Braunschweig. Der menschliche CO2-Beitrag ist relativ gering, bringt aber den Treibhauseffekt aus dem Lot.

Kann die Erderwärmung mit Sicherheit auf das Kohlendioxid zurückgeführt werden? Wie kann sich das CO2, dessen Anteil in der Luft sich im Promillebereich bewegt, wesentlich auf den Treibhauseffekt der Erde auswirken? Das geht mir nicht in den Kopf.

Dies fragt Ferdinand Rühe aus Steinlah (Landkreis Wolfenbüttel).

Die Antwort recherchierte
Andreas Eberhard.

Man sieht es nicht, man riecht es nicht, und sein Anteil in der Erdatmosphäre liegt nur bei etwa 0,4 Promille. Trotzdem sehen Wissenschaftler im „Spurengas“ Kohlendioxid (CO2) – als solche bezeichnet man Gase, die nur in sehr geringen Anteilen in der Luft vorkommen – den Hauptverursacher für die derzeitige Erderwärmung. Genauer gesagt: Im CO2--Ausstoß durch die Verbrennung fossiler Energieträger durch den Menschen. Und die Erderwärmung ist real. Gegenüber der vorindustriellen Zeit hat sich die globale Durchschnittstemperatur laut der Weltorganisation für Meteorologie der Uno bereits um annähernd ein Grad Celsius erhöht.

Aber wie kann es sein, dass eine Veränderung bei einem Gas, das in so geringen Mengen in der Erdatmosphäre vorkommt, so starke Auswirkungen auf das weltweite Klima hat? Die Antwort lautet: Weil sie den natürlichen Kohlenstoffkreislauf durcheinanderbringt.

Was ist der Kohlenstoffkreislauf?

Das von der Natur – durch Tiere, Mikroorganismen, natürliche Waldbrände oder von den Ozeanen – freigesetzte Kohlendioxid befindet sich in einem Gleichgewicht mit der der natürlichen – und lebensnotwendigen – Aufnahme des Gases durch Pflanzen, Böden und wiederum durch die Ozeane. Die Emissionen durch den Menschen, vor allem die durch Nutzung der fossilen Energieträger Kohle, Erdöl und Erdgas, stellen allerdings eine zusätzliche CO2-Quelle dar. Seit der Industriellen Revolution vor rund 250 Jahren, innerhalb eines Wimpernschlags der Erdgeschichte, verbrennt der Mensch mit den fossilen Brennstoffen den innerhalb von zig Millionen Jahren gewachsenen „unterirdischen Wald“. In diesem ist in Form von Kohle, Öl und Erdgas der Kohlenstoff von Pflanzen und Lebewesen aus früheren Erd-Epochen gebunden. Diesen über enorme Zeiträume angesammelten Kohlenstoff bläst der Mensch in Form des Gases CO2 in die Erdatmosphäre.

„Die Natur nimmt zwar einen Teil der menschverursachten Emissionen auf, doch etwa die Hälfte bleibt in der Erdatmosphäre und führt zu einem Nettozuwachs des CO2-Gehalts“, heißt es dazu auf der Webseite klimafakten.de, deren Inhalte von Wissenschaftlern renommierter Einrichtungen der Klimaforschung wie des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, des Helmholtz-Instituts für Umweltforschung und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung auf Richtigkeit überprüft werden.

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Aus natürlichen Quellen werden laut dem immer noch aktuellen Bericht des Weltklimarats von 2013 jährlich rund 750 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt und etwa die gleiche Menge wieder natürlich aufgenommen. Die zusätzlichen menschlichen Emissionen machen sich dagegen mit rund 33 Milliarden Tonnen eigentlich relativ klein aus – nur gut vier Prozent der Gesamtmenge. Aber, so die Autoren von klimafakten.de: „Das Problem unserer Emissionen ist nicht die Menge an sich, sondern dass diese Emissionen auf ein System mit einem fragilen Gleichgewicht treffen und dieses nachhaltig stören.“ Gegenüber der vorindustriellen Zeit habe die CO2-Konzentration so um rund vierzig Prozent zugenommen.

