Braunschweig. Die Kassenärztliche Vereinigung will mit einem Corona-Mobil die Verdachtsfälle isolieren. Sie fürchtet Praxisschließungen. Die Einsatzzahl steigt.

Vor einer Woche startete die Bezirksstelle Braunschweig der Kassenärztlichen Vereinigung (KVN) ihren mobilen Einsatz gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Die Einsatzzahlen des Corona-Mobils zeigen: Die Verdachtsfälle steigen auch in unserer Region parallel zur Zahl der Infizierten. „Wir sind mit zehn Einsatzfahrten am Anfang der Woche gestartet und liegen jetzt bei rund 50 Patienten am Tag, die wir aufsuchen, um einen Test auf Sars-CoV-2 zu machen“, sagte der regionale KVN-Geschäftsführer Stefan Hofmann unserer Zeitung.

Mittlerweile seien laut KVN zwei Fahrzeuge im Dauereinsatz, eines im Stadtgebiet Braunschweig und eines, das im Umland pendelt. „Wir sind also auch in Gifhorn, Peine, Salzgitter, Helmstedt, Goslar, Wolfsburg und Wolfenbüttel unterwegs, wenn wir über Verdachtsfälle informiert werden.“

„Reihenfolge folgt der medizinischen Dringlichkeit“

Im Fahrdienst seien derzeit Ärzte aus dem Bezirk, die freiwillig und zusätzlich zu den Terminen in ihrer Praxis arbeiten würden. Die Reihenfolge der Anfahrt folge der zuvor ermittelten medizinischen Dringlichkeit und nicht dem Meldezeitpunkt, erklärt Hofmann. Bei den meisten Patienten sei der Verlauf leicht.

Als „bedenkliche Entwicklung“ bewertet Hofmann, dass die Zahl der Wünsche der Bürger nach einem Testabstrich bei weitem die der realisierten Hausbesuche übersteigt. In vielen Fällen klagten Menschen über ein unbestimmtes Unwohlsein oder über leichte Erkältungssymptome. „Das hat oft nichts mit dem Coronavirus zu tun.“ Die jetzt schon extrem belasteten Praxen drohten, mit Blick auf die Herausforderungen durch Corona zu kollabieren. Hofmann fordert deshalb in begründeten Fällen: „Bleiben Sie zu Hause! Rufen Sie beim Arzt an und gehen Sie nicht in die Praxis!“

KVN fürchtet Praxisschließungen

Mit dem Einsatz des Corona-Mobils wolle die Kassenärztliche Vereinigung die niedergelassenen Ärzte entlasten und verhindern, dass sich Verdachtsfälle auf den Weg zum Arzt machen. „Es ist noch nicht jedem klar geworden, dass er damit Menschen, die auf den Zugang zu Arztpraxen angewiesen sind, gefährdet, sollten diese wegen eines Corona-Falls schließen müssen.“ Der eingeschlagene Weg der konsequenten Isolation der Verdachtsfälle sei der sicherste, die Schwächsten in der Gesellschaft zu schützen. Für diesen Personenkreis müssten auch weiter in Deutschland genügend Krankenhausbetten auf Quarantänestationen zur Verfügung stehen, sagt Hoffmann. „Katastrophal wäre es aber auch, wenn Kardiologen und Onkologen ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen könnten. Wenn dort Menschen, die auf die Behandlung durch den Facharzt angewiesen sind, nicht medizinisch versorgt werden können.“ Genauso falsch sei es, statt den Hausarzt, die Notfallaufnahmen der Krankenhäuser in Beschlag zu nehmen.

Auch Ärzte im vom Landkreis Peine und dem dortigen Gesundheitsamt errichteten Corona-Testzentrum berichteten gegenüber unserer Zeitung von Fällen, die sie als grenzwertig empfanden. So hatte sich in Peine eine Frau im Testzentrum zu einem Rachen-Abstrich gemeldet, weil sie im Vorfeld eines Nepal-Urlaubs sicher gehen wollte, nicht das Virus in sich zu tragen.

Telefonische Einschätzung des Hausarztes entscheidend

Hofmann erläutert das vom RKI entwickelte Verfahren bei Verdachtsfällen. Das Ziel sei, das Virus einzudämmen, den Verbreitungsverlauf transparent zu halten und die Zahl der Infektionen auf einen möglichst langen Zeitraum zu strecken.

So komme der Erstanamnese der Hausärzte die entscheidende Rolle zu. „Wenn jemand sagt, er sei in den Niederlanden gewesen, habe dort in einem chinesischen Restaurant gegessen und fühle sich seitdem unwohl, ist der Anruf vermutlich zu vernachlässigen. Anders liegt der Fall, wenn jemand mit 39 Grad Fieber aus Südtirol zurückkommt, dann muss entweder die empfohlene häusliche Isolation durch den Hausarzt oder die vom Gesundheitsamt verhängte Quarantäne folgen.“

Die wichtigsten Informationen halte das RKI auf seiner Internetseite parat, beispielsweise die über die Risikogebiete. „Die ändern sich mittlerweile täglich, werden erweitert oder zurückgefahren.“ Bestätige sich ein Verdachtsfall in der Region würde sofort das zuständige Gesundheitsamt informiert, das über weitere Maßnahmen entscheiden müsse.

Coronavirus in der Region – hier finden Sie alle Informationen

Mit dem in Braunschweig aufgebauten Testzentrum sei laut Hofmann ein zusätzliches „Backoffice“ aufgebaut worden. Dieses teste zwar aktuell noch keine Personen auf das Virus. Es unterstütze aber als logistisches Zentrum das Corona-Mobil auf der Straße. „Es werden Daten zentral erfasst, koordiniert wieviel Schutzkleidung für Ärzte in welchem Gebiet benötigt wird und Proben gesammelt, die dann in die Labore geschickt werden.“ Man sei bei steigenden Infektionszahlen darauf eingestellt, weitere „Kapazitäten dazu zuschalten“, sagt Hofmann. Dazu zählte die Bereitschaltung weiterer Fahrzeuge.

Die KVN vertritt in unserer Region nach eigenen Angaben 2500 niedergelassene Ärzte, die pro Praxis rund 1000 Patienten versorgen würden.