Remlingen. Bürger fordern das Bundesamt in Salzgitter auf, seine Homepage umzubenennen: Das Ziel der Bergung des Mülls werde nicht deutlich.

Unsere Leserin Brigitte Haberlandt-Klein fragt:

Ist die Asse jetzt doch ein Endlager?

Die Antwort recherchierte Uwe Hildebrandt.

Diese Frage beschäftigt derzeit Menschen, die in der Nähe der Asse wohnen. Besonders die Wolfenbütteler Atomausstiegsgruppe (WAAG) um Eleonore Bischoff will sich nicht damit abfinden, dass immer wieder vom Endlager Asse die Rede ist. Sie fürchtet, dass die Verwendung des Begriffes „Endlager“ dazu führt, dass der Atommüll nicht mehr aus dem maroden Schacht geborgen wird. (Den Kommentar zu diesem Thema lesen Sie hier).

So wählte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) in Salzgitter für die Homepage, auf der es die Öffentlichkeit über die Asse informiert, den Namen www.endlager-asse.de. Hier eine Übersicht über die verschiedenen Antworten, die sich auf die Frage von Brigitte Haberlandt-Klein geben lassen:

„Die Asse ist ein Endlager“

„Bei der Schachtanlage Asse II handelt es sich de facto um ein Endlager, weshalb die Schachtanlage Asse II auch als ,Endlager’ bezeichnet wird“, erklärt Florian Emrich, Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz. Die radioaktiven Abfälle seien einst mittels einer Technik eingelagert worden, die keine spätere Rückholung vorgesehen habe. „Die Fässer wurden zum Teil in Versturztechnik eingelagert“, sagt Emrich im Gespräch mit unserer Zeitung, „der Betreiber hatte nicht mehr das Ziel, sie irgendwann wieder zu bergen.“ Bis 1978 waren in die Asse rund 126 000 Fässer mittel- und schwachradioaktiven Mülls eingelagert worden.

Für den BfS-Sprecher ist also die Bezeichnung „Endlager“ passend: „Die Schachtanlage Asse II unterfällt nach objektiven Kriterien dem Wortlaut und dem Zweck des Paragraphen 9a, Absatz 3 des Atomgesetzes, sie ist also eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle.“

Emrich versichert indes, dass die Wortwahl keinerlei Einfluss auf das Handeln seiner Behörde habe: „Auch wenn die Asse nun mal ein Endlager ist, so ändert das überhaupt nichts an dem Ziel, dass wir die Fässer zurückholen wollen.“ Derzeit unternehme das BfS ja alles, um dieses Ziel zu erreichen. „Ich wäre froh“, erzählt Emrich, „wenn die Probleme der Asse nur mit der Namensgebung einer Internetseite zusammenhängen würden.“

Auch den Vorwurf, sich nicht mit der Kritik der WAAG auseinander zu setzen, weist Emrich zurück: „Wir antworten auf die Briefe, haben einen intensiven Austausch mit der Initiative.“

Der BfS-Sprecher erinnert daran, dass die Bürgerinitiativen sich dafür eingesetzt hätten, die Asse vom Bergrecht ins Atomrecht zu überführen. Dieser Wechsel erfolgte 2009, als auch die Zuständigkeit vom Forschungs- zum Umweltministerium wechselte und das BfS das Helmholtz-Zentrum als Betreiber ablöste. „Ein Ziel auch der Initiativen war damals, die Asse als das zu bezeichnen, was es ist“, sagt Emrich. Dort sei eben kein normales Bergwerk oder Forschungslager betrieben worden, sondern man habe eingelagert.

Beruhigen müsse die Initiativen laut Emrich auch der neue Paragraph 57b des Atomgesetzes, die Lex Asse: „Dort wird die Rückholung als Stilllegungsoption festgelegt – ohne dass es einer zusätzlichen Rechtfertigung bedarf. Die Rückholung hängt nicht davon ab, ob man die Asse als Endlager bezeichnet, sondern davon, ob die bergsicherheitlich möglich und radiologisch verantwortbar ist.“

„Die Asse ist kein Endlager“

Eleonore Bischof lässt dieser Begriff keine Ruhe, allen Beschwichtigungen zum Trotz: „Wenn man sagt, dass die Asse ein Endlager ist, dann hat das doch eine Signalwirkung. Der Bürger hört da heraus, dass der Atommüll ewig dort unten bleiben soll.“

Die Botschaft des neuen Asse-Betreibers, den Atommüll zurückholen zu wollen, schlage sich in seiner Begriffswahl nicht nieder, so Bischoff: „Wenn ich das einfach weiter ,Endlager’ nenne, obwohl ich den Atommüll offiziell zurückholen will, dann wird dieses Vorhaben für mich unglaubwürdig.“

Die WAAG schreibt jede Menge Briefe und sammelt bereits Unterschriften, um das Bundesamt für Strahlenschutz von seinem Kurs abzubringen.

