Die Havarie löste einen nie dagewesenen Großeinsatz für die Kreisfeuerwehr Gifhorn aus. Tagelang hing wie ein Damoklesschwert das Risiko einer Gasexplosion leckender Kesselwagen über der Unfallstelle und den freiwilligen Brand- und Katastrophenschützern. Mehrere Waggons und vor allem die tonnenschwere E-Lokomotive des Gaszugs hatten sich im aufgerissenen Gleisbett verkeilt. Mehr als drei Wochen ging gar nichts auf der wichtigen Ost-West-Achse nach Berlin.
Zugunglück bei Gifhorn: Bergungen der Waggons haben begonnen
Bahn AG: Allein die Gleisreparatur kostete drei Millionen Euro
Erst am 11. Dezember konnte die ICE-Strecke wieder freigegeben werden, rekapituliert eine Bahnsprecherin auf Anfrage. „Die Infrastruktur einschließlich der Leit- und Sicherungstechnik wurde eins zu eins wieder hergestellt. Die Gesamtkosten verursacht durch den Güterzugunfall bei Leiferde belaufen sich allein für die Deutsche Bahn AG auf circa drei Millionen Euro. Die größten Posten davon sind Maschineneinsatz, Arbeitsstunden und Material, vor allem für Arbeiten wie die Instandsetzung der Infrastruktur.“
Repariert wurden Schienen, Schwellen, Schotterbett, mehrere Oberleitungsmasten, mehr als 1,5 Kilometer elektrische Oberleitung, sowie fast zwei Kilometer Kabel für die Leit- und Sicherungstechnik. Hinzu kam umfangreicher Bodenaustausch, da aus der havarierten Lok Hydrauliköl ausgelaufen war, das zwar als biologisch abbaubar gilt, aber nicht im Boden bleiben konnte.
Die Stahlstränge der Schienen waren durch die Wucht des Zusammenstoßes stark verbogen, das Schotterbett verstreut. Vor einem Neustart musste alles wieder passen, millimetergenau und nach den Maßstäben der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) und der Fahrdienstvorschrift.
Staatsanwaltschaft ermittelt seit September
Zur Ursache des Unglücks teilte die Sprecherin mit: „Die Deutsche Bahn unterstützt die Behörden bei der Aufklärung der Unfallursache selbstverständlich. Die Ermittlungen dauern noch an.“
Das ist ein Jahr nach dem Unfall wirklich so. Erste Staatsanwältin Christina Wotschke berichtete, erst seit Anfang September sei die Staatsanwaltschaft Hildesheim mit dem Verfahren befasst. Die Ermittlungen laufen wegen des Anfangsverdachts der Gefährdung des Bahnverkehrs gemäß § 315 a StGB. Bei diesem Vorwurf handele es sich „um ein konkretes Gefährdungsdelikt“. Wann mit einem Abschluss des Verfahrens zu rechnen ist, sei derzeit noch nicht absehbar. Fest steht: Den Verantwortlichen drohen bei dem Tatvorwurf bis zu zehn Jahre Haft. (Aktenzeichen 21 JS 36709/23)
Bundespolizei hatte früh eine Fahrdienstleiterin im Verdacht
Für die Bundespolizei teilte Sprecher Kevin Müller mit, deren Ermittlungen seien abgeschlossen und eben der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Müller hatte noch am Unglückstag berichtet, dass vieles für die Verantwortung einer Mitarbeiterin der DB-Fahrdienstleitung spräche. Anlässlich der Streckenfreigabe bekräftigte Müller seinerzeit, dass weder ein technisches Versagen des Gaszugs noch der Sicherungseinrichtungen der Bahnstrecke vorliege: „Die Bahnunfallermittler stellten fest, dass der betroffene Streckenabschnitt durch eine Mitarbeiterin der DB AG fälschlicherweise freigeben wurde, obwohl dort noch ein Güterzug hielt. Die Mitarbeiterin ließ den darauffolgenden Güterzug mit 25 Kesselwagen in diesem Abschnitt mit 40 Stundenkilometern fahren, der dann auf den stehenden Zug auffuhr.“
Diese Lehren zieht die Feuerwehr aus dem Großeinsatz
Für die mehreren hundert Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehren aus dem Landkreis, die sich in Schichten an der Unfallstelle ablösten, zog Meinersens Gemeindebrandmeister Sven J. Mayer als Gesamteinsatzleiter Bilanz. Zwei Punkte seien besonders hervorzuheben. „Der Einsatz hat gezeigt, dass für solche Großlagen ein Stabsraum benötigt wird, aus dem heraus die Koordination des Einsatzes vorgenommen wird. Während des Bahnunfalls war dieser provisorisch im Dorfgemeinschaftshaus in Dalldorf eingerichtet. Dieser Raum soll dauerhaft als Stabsraum genutzt werden. Dazu hat die Gemeinde Leiferde ihr Einverständnis gegeben, auf Samtgemeindeebene wurden Gelder zur Verfügung gestellt, um die Räumlichkeiten mit der nötigen Ausstattung und EDV-Anschlüssen und Technik zu versehen. Die Räumlichkeiten stehen dann bei einer Großschadenslage als Stabsraum zur Verfügung, werden aber darüber hinaus weiterhin als Dorfgemeinschaftshaus genutzt.“
Ferner habe es sich bewährt, dass die Feuerwehr in der Samtgemeinde Meinersen seit fünf Jahren in die intensive Ausbildung von Führungskräften investiere. Mayer: „So sind deutlich mehr Zug- und Verbandsführer ausgebildet als für die vorhandenen Feuerwehrstrukturen nötig wären. Das hat dazu geführt, dass für den gesamten Einsatz ausreichend qualifizierte Führungskräfte zur Verfügung standen, um den Einsatz professionell abzuarbeiten.“
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