Braunschweig. Die Region will den Energieverbrauch bis 2050 um die Hälfte senken. Nur werden VW und die Salzgitter AG dabei ausgeklammert.
Sparen wir dann für alle Regionen mit? Alle sind gefordert, aber vor allem Privatleute.
Das fragt unser Leser aus Wolfsburg, der sich Pac Katari nennt, auf unseren Facebookseiten.
Die Antwort recherchierte Andre Dolle
Falls Sie es noch nicht wissen: Sie, lieber Leser, sind wie sämtliche Bürger in unserer Region ab sofort Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Das haben die Kommunalpolitiker, Bürgermeister und Landtagsabgeordneten, die in der Verbandsversammlung des Regionalverbands Großraum Braunschweig sitzen, Anfang Mai beschlossen.
Unsere Region zwischen Harz und Heide zählt zu den etwa 20 Modellkommunen in Deutschland, die sich die Klimaziele des Bundesumweltministeriums ganz offiziell auf die Fahnen geschrieben haben. Bei den anderen Kommunen handelt es sich jeweils um einzelne Städte oder Landkreise. Bei uns sind es gleich fünf Landkreise und drei kreisfreie Städte.
95 Prozent der Treibhausgase und 50 Prozent des Energieverbrauchs soll unsere Region demnach bis 2050 einsparen. Der Regionalverband Großraum Braunschweig präsentierte am Mittwochabend seinen Masterplan und zeigte, wie das gelingen soll.
Im Vorfeld arbeiteten 500 Akteure am Masterplan mit. Dabei handelte es sich um Interessenvertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbänden und Politik. 80 zufällig ausgewählte Bürger beteiligten sich im Beirat. Es gibt außerdem einen wissenschaftlichen Beirat. Den Machern beim Regionalverband lag daran, schon im Vorfeld möglichst viel Unterstützung einzuholen.
Mit Blick auf die Leserfrage lässt sich sagen: Natürlich kann unsere Region nicht für alle mitsparen. Und natürlich können wir auch keinen Schutzschirm um die Region spannen, damit Emissionen aus anderen Landstrichen nicht zu uns herüberwehen. Unsere Region soll vielmehr Vorbildcharakter haben. Wir sollen zeigen, wie es geht.
Detlef Tanke, der Verbandschef, betonte jedoch, dass niemand verpflichtet werden kann. Umweltschutz ist kein Pflichtprogramm. Das gilt für die Kommunen in unserer Region genauso wenig wie für die Wirtschaft. Die Städte und Gemeinden und auch die Unternehmen sollen im Optimalfall jedoch diesen Vorbildcharakter leben – wie der Regionalverband selbst.
Nicht mit einbezogen sind jedoch die größten Verursacher von Treibhausgasen in unserer Region: VW und die Salzgitter AG. Beide zusammen haben fünf große Werke.
Sechs Handlungsfelder hat der Regionalverband vorgestellt – mit 72 Projekten. Sie sollen helfen, damit die Ziele in die Tat umgesetzt werden. Das sind die Felder mit samt ausgewählter Projekte:
Der Marktanteil des öffentlichen Nahverkehrs soll sich in den kommenden Jahren immer weiter erhöhen. Bis 2020 investiert der Regionalverband pro Jahr zehn weitere Millionen in den Nahverkehr. Einen weiteren Schub soll das zweite Gleis der Bahnstrecke Weddeler Schleife zwischen Braunschweig und Wolfsburg ab 2022 geben.
Radschnellwege werden ganz neu gebaut. Als erstes werden die Kommunen, das Land und der Regionalverband zwei Strecken ins Visier nehmen: Braunschweig – Lehre – Wolfsburg sowie Braunschweig – Salzgitter mit einer Y-Trasse über Wolfenbüttel.
Der Regionalverband setzt auf die Solarenergie und vor allem auf die Windkraft. Bei letzterer stockt der Ausbau allerdings. Der Verband plant bereits seit 2011 – nun folgt dennoch die dritte Beteiligung betroffener Bürger. Gut 300 Windräder gibt es derzeit in der Region. Es sollen Hunderte hinzukommen, alte Windräder werden auch durch neue, bis zu 200 Meter hohe Windrad-Riesen ersetzt. Stehen die dann 49 Windparks, sollen sie die Nennleistung eines mittleren Atomkraftwerks liefern. Das wird noch nicht ausreichen, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Die Windkraft ist ein wichtiger Baustein. Der Widerstand einiger Bürger ist aber bereits jetzt groß.
Jeder Bürger kann nachhaltiger leben als bisher. Muss es wirklich ein SUV sein? Muss es jeden Tag Fleisch sein? Die Kommunen sollen Vorbild sein, die Bürger sollen mitziehen.
Die Kommunen sollen mittel- bis langfristig ihren Fuhrpark auf E-Mobilität umrüsten. Wenn möglich, sollen auch E-Busse fahren. Die Liegenschaften der Kommunen sollen energetisch saniert werden.
Auch die Unternehmen sollen ihren Teil beitragen, umweltschonender produzieren. Die Industrie- und Handelskammer zieht mit, ebenso der Arbeitgeberverband.
Was sich etwas sperrig anhört, meint, dass sich die Kommunen austauschen sollen. Es gibt bereits 14 Klimaschutzmanager in den Kommunen der Region. Der Regionalverband soll koordinieren.
Die Beteiligten haben sich verpflichtet, in regelmäßigen Abständen die Projekte zu kontrollieren. Eventuell muss nachgesteuert werden, um die Klima-Ziele im Jahr 2050 tatsächlich zu erreichen. Bis dahin vergehen zwar noch mehr als 30 Jahre. Wenn die Weichen nicht jetzt schon gestellt werden, erreicht die Region die Ziele aber nicht. Es bleibt abzuwarten, ob die Ziele zu optimistisch gesteckt wurden.