Wolfsburg. Der Volkswagen-Konzern arbeitet die Tierversuchsaffäre mit einiger Gründlichkeit auf.

Affen im Abgasnebel – zum Beweis der Unschädlichkeit des Verbrennungsmotors? Umweltministerin Barbara Hendricks fiel dazu nur noch eines ein: „Es könnte eigentlich niemand, der der Automobilindustrie bewusst schaden will, so viel Schaden anrichten, wie die es selber machen.“ Ihr Stoßseufzer scheint in der Wolfsburger Volkswagen-Zentrale Widerhall zu finden. Im Zusammenhang mit der Dieselaffäre wird dem Konzern immer wieder ein Mangel an Offenheit und Aufklärungsbereitschaft vorgeworfen. Bei seinem neuesten Image-Supergau aber betreibt er eine Aufarbeitung, die es an Rigidität mit dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516 aufnehmen kann. Offensichtlich hat Konzernchef Matthias Müller persönlich dafür gesorgt, dass die Aufklärung ganz oben auf der Prioritätenliste des weltgrößten Autobauers steht.

Wie in Wolfsburg zu erfahren ist, werden riesige Dokumenten-Mengen mit Hilfe von Hochleistungsrechnern durchgefieselt, Mitarbeiter und Partner intensiv befragt und Zusammenhänge analysiert. Die Suche ist noch längst nicht abgeschlossen. Aber es tritt wohl allmählich zutage, wer wann was gewusst und entschieden hat.

Es scheint, als erzählten die Fakten die Geschichte eines Missverständnisses. Wissenschaft sollte offenbar dienstbar gemacht werden – es ist ihr noch immer schlecht bekommen. Während etwa das Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik der Industrie sehr offen gegenübersteht, als TU-Einrichtung aber klare Hygienegrenzen zieht, waren die Zutaten beim Initiator der Affen-Studie gemischt wie in Großmutters Gemüsesuppe. Der damalige VW-Chef Bernd Pischetsrieder und Bosch-Cheflobbyist Gunter Zimmermeyer, BMW und Daimler hielten eine „Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT)“ für das probate Mittel, branchenrelevante Forschung zu unterstützen. Der Verdacht liegt nahe, dass damit vor allem Forschung gemeint war, die der eigenen Argumentation diente. Die Konstruktion hätte industrienäher jedenfalls kaum sein können – angefangen damit, dass der Arbeitsmediziner, der die EUGT koordinierte, nicht auf deren Gehaltsliste, sondern auf der von Volkswagen stand.

Die „Forschungsvereinigung“ erhielt immerhin einen achtköpfigen „Forschungsbeirat“. Zu ihm gehörten renommierte Wissenschaftler wie Prof. Helmut Greim, ehemaliger Leiter des Instituts für Toxikologie der TU München, oder Prof. David Groneberg, Direktor des Instituts für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin der Universität Frankfurt. Dieses Gremium ist für die Rechtfertigung der beteiligten Unternehmen im Nachhinein Gold wert. Denn wie sich nun, nach Abklingen der internen und öffentlichen Empörung herausstellt, entsprach selbst die Affen-Studie den wissenschaftlichen Standards. Sie sei mit Zustimmung der Ethikkommissionen entstanden, schreibt Greim als Chef des Forschungsbeirates.

Noch eine andere Tatsache will nicht in das Bild vom bestellten Forschungsergebnis passen. Ausgangspunkt des Abgas-Tests war nämlich ausgerechnet das Land, in dem sich Volkswagen heute mit Milliardensummen von seiner Diesel-Manipulationsschuld freikauft. Joe Mauderly, Leiter des amerikanischen Lovelace Respiratory Research Institute (LRRI), war nach VW-Angaben 2011 auf das EUGT zugetreten. Die Neubewertung der Reinigungsleistung von Partikelfiltern tue not. Bis dahin hatten nur überholte Daten aus Untersuchungen veralteter Motoren vorgelegen. Eine andere Studie, die erst wesentlich später, nämlich 2016 veröffentlich wurde, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Hinweise erbracht, dass „keine Krebsgefährdung bei Mäusen und Ratten durch Dieselabgase aus modernen Nutzfahrzeug-Dieselmotoren in der Langzeituntersuchung festgestellt werden konnte“, wie man bei Volkswagen sagt.

Sei die Forschungsabsicht nun redlich gewesen oder nicht: Sie passte in die Gedanken- und Werbewelt von Volkswagen, in der der „saubere Diesel“ eine übergroße Rolle spielte. Die Idee eines kraftstoffsparenden, abgasarmen Aggregats hatte in diesen Jahren die quasi-religiöse Strahlkraft erreicht. Dem Handeln eines Ingenieursunternehmens tat das nicht gut. Als der Abstand zwischen Reinheits-Postulat und Auspuff-Realität offenbar wurde, kam die Manipulationssoftware in die Welt. Es mag ein Zufall sein, dass möglicherweise just der hochrangige VW-Entwickler, der heute für den Dieselbetrug mitverantwortlich gemacht wird, die konkreteste VW-Beteiligung an den Affen-Versuchen durchsetzte. Ein Untergebener des Managers soll dagegen plädiert haben, einen VW Beetle für den Laboreinsatz abzugeben. Nach Stand der Ermittlungen wurde er überstimmt.

Wissenschaftlich belastbare Erkenntnis hat die Studie nicht geschaffen. Die Untersuchungen waren zwar, wie Forschungsbeirat Greim schreibt, „nach dem Stand der Wissenschaft von darin erfahrenen Institutionen durchgeführt worden“. Bei der Entnahme von Gewebeproben wurden aber offenbar Fehler gemacht. Nach dem Test, so heißt es heute bei VW, sei nicht mehr feststellbar gewesen, ob Entzündungen auf das Abgas oder auf die Gewebeentnahmen zurückzuführen waren.

Die zehn chinesischen Javaner-Affen hätten also umsonst gelitten? Vielleicht dienen sie wenigstens dem vielzitierten Kulturwandel. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Konzernspitze die Affen-Affäre als Lehrstück nutzt. Vorstandschef Matthias Müller wird keine Betriebsratsumfrage unter den Beschäftigten gebraucht haben, um zu wissen, dass der Wandel noch lange nicht das ganze Unternehmen erfasst hat.

Ihn dürfte unterdessen nicht kalt lassen, dass mit dem VW-Cheflobbyisten Thomas Steg einer seiner wichtigsten Vertrauten und Ratgeber auf der Strecke blieb. Steg wurde zwar nur beurlaubt, seine Rückkehr ist aber fraglich.

Nach Abgas-Tests mit Affen: VW überprüft Forschungs-Partner