Braunschweig. Zum Abschied von Ombudsrat Joachim Hempel plädiert Ernst Elitz, Ex-Intendant des Deutschlandradios, für einen „persönlicheren Journalismus“.

Nach welchen Kriterien verwenden Sie in ihrer Berichterstattung wertende Adjektive – etwa wenn sie bei politischen Abstimmungen von einer „knappen“ oder „breiten“ Mehrheit schreiben?

Dies fragte ein Leser bei unserem Leserforum im BZV-Medienhaus.

Die Antwort recherchierte Andreas Eberhard.

Solange Menschen über Ereignisse berichten, wird völlige Objektivität wohl ein ebenso hehres wie unerreichbares Ziel bleiben. Zu sehr liegt vieles im Auge des Betrachters – und wirkt im Auge des Lesers ganz anders. Joachim Hempel, scheidender Ombudsrat unserer Zeitung kennt das Problem, das unser Leser anspricht. Die journalistische Verwendung von Adjektiven gleiche immer einer Gratwanderung, die mit einfachen Regeln nicht aus der Welt zu schaffen sei. Dennoch, sagte sein Ombudsrat-Kollege David Mache, gelte der goldene Satz: „Die Nachricht ist heilig, der Kommentar ist frei“.

Elitz: Trockene Nachrichten sind nicht das Leibgericht der Leser

Ernst Elitz sah das etwas anders. Der ehemalige Moderator des „heute-journals“, Mitarbeiter von „Zeit“ und „Spiegel“ und erster Intendant des 1994 gegründeten Deutschlandradios war in seiner Funktion als Ombudsmann der „Bild“-Zeitung zu Gast im BZV Medienhaus. Bei der Veranstaltung ging es um Ombudsräte allgemein – und von unserer Zeitung im Besonderen. An diese Kontroll-Gremien können sich Leser wenden, die mit der Berichterstattung ihres Blatts nicht einverstanden sind. „Die trockene Nachricht ist noch nie das Leibgericht des Lesers gewesen“, war sich Elitz sicher. Er plädierte für einen „persönlicheren Journalismus“, der transparent mache, dass hier „Menschen zu Menschen sprechen“.

Verabschiedung vom Ombudsrat Joachim Hempel

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    Lange sei es verpönt gewesen, dass auch ein Reporter „ich“ sagt, erzählt der Journalismus-Veteran. „Aber wenn er dies tut, macht er deutlich, dass es sich bei seinem Bericht um Erlebtes handelt.“ Statt zu einem Qualitätsverlust trage die persönliche Ansprache zur Bindung die Leser an die Zeitung bei.

    Das gleiche gelte für Ombudsräte und für den Dialog zwischen Lesern und Journalisten überhaupt. Wichtig hierbei sei aber, dass auch die Leser Gesicht zeigten. Wie Journalisten sollten Leser mit ihrem Namen für ihre Meinung – und ihre Kritik – einstehen. „Wer das nicht tut, operiert unter einer Burka und hat in einer öffentlichen Debatte nichts verloren.“ Mache ergänzte: „Seit Einführung der Registrierungspflicht in unserem Online-Kommentar-Bereich, wird dort deutlich konstruktiver diskutiert.“

    Den Armen eine Chance

    Anlässlich des Arbeitsbeginns von Joachim Hempel in Addis Abeba veranstaltet unsere Zeitung zusammen mit der Braunschweiger Domgemeinde eine Spendenaktion zugunsten äthiopischer Schüler aus armen Vierteln der Hauptstadt.

    „Den Armen eine Chance“ ist ein Projekt der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache in Äthiopien. Das Geld wird unter anderem verwendet für spezielle Schulmilch für Kinder, deren Mütter HIV-positiv sind, für Physiotherapie für Kinder im Rollstuhl, für Unterrichtsmaterial in Blindenschrift und für den Ausbau der medizinischen Grundversorgung durch eine Schulkrankenschwester.

    Die Spendenaktion läuft vom 17. Juni bis zum 15. Juli auf dem Konto der Kirchengemeinde St. Blasius, IBAN DE60 2505 0000 0152 0529 16

    Hempel: Meine Zeit als Ombudsrat war eine ambivalente Erfahrung

    Anlass des Leserforums war der bevorstehende Stabwechsel im Ombudsrat unserer Zeitung. Nach drei Jahren verlässt der ehemalige Domprediger Joachim Hempel das Gremium, um vertretungsweise die deutschsprachige Evangelische Gemeinde in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba zu leiten. Hempel zog ein gemischtes Resümee seiner drei Jahre als Ombudsmann. „Es war eine ambivalente Erfahrung“, sagte der 69-Jährige: „Es war überraschend viel zu tun – aber auch überraschend anders als gedacht.“ Er habe das Braunschweiger Land noch einmal von einer anderen Seite kennengelernt.

    Positiv erlebt habe er „die vielen engagierten Menschen“ in dieser – zwischen Volkswagen und Atommüllendlager Asse – „thematisch sehr breit aufgestellten“ Region. „Aber ich hätte nie gedacht, dass hier soviel Häme, Neid und Missgunst zu Hause ist“, empörte sich Hempel mit Blick auf manche Stimmen von Lesern aus dem Internet, die auf seinem Schreibtisch landeten. „Wenn wir so miteinander umgehen, wird uns noch Hören und Sehen vergehen.“ Die Tätigkeit als Ombudsrat sei „sehr anstrengend“ gewesen, weshalb er froh sei, die Aufgabe nun in andere Hände zu übergeben.

    „Joachim Hempel hat der Arbeit des Ombudsrats unserer Zeitung drei Jahre lang Richtung gegeben“, ehrte Chefredakteur Armin Maus den scheidenden Ombudsrat. Er dankte dem 69-Jährigen „für sein leidenschaftliches Streiten für freie Berichterstattung, für seinen klaren Widerspruch, aber auch für die Ermutigung, die er uns gegeben hat.“

    Eine Nachfolge für Hempel im Ombudsrat scheint schon gefunden. Um wen es sich handelt, mochte Maus aber noch nicht sagen: „Ich bin mit einem sehr guten Kandidaten – beziehungsweise Kandidatin – im Gespräch und optimistisch, dass es klappt.“

    Mache: Wir haben keine Scheuklappen bei Kirchenthemen

    In der anschließenden Debatte kritisierte unserer Leser Hellmut Winkel die aus seiner Sicht unausgewogene Auswahl der Leserbriefe in unserer Zeitung: „Mein Eindruck ist, kirchenkritische Leserbriefe werden eher abgedruckt als christliche.“ Ihm antwortete David Mache: „Beim Thema Kirche haben wir keine Scheuklappen.“ Es gebe jedoch, berichtete er, einen Kreis von regelmäßigen Leserbriefschreibern, die in der kirchenkritischen Giordano-Bruno-Stiftung aktiv seien. „Natürlich vertritt diese Stiftung bestimmte Interessen, ähnlich wie politische Parteien. Vielleicht müssen wir in Zukunft noch konsequenter darauf achten, dass diese Positionen nicht übermäßig stark im Blatt repräsentiert sind.“ Chefredakteur Maus ergänzte: „Übrigens kritisieren uns manche Leser auch als vermeintliche Außenstelle der Landeskirche – weil unser scheidender Ombudsrat ein Mann der Kirche ist.“ Der Vorwurf sei skurril, sagte Maus. Niemals habe Joachim Hempel als Ombudsrat zu beeinflussen versucht, „wie Kirche in unserer Berichterstattung vorkommt“.