Braunschweig. Wolf-Michael Schmid, Unternehmer und Ehrenpräsident der IHK Braunschweig, blickt optimistisch aufs Wirtschaftsjahr 2018.

Glänzende Wirtschaftsdaten, freundliche Prognosen, VW und die Salzgitter AG im Vorwärtsgang: Wolf-Michael Schmid, Ehrenpräsident der IHK Braunschweig, erwartet ein erfolgreiches Wirtschaftsjahr 2018. Das sagte Schmid im Gespräch mit Andreas Schweiger.

Herr Dr. Schmid, muss Volkswagen weitere Rückschläge in der Aufarbeitung des Diesel-Skandals befürchten, oder setzt der Konzern seinen wirtschaftlichen Erholungskurs fort?

Diese Frage kann ich als Entweder-oder-Frage nicht akzeptieren. Der wirtschaftliche Erholungskurs der Volkswagen AG ist so stark, dass er sich im Jahr 2018 auch bei denkbaren weiteren Rückschlägen in der Aufarbeitung des Diesel-Skandals fortsetzen wird. Weitere Rückschläge erwarte ich eigentlich nicht. Der Konzern ist jetzt in der Phase der Abwicklung des Diesel-Skandals.

Hier gibt es weiterhin rechtliche Unsicherheiten, die aber auch bei negativem Ausgang die von mir geschilderte positive Entwicklung nicht gravierend beeinflussen dürften. Mit Blick auf die gezogenen Konsequenzen aus dem Diesel-Skandal, mit Blick auf die Produktpalette sowie den Zukunftspakt sehe ich VW wirklich auf einem guten Fundament und damit weiterhin auf einer Erfolgsspur.

Unser Leser Gerhard A. Beutmann fragt: „Wird es den Auto-Herstellern, den Politikern oder den aufgeklärten Verbrauchern gelingen, den großen und sich immer noch vergrößernden Flotten-Anteil der SUV-PKW an der Gesamtproduktion wesentlich zu verringern, um dadurch die strengeren -Grenzwerte einhalten zu können?“

Der Bochumer Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep hat den Einfluss von Emotionen beim Autokauf mit Blick auf den weiter steigenden SUV-Absatz untersucht. Emotionen überspielen hier rationale Überlegungen. Immer mehr jüngere Frauen mit Kindern bevorzugen nicht mehr wie früher den Kombi, sondern jetzt den SUV, der auch ein zunehmend ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis befriedigt.

Für manche männlichen Autofahrer ist das SUV zudem ein Statussymbol, das ein gewisses Überlegenheitsgefühl erzeugen kann. Dies geht leider gelegentlich auch mit der nicht immer zutreffenden Vermutung einher, dass im Falle eines Unfalls derjenige im Vorteil ist, der das schwerere Fahrzeug fährt. Mit weiter zunehmender Dichte des Verkehrs können sich diese Effekte in den Augen vieler Autokäufer weiter verstärken.

Nach meiner Einschätzung wird sich der SUV-Trend weiter fortsetzen – leider unvermeidlich verbunden mit Problemen bei den Bemühungen der Automobil-Hersteller, den Flottenverbrauch zu senken. Bei fast allen männlichen Primaten ist das Bedürfnis nach Stärke und Überlegenheit gegenüber Artgenossen genetisch fest codiert und längst noch nicht an die Gegebenheiten unserer aktuellen Zivilgesellschaft angepasst. Sehr anschaulich wird dies dargestellt in dem populärwissenschaftlichen Buch „Mammutjäger in der Metro: Wie das Erbe der Evolution unser Denken und Verhalten prägt“ von William F. Allman.

Mit dem Thema -Ausstoß befasst sich unser Leser Gert Thiele. Er fragt: „Sie sind für strengere -Grenzwerte. Wie wollen Sie -Werte längerfristig stabilisieren?“

Mit Blick auf Deutschland bin ich nicht für strengere CO2-Grenzwerte. Ich folge selbstverständlich der Mehrzahl der weltweit tätigen Klimaforscher in der Erkenntnis, dass eine CO2-Begrenzung dringend erforderlich ist. Das Niveau der weltweiten CO2-Emissionen werden wir in Deutschland jedoch faktisch nicht beeinflussen können. Die Diskussion hiesiger CO2-Grenzwerte ist für mich der untaugliche Versuch, ein globales Problem national zu lösen.

