Braunschweig. Die Geduld der Bahn-Kunden wird nun noch durch einen Streik auf die Probe gestellt – auch in unserer Region.

Klingt wie ein normaler Tag bei der Deutschen Bahn, nur heute „mit Absicht“.

Das schrieb unser Leser Sebastian Weßnigk auf Facebook.

Dazu recherchierten Christina Lohner, unsere Lokalredaktionen und unsere Agenturen

Mit dem kompletten Stopp des Fernverkehrs am Montag hat sich die Deutsche Bahn auch Kritik von Verbraucherschützern eingehandelt. Der Konzern hatte die Züge wegen des Warnstreiks der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stehen lassen. „Die Bahn stellt heute ohne Rücksicht auf Verluste den Betrieb komplett ein, ohne Ersatzverkehr zu organisieren oder ausreichend Informationen zur Verfügung zu stellen“, kritisierte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Das hätten gerade die vielen Pendler nicht verdient.

Die Bahn hatte den Vorwurf zurückgewiesen, sie lasse mehr Züge stehen als notwendig. Der Warnstreik habe die Instandhaltungswerke stark getroffen, Züge könnten nicht planmäßig gewartet werden. In vielen Fällen seien Züge auch nicht an den vorgesehenen Einsatzorten gewesen. Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Claus Weselsky, erinnerte hingegen im „Münchner Merkur“ daran, dass es bei früheren Streiks Notfahrpläne gegeben habe.

Auch die Gewerkschaft handelte sich Kritik ein, weil tausende EVG-Mitglieder am Montagmorgen die Arbeit niederlegten. Diese massive Form der Streiks halte er für überzogen, weil es keine rechtzeitige Ankündigung gegeben habe, sagte Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, der „Rheinischen Post“. Weil auch Informationssysteme auf der Bahn-Webseite betroffen waren, konnten Kunden nicht ordentlich informiert werden. Auch Reisezentren wurden bestreikt. EVG-Bundesgeschäftsführer Torsten Westphal verteidigte den Ausstand: „Es gab einen große Bereitschaft, weil es auch einen großen Unmut gab.“

Auch in unserer Region ärgerte sich mancher Bahnfahrer. „Gestern hieß es noch, dass er fährt“, monierte etwa Philipp Markmann, der von Braunschweig nach Osnabrück wollte. „Jetzt geht nichts mehr. Wenn das gestern schon online angekündigt worden wäre, hätte ich mich gestern noch auf den Weg gemacht.“ Am Wolfenbütteler Bahnhof bewies hingegen Bernd Jakowski, der mit dem Zug nach Gütersloh wollte, eine Engelsgeduld: „Entweder es kommt ein Zug – oder es kommt keiner.“ Am Bahnsteig herrschte gegen 9 Uhr gähnende Leere.

Der vierstündige Ausstand würfelte den Fahrplan teils komplett durcheinander. Am Helmstedter Bahnhof warteten einige Fahrgäste noch Stunden nach dem Streik-Ende darauf, ihre Fahrt fortsetzen zu können. In Wolfsburg fielen im Fernverkehr bis in den späten Nachmittag hinein Züge aus, und es kam noch immer zu Verspätungen von mehr als einer Stunde. Im Reisezentrum in Peine wollten etliche Kunden ihre Tickets zurückgeben. „Ich bin gegen diese Streiks“, sagte Helmut Gottschalk aus Peine. „Es darf nicht sein, dass die Züge nicht fahren – viele Menschen sind auf den funktionierenden Bahnverkehr angewiesen.“ Beschäftigte und Unternehmen müssten Tarifauseinandersetzungen anders lösen.

Die Bahn hatte der EVG nach eigenen Angaben ein Paket von rund 7 Prozent angeboten. Teil sei eine Lohn-Erhöhung von insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen und eine Einmalzahlung in Höhe von 500 Euro. Anstelle der zweiten Stufe sollte den Mitarbeitern wie im letzten Tarifvertrag die Wahl zu mehr Freizeit gegeben werden. Außerdem sei vorgesehen gewesen, dass der Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersvorsorge um 1,1 Prozent steigt.

Die Gewerkschaft hatte 7,5 Prozent mehr Lohn und Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen verlangt. Parallel zu den Gesprächen mit der EVG führt die Bahn auch Verhandlungen mit der Lokführergewerkschaft GDL. Auch hier wurde noch keine Einigung erreicht, beide Seiten sprachen aber von Fortschritten. Die Gespräche sollen ebenfalls am Dienstag fortgesetzt werden. Die Bahn will mit beiden Gewerkschaften vergleichbare Ergebnisse für rund 160.000 Beschäftigte in Deutschland erreichen. Umstritten ist nach Gewerkschaftsangaben nicht nur das Lohnplus, sondern auch, ab wann die Wahlmöglichkeit zwischen Geld und Freizeit greifen soll. Gesprächsbedarf gebe es zudem noch bei Laufzeit und Altersvorsorge.

Mancherorts kamen die Kunden auch glimpflich davon. In Salzgitter-Bad verkehrten die Züge pünktlich, auch in Gifhorn hielten sich die Auswirkungen in Grenzen. Andere profitierten sogar vom Ausstand, etwa Autovermietungen oder das Fernbusunternehmen Flixbus.