Der Vergleich der Entwicklung des CO2-Gehalts der Luft mit den – insbesondere durch Auswertung von Eisbohrkernen aber auch anderen Klimaarchiven – gewonnenen Erkenntnissen der sogenannten Paläo-Klimaforschung belege den Zusammenhang, erklärt die Professorin Antje Schwalb vom Institut für Geosysteme und Bioindikation der TU Braunschweig: „So schnell und stark wie seit Beginn der Industrialisierung ist der Gehalt an Treibhausgasen noch nie in den letzten 800.000 Jahren gestiegen.“ Fast wortgleich hatte es der Klimaforscher Prof. Mojib Latif Anfang Juli in einem Vortrag in Braunschweig gesagt. Zwar habe der CO2-Wert in der Erdgeschichte immer wieder geschwankt, doch heute, so Latif, sei er „schwindelerregend“.

Aber wie kann es sein, dass sich der im Verhältnis zur Menge natürlicher CO2-Emissionen doch relativ geringe Beitrag des Menschen so gravierend auswirkt? Die Autoren von klimafakten.de machen es an einem Beispiel deutlich: „Man nehme eine Badewanne, aus deren Wasserhahn gleichviel Wasser in die Wanne strömt wie durch den offenen Auslauf abfließen kann. Die Wassermenge ändert sich in diesem Fall nicht. Wird der Wasserhahn allerdings nur ganz wenig aufgedreht, erhöht sich die Einlaufmenge im Verhältnis zum gesamten Einlauf zwar nur minimal, doch beginnt der Wasserspiegel in der Badewanne sofort zu steigen. Nach einiger Zeit wird die Badewanne überlaufen.“ Übertragen auf den Kohlenstoffkreislauf: Die zusätzlichen Emissionen bringen die Balance des Kohlenstoffkreislaufs durcheinander – mit Auswirkungen auf den Treibhauseffekt.

Wie funktioniert der Treibhauseffekt?

Zunächst gilt: Der Treibhauseffekt ist eine gute Sache. Er ermöglichst erst das Leben auf der Erde, wie wir es kennen. Ohne ihn wäre unser Planet eine Eiswüste. Die Sonne erwärmt mit ihrer energiereichen, kurzwelligen Strahlung die Erdoberfläche. Die Treibhausgase in der Luft sorgen dafür, dass die von der Erdoberfläche abgegebene Wärmestrahlung erdnah eingefangen wird. Neben dem Kohlendioxid zählen zu diesen Klimagasen unter anderem auch Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O). Je mehr von diesen Gasen in der Atmosphäre vorhanden sind, desto stärker behindern sie die Wärmeabstrahlung ins All. Das führt zur Erwärmung der Erde, dem Treibhauseffekt. Das Problem ist die CO2-Überdosis durch den menschlichen Klimagas-Ausstoß.

Diese Erkenntnis ist, ebenso wie die Entdeckung des Treibhauseffekts, keineswegs neu. Schon im 19. Jahrhundert erkannten Naturwissenschaftler, dass das Kohlendioxid und andere Spurengase die Erdtemperatur beeinflussen. 1896 errechnete der schwedische Nobelpreisträger Svante Arrhenius erstmals, dass eine Erhöhung des CO2-Gehalts der Luft zu einer deutlichen Temperaturerhöhung führen würde. Weithin ernst genommen werde die Gefahr eines vom Menschen verursachten Klimawandels jedoch erst seit den fünfziger Jahren, schreiben die Klimaforscher Stefan Rahmstorf und Hans Schellnhuber in ihrem Buch „Der Klimawandel“.

In den siebziger Jahren habe mit der US-amerikanischen Nationalen Akademie der Wissenschaften erstmals eine große Wissenschaftsorganisation vor der globalen Erwärmung gewarnt. „Mittlerweile“, schreiben die beiden Professoren, „halten nahezu alle Klimatologen eine spürbare anthropogene (also menschgemachte, Anm. der Red.) Klimaerwärmung für erwiesen“. Zusammen mit Forschern verschiedener Disziplinen zeigte die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes von der Universität Harvard 2016 in einer Überblicksstudie, dass der Konsens der Forscher in dieser Frage bei 97 Prozent liegt.

Damit sind jedoch noch keineswegs alle offenen Fragen geklärt. Umstritten sei, wie stark und wie schnell genau die Erwärmung voranschreite, sagt die TU-Professorin Schwalb. Auch über die konkreten regionalen und globalen Folgen – etwa, in welchem Umfang der Meeresspiegel ansteige – bestehe durchaus Uneinigkeit unter Forschern. Auch wenn sich der Klimawandel je nach Erdregion sehr unterschiedlich auspräge, scheine sich aber schon jetzt die Voraussage zu bestätigen, dass extreme Wetterlagen zunehmen.