Braunschweig. Niedersachsens Umweltminister hält das Herbizid für eine „tickende Zeitbombe“, Landwirte hoffen auf eine Zulassungsverlängerung.

Unsere Leserin Jolanta Ukrow fragt:

Wie will die Landesregierung die Belastung der Umwelt durch Glyphosat verhindern?

Die Antwort recherchierte Svenja Paetzold-Belz mit den Agenturen

Fluch für die Umwelt oder Segen für die Bauern? Giftig oder nicht? Der Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat wird angesichts der anstehenden Verlängerung der Zulassung in Europa zur Zeit kontrovers diskutiert. Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Die Grünen) fordert ein Verbot des Glyphosat-Einsatzes. Das bestätigte eine Sprecherin des Niedersächsischen Umweltministeriums auf Anfrage unserer Zeitung. Daher habe der Minister die Bundesregierung aufgefordert, in den aktuell laufenden EU-Verhandlungen gegen eine Verlängerung der Zulassung des Pflanzengifts zu stimmen. Laut Wenzel sei die giftige Wirkung für Wasserlebewesen unstrittig, ebenso wie eine massive Schädigung der Artenvielfalt, insbesondere die Insekten betreffend. Wenzel: „Wer ja sagt zum Artenschutz, muss ein klares Nein zu Glyphosat erklären.“ Der Einsatz dieser Stoffe müsse drastisch reduziert werden. Wenn die Zweifel an der Unbedenklichkeit nicht ausgeräumt würden, dürfe es keine Verlängerung geben.

Was sagen Befürworter und Kritiker der Verlängerung aus unserer

Region?

Die Verlängerung der Zulassung wäre für den Umweltminister eine „tickende Zeitbombe“ für die Insektenbestände, den Vogelschutz und die Nahrungsmittelproduktion. Diesem „Nein“ der Landesregierung steht ein klares „Ja“ der Landwirte gegenüber. „Ich befürworte den Einsatz uneingeschränkt“, sagt Ulrich Löhr, Vorsitzender des Niedersächsischen Landvolks Braunschweiger Land. „Studien zeigen, dass der Stoff unbedenklich ist. Durch Angstmache sollen politische Interessen durchgesetzt werden.“

Ein generelles Verbot hält auch der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Frank Oesterhelweg, für falsch. Er rät zu einer Verlängerung für weniger als zehn Jahre, in denen weitere Studien Klarheit schaffen sollen. Der Göttinger Professor für Agrarökologie, Teja Tscharntke, sagt hingegen dazu: „Wenn Glyphosat verboten wird, löst das nicht das Problem. Dann kommt ein anderes Pflanzenschutzmittel“, sagt er. „Wir brauchen eine Landwirtschaft, die die ökologische Flora schützt. Die ökologische Landwirtschaft zeigt: Man kann auch ohne Herbizide auskommen.“

Weitere Fragen und Antworten zum Thema:

Was ist Glyphosat überhaupt?

Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate und eine biologisch wirksame Komponente von Breitband-Herbiziden. Es wirkt grundsätzhlich gegen alle Pflanzen. Deswegen werden Nutzpflanzen gentechnisch verändert, damit sie gegen den Wirkstoff resistent sind. Solche Pflanzen werden in Europa allerdings nicht angebaut. Glyphosat blockiert ein Enzym, das Pflanzen zur Herstellung lebenswichtiger Aminosäuren brauchen. Der wasserlösliche Wirkstoff wird über die Blätter aufgenommen.

Wo wird Glyphosat eingesetzt?

Zum Einsatz kommt Glyphosat auf rund 400 Millionen Hektar überwiegend landwirtschaftlich bewirtschafteter Fläche weltweit. Dies geht aus einem Bericht des Marktforschungsunternehmens Kleffmann Group vom Juli hervor. Die landwirtschaftliche Fläche umfasst in Deutschland 16,7 Millionen Hektar. Die Einsatzfelder sind vor allem Ackerbau, aber auch Wein- und Obstbau, bei Privatanwendern und bei der Deutschen Bahn.

Welche Mengen werden verkauft?

Rund 850 000 Tonnen Glyphosat werden nach Schätzungen jährlich verkauft, 90 Prozent davon zum Einsatz in der Landwirtschaft. Die in Deutschland verkaufte Menge liegt seit zehn bis 15 Jahren bei etwa 5000 Tonnen.

Wie gefährlich ist Glyphosat?

Die Auswirkungen auf die Umwelt sind umstritten, die Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen reichen in ihren Aussagen von „unbedenklich“ bis „gefährlich“. Das Umweltbundesamt sagt, die nahezu vollständige Vernichtung aller Kräuter und Gräser auf dem Acker entziehe allen an Ackerlebensräume gebundenen Arten wie Insekten und Feldvögeln großflächig die Lebensgrundlage. Ganze Nahrungsnetze könnten zusammenbrechen. Glyphosat-Hersteller und -Nutzer halten dies für eine „Verteufelung“.

Lobbyisten beider Seiten beteiligen sich immer wieder an wissenschaftlichen Untersuchungen, um die Gefahren oder die Unbedenklichkeit des Stoffes zu beweisen. Auch die Auswirkungen auf Menschen sind umstritten: Die Internationale Krebsforschungsagentur IARC stuft die Chemikalie als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin (BfR) hat eine Analyse im Auftrag der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) erstellt, die das Gegenteil aussagt.

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Im Zweifel gegen Glyphosat