Berlin. Die Sozialdemokraten genießen den Rückenwind aus Hannover.

Stephan Weil ist kein Freund des Politikbetriebs in der Hauptstadt. Der niedersächsische Ministerpräsident kokettiert gern damit, aus der „norddeutschen Tiefebene“ zu kommen. Das soll bedeuten, dass dort andere Gesetze gelten als in der politischen Käseglocke Berlin. Nun ist es aber Tradition, dass der Spitzenkandidat einer Landtagswahl am Montag danach in der Parteizentrale einen Blumenstrauß überreicht bekommt. Weil nahm also den Zug um 7.31 Uhr von Hannover nach Berlin, dankte für die Blumen, saß gut zwei Stunden in einer Sitzung mit SPD-Funktionären und fuhr zurück zum Bahnhof.

Auf dem Weg dorthin stoppte er noch für eine Pressekonferenz, was weder eine besondere Distanz zu Berlin erkennen ließ noch zu den Ritualen nach Landtagswahlen zählt. Der Auftritt war aufschlussreich, weil es vor allem um die SPD und um Parteichef Martin Schulz ging, genauer: um dessen Zukunft.

Drei verlorene Landtagswahlen und das schlechteste Ergebnis bei einer Bundestagswahl haben Schulz‘ Fähigkeiten infrage gestellt, die Partei zu führen. Zudem hat er an Glaubwürdigkeit verloren, seit durch eine „Spiegel“-Geschichte seine internen Äußerungen mit denen auf offener Wahlkampfbühne vergleichbar wurden. Der Wahlerfolg der SPD in Niedersachsen stabilisiert Schulz nun, oder um es in seinen eigenen Worten zu sagen: Er ist

eine „Ermutigung“ und gibt ihm „Rückenwind“ für die Erneuerung der SPD. Die Frage ist nur, wie lange der Mut hält und der Wind weht.

Natürlich wurde Weil auf der Pressekonferenz danach gefragt. Er hätte antworten können wie seine Kollegin Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern. Die sagte am Montag, Schulz bleibe Parteichef, „erst recht nach der Niedersachsen-Wahl“. Weil aber gelang keine klare Antwort.

Auf die Frage, ob Schulz der richtige Parteichef sei, sagte er, bei der Erneuerung der SPD müsse sich „die Parteiführung nicht nur auf der rationalen, sondern auch auf der emotionalen Ebene einig mit der Mitgliedschaft“ sein. Schulz sei dafür der Richtige, er habe eine große Integrationskraft: „Deshalb hat er meine volle Unterstützung.“ Später sagte Weil, Schulz sei „im Moment“ nötig für die Erneuerung der SPD. Dann sprach er von „dieser Phase“, in der Schulz wichtig sei. Nur im Moment? Nur in dieser Phase? Weil sagte, nur Berliner Journalisten würden Worte so auf die Goldwaage legen. Klarer wurde er trotzdem nicht.

Stattdessen breitete Weil Vorschläge aus, die den Eindruck erweckten, Schulz sei zwar geeignet, die Seele der Parteibasis zu streicheln. Über die Erneuerung der Partei aber machten sich andere Gedanken. Jedenfalls wurde Weil ziemlich konkret: Die SPD müsse bürgernäher werden und Gerechtigkeits- und Zukunftsthemen besser miteinander verbinden. So habe man bisher zu wenig über Pflege und Gesundheitsversorgung geredet. Im Wahlkampf habe man keine Schwerpunkte gebildet: „Wir hatten viele Themen, aber kein Thema.“ Die Reform der Parteiorganisation, von der Schulz in diesen Tagen spricht, findet Weil nicht so wichtig: „Der Schwerpunkt unserer Bemühungen muss in der Politik liegen.“ Im Übrigen sei ein neues Grundsatzprogramm sinnvoll. Ob er das Schulz gesagt habe? Bisher nicht. Dann fuhr Weil wieder nach Hannover.

Zwei Stunden später gab Schulz selbst eine Pressekonferenz. Er habe gerade mit den Landes- und Bezirksvorsitzenden eine „lebhafte, aber sehr konstruktive Debatte“ gehabt und werde nun beginnen, sich um die Erneuerung der Partei zu kümmern. Das dauere aber: „Ich komme nicht mit einem neuen Zehn-Punkte-Plan heute schon um die Ecke.“