch die interdisziplinäre Ausrichtung des Instituts bei. „Nicht immer haben die Ökologen bei uns zwangsläufig das letzte Wort“, erklärt Thünen-Sprecher Welling. „Etwa fragen unsere Ökonomen bei konkreten Lösungsvorschlägen stets auch: Unter welchen Bedingungen ist das wirtschaftlich überhaupt rentabel?“ Die Antwort könne im Einzelfall schmerzhaft sein, sorge aber letztlich für belastbare Ergebnisse.

Auf einen Blick: Landwirtschaftliche Forschung an der Bundesallee

Das Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, wurde 2008 als Bundesforschungsinstitut im Bereich des Bundeslandwirtschaftsministeriums aus drei Vorgängerinstitutionen, darunter die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL) gegründet. Es hat rund 1000 Mitarbeiter.

Der Hauptsitz des Instituts ist Braunschweig. Auf dem Gelände zwischen Lamme und Watenbüttel sind sechs der 14 Thünen-Fachinstitute angesiedelt.

Auf dem Areal an der Bundesallee sind noch weitere Forschungseinrichtungen zur Landwirtschaft ansässig: Die Zentrale des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das Institut für Tierernährung des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI), das Institut für Pflanzenbau und Bodenkunde des Julius-Kühn-Instituts (JKI) sowie die agrarmeteorologische Abteilung des Deutschen Wetterdienstes (DWD).