Auch rechtlich erkennt Eleonore Bischoff überhaupt keinen Grund, das Wort „Endlager“ zu verwenden. In dem von Emrich zitierten Paragraphen 9a sei doch nachzulesen, dass der Bund nicht nur Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle betreibe, sondern auch solche zu deren Sicherstellung – warum sollte man da gerade das Wort ,Endlagerung’ herausgreifen. Außerdem führt die WAAG den Paragraphen 23 des Atomgesetzes in Feld. „In diesem wird die Asse extra nicht als Endlager erwähnt, sondern gesondert genannt“, sagt Bischoff: „Die Asse wird im Atomgesetz also nicht als Endlager bezeichnet!“ Wer die Asse trotzdem so nenne, bestätige nur die Menschen, die den Müll unter Tage lassen und die Asse zum Endlager machen wollten.

Bischoff nennt noch ein Argument für die Antwort, die sie der Fragestellerin Brigitte Haberlandt-Klein gibt: „Für eine Endlagerung von Atommüll müsste es eine Planfeststellung geben – die gibt es für die Asse aber nicht.“

Die WAAG beteiligt sich bewusst nicht an der Asse-II-Begleitgruppe, die die Arbeiten des BfS eng und kritisch begleiten soll – Eleonore Bischoff will Distanz zu der Behörde wahren, damit sie unabhängig bleibt. Wie sehen aber Bürgerinitiativen, die in der Asse-II-Begleitgruppe mitwirken, den Namensstreit?

„Die Asse ist für uns kein Endlager“, stellt Udo Dettmann klar, Sprecher des Asse-II-Koordinationskreises, des Verbunds der Bürgerinitiativen: „Das BfS hat uns selbst die folgende Definition erläutert: In einem Endlager soll der Müll drin bleiben, aus einem Zwischenlager wird er wieder herausgeholt. Da wir den Müll herausholen wollen, kann es bestenfalls nur ein Zwischenlager sein.“

Es handele sich in seinen Augen um ein Zwischenlager, so Dettmann, bei dem die Genehmigungen für den Verbleib des Mülls unter Tage erst nachträglich eingeholt wurden. „Es wurden gna- denlos Rechtslücken ausgenutzt.“

Der Asse-II-Koordinationkreis benutzt indes lieber den polarisierenden Begriff „Atommüllkippe“. Und er fordert – wie Bischoffs WAAG –, dass das BfS Konsequenzen zieht: „Wir fordern von den zuständigen Behörden, die Namensgebung der Realität anzupassen. Die Homepage muss umbenannt und der Sprachduktus geändert werden“, sagt Dettmann. Das BfS müsse seinen Sprachgebrauch den Beschlüssen des Bundestages anpassen.

Der Asse-II-Koordinationskreis will nun mit gutem Beispiel voran gehen. Auf einer Info-Tafel an einem Parkplatz bei Wittmar benutzt er nämlich selbst noch das Wort „Endlager“. „Auch wir müssen unsere Hausaufgaben noch machen“, gibt Dettmann zu: „Im Gegensatz zum BfS kennen wir aber unsere Fehler.

Das Atomgesetz

“In Paragraph 9a, Absatz 3, heißt es unter anderem: „Die Länder haben Landessammelstellen für die Zwischenlagerung der () radioaktiven Abfälle, der Bund hat Anlagen zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten.“ Laut BfS kann die Asse, die ja der Bund betreibt, also nur eine Anlage zur Endlagerung sein. Die WAAG verweist darauf, dass die Asse laut diesem Paragraphen auch eine „Anlage zur Sicherstellung radioaktiver Abfälle“ sein könne.

In Paragraph 23 , Absatz 1, heißt es: „Das Bundesamt für Strahlenschutz ist zuständig für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen des Bundes zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie für die Schachtanlage Asse II.“ Die WAAG leitet aus dieser Aufzählung ab, dass der Gesetzgeber die Asse nicht zu den Endlagern zählt, sondern sie als Sonderfall benennt.

Die EU-Richtlinie 2011/70/ Euratom bezeichnet „Endlagerung“ als Lagerung, bei der keine Rückholung beabsichtigt ist. Bei beabsichtigter Rückholung des Mülls spricht sie von „Lagerung“.