Braunschweig. Rinderhaltung sorgt für den Ausstoß des Klimagases Methan. Laut Experten gibt es aber durchaus Stellschrauben.

Es wäre schön, wenn gezeigt werden würde, dass die Ernährung ohne Tier-„Produkte“ die klimaschonendste ist.

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Zum Thema recherchierte Andreas Eberhard

Als die Zeitschrift „Öko-Test“ im Frühjahr 2019 die „größten Klimasünden beim Essen“ benannte, überraschte viele, dass die Liste der klimaschädlichen Lebensmittel ausgerechnet von der Butter angeführt wurde. Um ein Kilogramm Butter zu erzeugen, werden Klimagase freigesetzt, deren Wirkung der von rund 24 Kilogramm Kohlendioxid entspricht. Damit erreicht das wohlschmeckende Streichfett ähnlich hohe Klima-Werte wie Rindfleisch.

18 Liter Milch für ein Kilo Butter

Die Erklärung ist einfach: Laut dem Milchindustrie-Verband benötigt man für die Produktion eines Kilogramms Butter 18 Liter Milch. Und die hierfür notwendigen Kühe produzieren das klimaschädliche Methan (CH4). Das Gas ist etwa 23 mal treibhauswirksamer als Kohlendioxid (CO2). Zwar produzieren es auch andere Wiederkäuer – Schafe, Ziegen, Rehe und Kamele – beim Verdauen, die Hauptrolle aber spielen klar die Rinder. Wie das Umweltbundesamt in seiner Broschüre „Umwelt, Haushalte und Konsum“ schreibt, sind die Methan-Emissionen der Wiederkäuer fast vollständig auf Rinder zurückzuführen.

Methan – Nebenprodukt der Wiederkäuer-Verdauung

„Das Methan ist das unvermeidbare Nebenprodukt der Verdauung im Pansen der Wiederkäuer“, erklärt Professor Gerhard Flachowsky, ehemaliger Leiter des Instituts für Tierernährung am Friedrich-Löffler-Institut in Braunschweig. Das Wiederkäuen erlaube es den Rindern, auch sogenannte Rohfasern von Pflanzen zu verdauen. „Die Zellulose und Hemizellulose werden im Pansen mithilfe vom Mikroorganismen zu verwertbaren Fettsäuren abgebaut.“ Hierbei entsteht das Methan, das die Tiere durch Ausrülpsen – den sogenannten Ruktus – an die Atmosphäre abgegeben.

Flachowsky: Imageschaden durch FAO-Studie

Trotzdem bedauert Flachowsky, dass die Rinderhaltung im Zuge der Klimadebatte allgemein stark unter Beschuss geraten ist. Den Auslöser für das schlechte Image sieht der 75-Jährige in einer 2006 veröffentlichten Studie der Ernährungs- und Landwirtschafts-Organisation der Vereinten Nationen (FAO). Deren Titel: „Der lange Schatten des Viehs“. In dem Dokument hieß es, die Viehwirtschaft sei für 18 Prozent des weltweiten Klimagas-Ausstoßes, umgerechnet in CO2-Äquivalente, verantwortlich. Heute dagegen sei unter Fachleuten weithin anerkannt, dass die tatsächliche Zahl nur etwa halb so groß sei. „Die damalige Studie basierte auf der sogenannten Feedlot-Haltung in den USA. Das wurde einfach hochgerechnet.“ Dabei, so der Viehspezialist, sei diese auf extreme Effizienz getrimmte Haltungsform keineswegs auf den gesamten Rest der Welt übertragbar.

Milchkühe stoßen mehr Methan aus als Mastrinder

Diese Treibhausgas-Emissionen verursacht unsere Ernährung.
Diese Treibhausgas-Emissionen verursacht unsere Ernährung. © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Unter den Rindern sind Milchkühe laut Umweltbundesamt die bedeutendsten Methan-Emittenten. Das erklärt, warum das Rindfleisch in der „Öko-Test“-Rangliste der Lebensmittel nach Treibhausgas-Ausstoß erst auf Platz zwei landet. Hier bewegen sich die Emissionen laut Umweltbundesamt zwischen sieben und 28 Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalenten. Die genaue Höhe, hänge davon ab, wie die Tiere gefüttert würden und wieviel Zeit sie im Stall oder auf der Weide verbringen, so die Behörde.

Stallhaltung und Kraftfutter

„Die Stallhaltung hat sich leider als die kostengünstigste Form durchgesetzt“, sagt Gerhard Flachowsky. Vor allem Mastrinder, aber auch Milchkühe würden im Stall gehalten. Hier werde neben Mais- und Grassilage auch proteinreiches Kraftfutter verfüttert. Dieses kann aus Getreidekleie, aus Raps- oder Soja-Extraktionsschrot bestehen – letztere sind sogenannte Koppelprodukte der Ölherstellung aus den Pflanzenrohstoffen.

Umweltschonendere Weidehaltung

Bei Weidehaltung sieht die Klimabilanz schon besser aus: Das liegt nicht nur daran, dass das Grasen Soja-Kraftfutter ersetzt. Positiv wirkt sich auch die Grünland-Pflege aus. Wie Dr. Michael Welling, Sprecher des Thünen-Instituts in Braunschweig, erklärt, speichern die Weideflächen CO2. Außerdem leiste Weideland, anders als Äcker, einen Beitrag zur Biodiversität.

„Das Klima ist eine globale Aufgabe“

Flachowsky sieht das Hauptproblem darin, dass der Großteil der Fleischkunden immer noch in erster Linie auf den Preis schauten und billigen Produkten den Vorzug gäben. Welling sieht das ähnlich: „Die wichtigste Stellschraube, an der wir jetzt drehen müssen, ist der Verbrauch.“ Wenig hilfreich seien aber Maßnahmen, die dazu führten, dass die Produktion nur ins Ausland verlagert werde. „Das führt am Thema vorbei und hilft dem Klima nicht. Klimapolitik ist ein globale Aufgabe.“

Eiweißlieferanten: Raps oder Soja?