Ein erfolgversprechender Ansatz bestünde für mich vielmehr darin, der deutschen Industrie die Möglichkeit zu eröffnen, mit CO2-mindernden Investitionen in anderen Teilen der Welt mit sehr viel weniger Geld höhere CO2-Einspareffekte zu erzielen.

Mit dem abrupten Ausstieg aus der Kernenergie hat sich die Bundesregierung unabhängig von der Beurteilung des Gefährdungspotenzials der Kernenergie dafür entschieden, höhere CO2-Emissionen in Deutschland bei der Energieerzeugung zu akzeptieren. Leider bringt nach meiner Einschätzung die Energiewende in Deutschland immer noch nicht die erhofften Erfolge. Technische Wahrheiten und politische Mehrheiten scheinen weiter auseinanderzudriften. Während der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalitionin Berlin drohte aus meiner Sicht sogar die Gefahr, nach dem aus klimapolitischer Sicht übereilten Ausstieg aus der Kernenergie jetzt einen übereilten Ausstieg aus der Stromerzeugung mit Kohlekraftwerken folgen zu lassen, ohne dass hierzu ein wirkliches Konzept vorlag.

Die Versorgungssicherheit mit Strom ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland ein außerordentlich hohes Gut. Jeder, der das Buch „Blackout“ gelesen hat, wird meine Warnung verstehen. Vielleicht war es aus Sicht der Wirtschaft eine wichtige Entscheidung der FDP, mit Blick auf die Energiepolitik die Gespräche zur Regierungsbildung abzubrechen. Es drohte hier nach meiner Einschätzung die Gefahr, dem politisch Gewünschten den Vorrang zu geben vor dem technisch Möglichen und ökonomisch sinnvollen.

Wie entwickelt sich die Salzgitter AG im neuen Jahr?

Der Salzgitter-Konzern hat in diesem Jahr das beste Neun-Monats-Ergebnis seit 2008 erzielt. Das konzernweite Optimierungsprogramm greift, die Märkte haben sich erholt, und China scheint den Abbau von Überkapazitäten der Stahlerzeugung ernst zu nehmen. Damit gibt es trotz anhaltend hoher Volatilitäten beim Eisenerzeinkauf beste Voraussetzungen für eine Fortsetzung der sehr positiven Entwicklung der Salzgitter AG auch in 2018.

Wie entwickelt sich die Konjunktur in unserer Region im neuen Jahr?

Alle Konjunkturprognosen für das neue Jahr in Deutschland zeigen aufwärts. Dies gilt auch für den Wirtschaftsraum Braunschweig-Wolfsburg. Die hiesigen Unternehmen werden im Jahr 2018 anhaltend von einer agilen Binnenkonjunktur und anziehendem Exportgeschäft profitieren. Nach der letzten regionalen Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Braunschweig bleiben die Geschäftserwartungen auch für die kommenden Monate stabil bei einer deutlich gestiegenen Investitionsbereitschaft.

Welche Risiken sehen Sie für die regionale Wirtschaft?

Insbesondere weltweite Instabilitäten könnten im kommenden Jahr die gute Konjunktur bremsen. Die schleppenden Brexit-Verhandlungen der Europäischen Union mit Großbritannien, das Erstarken protektionistischer und nationalistischer Bewegungen, die Disharmonien innerhalb der Wirtschaftspolitik Europas oder diverse geopolitische Krisen bleiben als Bedrohungspotenzial im Hintergrund bestehen. Und leider werden zunehmend Unternehmen in ihrer positiven wirtschaftlichen Entwicklung durch den Fachkräftemangel behindert. In dem genannten regionalen Konjunkturtest der Industrie- und Handelskammer Braunschweig sieht ein hoher Anteil der befragten Unternehmen im Fachkräftemangel sogar ein erhebliches Risiko für die künftige Geschäftsentwicklung.

Die Milliardenschulden Deutschlands bewegen unseren Leser Jürgen Schönwald. Er fragt: „Wie viel wird im Jahr 2018 getilgt? Wann ist der ganze Berg abgetragen?“

Nach meiner Kenntnis wird der Bund in Deutschland im Jahr 2018 keine Schulden tilgen. Der Haushaltsplan sieht einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne die Aufnahme neuer Schulden vor, eine Schuldentilgung ist nicht vorgesehen. Der ausgeglichene Bundeshaushalt ist sicher ein erster Erfolg, der allerdings nur aufgrund des seit Jahren extrem niedrigen Zinsniveaus erreicht werden konnte.

