Braunschweig. Preissteigerungen von bis zu 14 Prozent wie in Wolfsburg gehören offensichtlich der Vergangenheit an.

Die Diskussion im politischen Berlin über galoppierende Mietpreise mag zwar in Großstädten wie Hamburg oder München von Belang sein. An der Lebensrealität vieler Mieter in unserer Region jedoch führt sie vorbei. Das sagt selbst Timo Sass, Geschäftsführer des Mietervereins Braunschweig und Umgebung. „Braunschweig und Wolfsburg sind eben nicht Köln oder Frankfurt.“

Seine Einschätzung wird untermauert durch Zahlen des Forschungsinstituts F + B. Demnach sind Steigerungen bei Neuvermietungen in unserer Region, die deutlich über der Inflationsrate lagen, offensichtlich vorbei. Zwischen 2013 und 2016 lag die allgemeine Teuerungsrate in Deutschland zum Teil deutlich unter einem Prozent. Die Mietpreis-Zuwächse in Braunschweig und Wolfsburg überstiegen diese um ein Vielfaches. Das galt auch für den Landkreis Gifhorn.

Mittlerweile jedoch liegen die Preise bei Neuvermietungen in unserer Region in der Regel unter der Inflationsrate, wie die Zahlen von F + B zeigen. Zugrundegelegt sind die Preise für eine Wohnung von 75 Quadratmetern Größe. Sass vom Mieterverein gibt zu bedenken: „Wohnungen mit Größen von 60 bis 80 Quadratmetern sind besonders häufig im Besitz von Wohnungsgesellschaften. Diese drücken den Preis. Das macht sich auch in dieser Statistik bemerkbar.“ Da hat Sass Recht. Er sagt aber auch: „Vermieter in Braunschweig oder Wolfsburg merken, dass sie nicht mehr jeden Preis durchdrücken können.“

Niedersachsens Bauminister Olaf Lies (SPD) begrüßt zwar die Wohnungsbauprojekte in Braunschweig und Wolfsburg. In beiden Städten sollen jeweils Tausende neue Wohnungen entstehen. Das ist laut Lies aber auch dringend notwendig. „Allein in der Stadt Braunschweig werden 5000 Wohneinheiten bis zum Jahr 2020 benötigt.“ Der Minister moniert, dass Bauherren in beiden Städten hauptsächlich in lukrative Wohnprojekte investieren. Lies sagt: „Es entstehen zwar neue Wohnungen, aber nur auf einen Bruchteil davon trifft die Beschreibung bezahlbarer Wohnraum zu.“

Durchschnittliche Preise für Wohnungen in der Region.
Durchschnittliche Preise für Wohnungen in der Region. © Quelle: F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH/Grafik: Jürgen Runo/Foto: dpa

In Braunschweig und vor allem Wolfsburg hat sich nach Einschätzung von F + B-Experte Manfred Neuhöfer der Abgas-Skandal bei VW positiv auf Mieter ausgewirkt. „Schon Mitarbeiter am Band verdienen bei VW ja sehr gut.“ Nach dem Abgas-Skandal trennte sich VW alleine in unserer Region von Hunderten von Leiharbeitern.

Die Flüchtlingskrise hatte einen besonderen Effekt auf den Wohnungsmarkt in Salzgitter. Hier fielen die Mietpreise zuweilen sogar, weil Leerstand herrschte. Im Vergleich der Jahre 2016 und 2017 legten die Mietpreise hingegen um acht Prozent zu. Für die Wohnungswirtschaft sei das sehr positiv gewesen, so Neuhöfer. „Mit dem Zuzugsverbot von Flüchtlingen für Salzgitter ist dieser Effekt verpufft.“

Der Experte hat registriert, dass die Mietpreisbremse, die in der Region in Braunschweig, Wolfsburg und Göttingen gilt, sich nicht investitionsmindernd ausgewirkt hat. Er begrüßt die von der SPD eingebrachten Verschärfung. Vermieter sollen die bisherige Miete offenlegen müssen. „Die Auskunftspflicht ist konsequenterweise richtig.“

Sass vom Mieterverein hingegen findet die Verschärfung zwar „nett“. Da Vermieter bei Gesetzes-Verstößen aber weiterhin nicht mit Sanktionen zu rechnen haben, sagt er: „Die Mietpreisbremse bleibt ein stumpfes Schwert.“

Die SPD hat deshalb in der letzten Woche einen 12-Punkte-Plan zum „Mietpreis-Stopp“ vorgelegt. Kern des Plans: Mieten in Gegenden mit angespanntem Wohnungsmarkt sollen für einen Zeitraum von fünf Jahren nur in Höhe der Inflationsrate angehoben werden dürfen. Die aktuellen Zahlen zeigen: In unserer Region wäre das gar nicht nötig. Sass hält die SPD-Vorschläge für „utopisch“, weil sie nicht durchsetzbar seien. Neuhöfer von F + B sagt: „Das ist ein sozialistisches Moment und ein Supergau für Investoren. Wir würden uns von der Marktwirtschaft entfernen.“

Was Mieter künftig gegen Wucher-Mieten tun können

Auf Wunsch der SPD wird die Mietpreisbremse nachgeschärft. Hier die wichtigsten Punkte.

Transparenz: Verlangt ein Vermieter mehr als die ortsübliche Miete plus zehn Prozent,dann muss er den Mieter vor Vertragsabschluss schriftlich darüber informieren, warum er das darf. Da Neubau oder Sanierung oft offensichtlich sind, zielt diese Regel vor allem darauf, dass er die Vormiete offenlegen muss. Im Nachhinein darf der Vermieter sich nicht auf Ausnahmen berufen.

Beanstandung: Ist der Mieter der Meinung, sein Vermieter verlange zu viel, muss er das künftig einfach mitteilen und keine ausführliche Begründung mehr dafür vorlegen.

Modernisierungskosten: Bisher durften Vermieter elf Prozent der Kosten auf die Mieter umlegen, künftig noch acht Prozent. Das gilt aber nur in den Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt und erst mal nur für fünf Jahre.

Kappungsgrenze: Die Miete darf deutschlandweit nach einer Modernisierung innerhalb von sechs Jahren um höchstens drei Euro pro Quadratmeter steigen. Schadenersatz: Wenn Vermieter eine Modernisierung ankündigen mit der Absicht, den Mieter loszuwerden – Politiker sprechen von „herausmodernisieren“ – dann hat der Mieter künftig Anspruch auf Schadenersatz.