Auf den Preis schauen allerdings auch die Landwirte. Ob in den Ställen Kraftfutter aus Import-Soja, das meist unter wenig nachhaltigen Bedingungen in Nord- und Südamerika angebaut wird, oder aus heimischem Raps verfüttert werde, hänge in vielen Betrieben vom jeweils gerade herrschenden Marktpreis ab, erklärt Flachowsky. Bei Kühen, die 20 Liter am Tag geben, komme man noch ohne Soja zurecht. „Hochleistungstiere“ lieferten allerdings 35 Liter am Tag. Zwar sei es mittlerweile „gängige Praxis“, Soja durch Raps zu ersetzen, aber dort, wo hohe Leistungen erzielt werden, sei es nach wie vor üblich, auf Soja-Futter zu setzen.

Das Lieblingsfleisch der Deutschen: Schwein

Von allen Fleischsorten belastet die Erzeugung von Rindfleisch das Klima am meisten. Setzt man einen mittleren Wert von 14 Kilogramm CO2-Äquivalenten an, so ist der Klima-Fußabdruck von Rindfleisch etwa viermal größer als der von Schweinefleisch oder Geflügel. Das Lieblingsfleisch der Deutschen stammt vom Schwein. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium verzehrte jeder Einwohner Deutschlands 2018 im Schnitt 9,7 Kilogramm Rind, 35,7 Kilogramm Schwein, 13,2 Kilogramm Geflügel sowie insgesamt 1,6 Kilogramm Fleisch von Schafen, Ziegen, Pferden, Wild und Innereien.

Als „Klimakiller Nummer drei“ nennt „Öko-Test“ die Milchprodukte Käse und Sahne, bei deren Herstellung jeweils rund 8 Kilogramm CO2-Äquivalente freigesetzt würden. Die Erklärung ist dieselbe wie bei der Butter: Wiederum werden große Mengen Milch benötigt. Laut „Öko-Test“ gilt die Faustregel: Je mehr Fett ein Milchprodukt enthalte, umso mehr Milch werde dafür benötigt, und umso schlechter sei es für die Umwelt.

Hoher Energieaufwand: Tiefkühlprodukte

Auf Platz vier listet „Öko-Test“ Tiefkühl-Pommes – allerdings nicht wegen deren Grundzutat Kartoffeln. Die Bilanz von Linda, Sieglinde, Cilena und Konsorten ist laut Umweltbundesamt nicht schlecht: Nur rund 0,2 Kilogramm CO2-Äquivalenten verursacht die Produktion von einem Kilogramm laut der Behörde. Auf den Wert von 5,7 Kilogramm kommt das Verbrauchermagazin wegen der Herstellung und Lieferkette: „Werden Kartoffeln zu Pommes weiterverarbeitet, getrocknet, frittiert und tiefgekühlt, wird viel Energie benötigt.“ deshalb sei Trockenpulver für Kartoffelbrei (3,8 Kilogramm CO2-Äquivalente) ebenfalls „schlecht fürs Klima“. Die Begründung der Öko-Tester zeigt: Die Tiefkühl-Pommes stehen in ihrer Liste auch stellvertretend für andere energieaufwendig weiterverarbeitete, über weite Strecken transportierte oder tiefgekühlte Produkte.

Schokolade belegt Rang fünf der Liste klimaschädlicher Lebensmittel. Für ein Kilo der Süßigkeit legen die Autoren 3,5 Kilogramm CO2-Äquivalenten zugrunde – eine Zahl, die der britische Schokoladen-Hersteller Cadbury 2008 selbst genannt hat. Für die Herstellung eines Kilogramms Schokolade werden laut „Öko-Test“ außerdem bis zu 10.000 Liter Wasser benötigt. Auch dass Schokolade neben Milch häufig Palmöl enthalte, das große Anbauflächen, oft auf ehemaligem Regenwald-Gebiet, benötigt, wirke sich negativ auf die Ökobilanz aus.

Bioprodukte helfen, Klimagas-Emissionen zu reduzieren

Interessant ist es, neben den Emissionen auch einen Blick auf den Pro-Kopf-Konsum an Nahrungsmitteln zu werfen. Laut der Umweltorganisation WWF macht Fleisch derzeit nur sieben Prozent der Ernährung in Deutschland aus, ist aber mit fast 40 Prozent für den Löwenanteil der Klimagas-Emissionen verantwortlich. Dagegen schlagen Kartoffeln, Getreideprodukte, Obst und Gemüse, aus denen mehr als 60 Prozent unserer Ernährung besteht, mit weniger als einem Viertel der Emissionen zu Buche. Noch besser ist die Klimabilanz von regionalem Obst und Gemüse. Mit Bioprodukten lassen sich laut Umweltbundesamt zusätzlich fast 20 Prozent der CO2-Emissionen einsparen.

Butter ade?

Butter ade also? Keineswegs. Die Empfehlungen des WWF für das „Essen von morgen“ sehen einen fast gleichbleibenden Anteil von 18 Prozent Milchprodukten an der Ernährung vor. Drastisch schrumpfen sollte laut den Umweltschützern dagegen der Anteil von Fleisch- und Wurstprodukten – von sieben auf unter drei Prozent. Für eine klima- und umweltfreundliche Ernährung steigen müsse dagegen der Anteil an Getreide und Kartoffeln (von 26 auf gut 30 Prozent) sowie von Gemüse und Hülsenfrüchten (von derzeit 16 auf gut 23 Prozent).