Zum zweiten Teil der Frage: Es ist nicht absehbar, dass der Schuldenberg der Bundesrepublik Deutschland überhaupt jemals abgetragen werden kann. Derzeit hat der Bund Schulden in Höhe von 1265 Milliarden Euro, für das Jahr 2018 werden Einnahmen und Ausgaben des Bundes in Höhe von 337,5 Milliarden Euro erwartet. Unterstellt man, der Bund würde künftig ein Prozent der jährlichen Einnahmen zur Schuldentilgung verwenden – nach den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte eine völlig unrealistische Hoffnung – dann wäre der Schuldenberg des Bundes in 375 Jahren abgetragen.

Ergänzend ist allerdings anzumerken, dass der Schuldenstand des Bundes relativ zur Wirtschaftsleistung in Deutschland, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, sinkt: Betrug der Schuldenstand im Jahr 2013 noch 77,5 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts, so wird dieser Wert voraussichtlich bis zum Jahr 2021 auf 57 Prozent sinken. Diese Betrachtung lässt allerdings Schulden im weiteren Sinne als unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen, zum Beispiel in Verkehrs- und Gebäude-Infrastruktur, völlig außer Acht. Bei dem derzeitigen Zinsniveau kann es ökonomisch durchaus sinnvoll sein, lieber Straßenbrücken und öffentliche Gebäude instand zu setzen, als den Schuldenberg abzutragen. Aus unseren Unternehmen wissen wir, dass unterlassene notwendige Investitionen in der Regel weit höhere Aufwendungen in der Zukunft nach sich ziehen.

Wird sich der regionale Arbeitsmarkt weiter beleben?

Die Situation auf dem regionalen Arbeitsmarkt ist derzeit so gut wie seit Jahrzehnten nicht. Fachkräfte werden dringend gesucht, viele Jugendliche können zwischen verschiedenen Ausbildungsplatzangeboten wählen. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es weiterhin Problemfälle auf dem Arbeitsmarkt gibt. Ich denke hier an Langzeitarbeitslose oder auch Einzelfälle, bei denen eine Vermittlung auf einen neuen Arbeitsplatz nicht so schnell wie gewünscht gelingt.

Wie wird die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt gelingen?

Es hat sich bereits seit langem herausgestellt, dass das wichtigste Kriterium für eine gelungene Integration der Flüchtlinge die Sprachkenntnisse sind. Die Vermittlung von Sprachkenntnissen war ein deutlich unterschätztes Problem; erst wenn dieses Problem behoben wird, stehen Flüchtlinge dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Ich sehe aber sehr viele erfolgversprechende Konzepte zum Spracherwerb in unserem Wirtschaftsraum. Der Weg vom Beginn intensiver Sprachschulungen bis zu ausreichenden Sprachfertigkeiten für die Berufswelt ist allerdings lang.

Eines der von mir genannten vorbildlichen Projekte ist das „Rucksack-Programm“ des Kindernetzwerks der Volksbank Braunschweig-Wolfsburg. In diesem Projekt werden Flüchtlinge als Eltern kleinerer Kinder zum Mitwirken an Erziehungs- und Lernprozessen motiviert. Es befähigt die Eltern, entsprechende Übungen mit ihren Kindern in der Muttersprache zu Hause und im Alltag umzusetzen. Parallel wird in der Kita der Wortschatz in der Zweitsprache Deutsch erweitert. Ein willkommener Nebeneffekt dieses Programms besteht darin, dass die Eltern gleich mitlernen, besser Deutsch zu sprechen. Insbesondere auch die Kinder der heutigen Flüchtlinge werden in 15 Jahren und darüber hinaus wesentliche Leistungsträger unserer Gesellschaft und sehr gut integriert sein.

Womit wird das Jahr 2018 überraschen?

Allen Vorhersagen zum Trotz wird der letztgenannte Eröffnungstermin für den Berliner Hauptstadt-Flughafen BER nicht erneut verschoben – dies wäre allerdings für mich eine außerordentlich große Überraschung.

Fakten zur Person:

Wolf-Michael Schmid wurde am 22. November 1947 in Schöningen geboren.

Von 2006 bis 2016 war Schmid Präsident der IHK Braunschweig, wurde 2016 Ehrenpräsident.

Schmid ist geschäftsführender Gesellschafter der Helmstedter Unternehmensgruppe Dr. Schmid. Zudem ist er Vorsitzender des Fördervereins Schöninger Speere.