Braunschweig. Der Fall Twesten erhitzt die Gemüter. Rein rechtlich ist der Partei-Wechslerin nichts vorzuwerfen, ihr Mandat darf sie behalten.

Ein Leser behauptet auf unseren Internetseiten:

Hätte Frau Twesten auch nur einen Funken Anstand, hätte sie ihr Mandat niedergelegt.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Unser Leser dürfte ein Anhänger der SPD oder der Grünen sein. Einige von ihnen machen ihrem Ärger über die Partei-Wechslerin Elke Twesten auf deren Facebook-Seite Luft. Ein wahrer Shitstorm braut sich auf der Seite der Politikerin zusammen, die von den Grünen zur CDU übertritt.

Abgeordnete, die mitten in der Legislaturperiode die Partei wechseln, hat es immer schon gegeben. Und manche brachten dabei eine Regierung ins Wanken – oder wie bei Twesten – auch zu Fall. 1972 etwa wollten vier FDP-Abgeordnete die Ostpolitik von Kanzler Willy Brandt (SPD) nicht mehr mittragen. Die Abtrünnigen wechselten ins Oppositionslager, ein Teil von ihnen trat in die CDU ein – und die Mehrheit war dahin. Damals wie heute war von „Verrat“ und „Intrige“ die Rede.

Doch rein rechtlich haben sich diese Partei-Wechsler nichts vorzuwerfen. Im Bundestag und auch im Landtag von Hannover gilt das „freie Mandat“. Das ist im Grundgesetz fest verankert. Es bedeutet: Abgeordnete sind an keine Aufträge der Wähler, der Partei oder der Fraktion gebunden, sondern nur an das Gewissen.

Der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer sagte auf Anfrage: „Ein Mandat kann daher auch nicht entzogen werden, wenn es einmal ausgesprochen wurde. Die Grünen und die SPD hätten im Fall Twesten eher Schadensbegrenzung betreiben müssen.“

Oswald Metzger, der 2008 ebenfalls von den Grünen zur CDU übergetreten ist (siehe Hintergrund-Seite), sagte unserer Zeitung: „Im Prinzip ist es so, dass ab dem Zeitpunkt der Mandatsübernahme für den Abgeordneten Narrenfreiheit herrscht.“ Dass im parlamentarischen Alltag dennoch so etwas wie Fraktionszwang herrscht, habe einen einzigen Grund: „Du willst ja wieder aufgestellt und gewählt werden. Das ist das Druckmittel der Fraktion.“

Die Angriffe gehen offenbar nicht spurlos an Twesten vorüber. Sie verteidigte ihr Vorgehen gestern auf ihrer Facebook-Seite. Sie schrieb: „Die Unterstellungen und Verleumdungen, ich hätte mich kaufen lassen oder in irgendeiner Form ein Angebot der CDU erhalten, sind falsch und unwahr.“

Partei-Rebellin Twesten argumentiert im Sinne des freien Mandats. „Es bleibt dabei: Mein Austritt bei den Grünen ist inhaltlich begründet, der Entscheidung ist ein langanhaltender Entfremdungsprozess vorausgegangen.“

Ihre Ankündigung setzte sie um: Twesten wurde am Montag vom CDU-Kreisverband Rotenburg/Wümme aufgenommen.