Braunschweig. Das Julius-Kühn-Institut sieht sich in der Vermittlerrolle zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft.

Während sich die Thünen-Forscher bei ihren Studien oft auf Daten, Rechenmodelle und Computer stützen, geht es am Julius-Kühn-Institut (JKI) deutlich handfester zu. „Wir sind Phytopathologen – also Pflanzenärzte“, erklärt Stefanie Hahn, Sprecherin des JKI. „Aufgaben der Pflanzenheilkunde machen einen großen Teil unserer Forschung aus, die sehr anwendungsnah ist.“ Hinter den Institutsgebäuden am Messeweg in Braunschweigs Osten, zwischen denen Institutsmitarbeiter mit Traktoren hindurchknattern, erstrecken sich mehrere Versuchsfelder. In der Nachbarschaft der Ackerflächen summt es kräftig. Unter einem Regendach stehen zahlreiche Kisten mit Bienenvölkern.

Die Süßlupine muss fit gemacht werden

Ein Weiter-So in der Ackerwirtschaft könne es nicht geben, sagt die Diplom-Biologin Hahn. Der Klimawandel sei nur einer der Gründe hierfür. Es gehe um den Schutz der Pflanzen und die allgemeine Frage: „Wie können Landwirte in Zukunft weiter mit ihren Flächen Geld verdienen?“ Etwa widmet sich das JKI der Erforschung neuer Getreidearten, die unempfindlich gegen Trockenstress sind. Wieder für den Acker „fit“ gemacht werden soll die Süßlupine. Um langfristig importiertes Soja als Vieh-Kraftfutter zu ersetzen und die Fruchtfolge zu bereichern, muss der heimische Eiweißlieferant aber resistent gegen Pilzerkrankungen gemacht werden – vom JKI.

Was das JKI erforsche, werde von der Politik vorgegeben, erklärt Hahns Kollege Johannes Kaufmann. Bei der wissenschaftlichen Umsetzung seien die Forscher jedoch frei. „Was dabei herauskommt, passt der Politik nicht immer in den Kram“, erklärt er selbstbewusst. Das gelte etwa für die Chancen und Möglichkeiten der Gentechnik.

JKI: Politikberatung und behördliche Aufgaben

Neben der wissenschaftlichen Politikberatung hat das JKI auch Aufgaben als Behörde. Zu den wichtigsten zählen die Prüfung der Wirksamkeit von Pflanzenschutzmitteln – insbesondere die Bewertung von Risiken für bestäubende Insekten wie Wildbienen – aber auch die Testung von Landmaschinen, die zum Spritzen der Pflanzen eingesetzt werden.

Lena Ulber (38) ist seit 10 Jahren am Institut für Pflanzenschutz in Ackerbau und Grünland des JKI angestellt. Die promovierte Agrarwissenschaftlerin arbeitet mit an „MonViA“, einem großen Verbundprojekt zum Thema Artenvielfalt in Agrarlandschaften. Diese geht erkennbar zurück – eine Folge der landwirtschaftlichen Nutzung. Aber wie sehen die Wechselwirkungen genau aus? Um den Zusammenhang zwischen Bewirtschaftung und Artenvielfalt zu erforschen, ist es nötig, sich ein sorgfältiges Bild zu machen. Die JKI-Forscherin tut genau dies – für „Unkräuter“. Unkräuter? „Tatsächlich haben wir darüber diskutiert, ob wir nicht lieber das Wort Wildkräuter verwenden sollten“, berichtet Ulber. „Aber da wir vor allem mit Landwirten und Agrar-Beratern zu tun haben, haben wir uns so entschieden“, erklärt Ulber. Letztlich handele es sich um eine Frage der Perspektive.

Wie groß ist die Vielfalt auf unseren Äckern?

Agrarwissenschaftlerin Lena Ulber zeigt, wie sie mit dem „Göttinger Zähl- und Schätzrahmen“ den Unkrautbewuchs erfasst.
Agrarwissenschaftlerin Lena Ulber zeigt, wie sie mit dem „Göttinger Zähl- und Schätzrahmen“ den Unkrautbewuchs erfasst. © BZV | Andreas Eberhard

Ulber arbeitet an Methoden, mit denen Hilfe Landwirte ohne großen Aufwand effizient und genau die biologische Vielfalt auf ihrem Acker erfassen können. Hierfür arbeiten sie und ihr Team mit Betrieben im Großraum Braunschweig, Gifhorn, Goslar und Wolfsburg zusammen. Eine Methode, die vielleicht eines Tages zum Standard in der Landwirtschaft werden könnte , führt sie auf einem Zuckerrübenfeld des JKI vor. Zum Einsatz kommt der „Göttinger Zähl- und Schätzrahmen“, das Hauptwerkzeug der Herbologen, wie Ulber erklärt. An einer zufälligen Stelle rammt sie den Metallstab mit dem in mehrere Felder unterteilten Drahtrahmen in die Ackerkrume. Dann zählt sie die Wildkräuter: „Zwei mal Ackerfuchsschwanz, ein mal Windenknöterich. Deckung circa 30 Prozent.“ Den weißen Gänsefuß, das „Leitunkraut in Zuckerrübenkulturen“, das überall auf dem Versuchsacker hervorsprießt, hat die Unkrautforscherin mit ihrem Rahmen knapp verfehlt. Deswegen misst sie an mehreren Stellen. Am Ende soll ein möglichst repräsentatives Ergebnis stehen.

Je mehr man wisse, umso besser werde man die Artenvielfalt steigern, bestimmte Arten fördern, andere – schädliche oder giftige – unterdrücken können. Aber Ulber weiß auch: „Viele Landwirte sind extrem zurückhaltend, wenn es darum geht, höhere Unkrautdichten zu tolerieren“, sagt Ulber. „Der Dialog, den wir mit ihnen führen, ist extrem wichtig. Wir spielen hier auch eine Vermittlerrolle für die gesellschaftlichen Ansprüche.“ Zwar sei auch die Landwirtschaft an Artenvielfalt interessiert, berichtet Ulber. „Aber beides gleichzeitig – optimale Ernten und maximale Artenvielfalt – wird nicht gehen. Wie man beide Anliegen in Einklang bringen kann, wird vor allem von der Finanzierung abhängen.“